Nein, dieser Artikel wird kein Schlussakkord der jahrelangen Lobeshymne für Content Marketing. Auch möchte ich dieses spannende Online Marketing Instrument längst nicht für tot erklären, wie es alle paar Monate mal hier und da praktiziert wird. Und doch ist es an der Zeit den Zielen, Methoden und dem Begriff Content Marketing selbst einmal gesonderte Aufmerksamkeit zu schenken. Denn vielleicht befinden wir uns längst schon in der Post-Ära des Content Marketings.
Lass mich das erklären.
Content Marketing ist eine Grundlage
Erstelle und gestalte relevante Inhalte, die der Zielgruppe einen informativen, beratenden oder unterhaltenden Mehrwert bringen. Genau das ist die Definition von Content Marketing. Inzwischen hat das so gut wie jede Marketing-Abteilung in noch so kleinen Unternehmen aufgeschnappt. Content is King, Content regiert die Welt.
Was gestern noch Zukunftsmusik war, ist heute schon längst die Grundvoraussetzung für Marketing-Maßnahmen in der digitalen Welt. Es herrscht ein reges Verständnis für Inhalte verschiedener Art, es gibt gesonderte Stellen, gar ganze Abteilungen, die sich nur mit diesen Themen auseinandersetzen. Wie schaffe ich den zielgruppenrelevanten Mehrwert, um mehr Reichweite zu generieren?
Doch wenn wir ehrlich sind: Eigentlich sollte diese Frage nicht in dem stillen Kämmerlein der Marketing-Leute besprochen werden. Es ist doch eine unternehmensweite Aufgabe, Kunden zu erreichen, informieren und zu beraten. Ist das nicht die Daseinsberechtigung für jedes Unternehmen? Jedes Produkt? Jede Dienstleistung?
Content, nicht Marketing
Das Problem an dem Begriff „Content Marketing“ ist, das dieser suggeriert, Content wäre ein Marketing-Thema. Dabei sollte das mitnichten so sein. Im Gegenteil: Unternehmen schränken sich nur unnötig selbst ein, wenn sie Inhalte als Marketing-Option verstehen. Der Vertrieb, der Kundenservice, die Geschäftsführung, ja selbst die Verkäufer auf der Fläche sind eigentlich Teil des Ökosystems. Dabei ist die Beziehung wechselseitig.
Ein Gedankenexperiment: Stell Dir vor, ein von Dir erstellter digitaler Inhalt wäre ein Produkt. Also ein Produkt, wie jedes andere, das Du und Dein Unternehmen momentan vertreiben. Was würde dann passieren? Der Verkäufer auf der Fläche würde das Produkt, also den Content, den potentiellen Kunden zeigen und mit ihnen besprechen. Der Kundenservice würde Mängel am Produkt durch das Feedback der Kunden weitergeben und andersherum neue Kunden mit dem Content umsorgen. Die Geschäftsführung würde fragen, warum das neuste Produkt nicht im Shop zu finden ist, sondern irgendwo weit weg der eigentlichen Infrastruktur in einem „Blog“ versauert. Du würdest alles dafür tun, dass Leute, die Eure Seite ansehen, auch Dein Produkt zu sehen bekommen. Wäre das nicht ein einzigartiges Szenario?
Okay, okay – jetzt mal wieder zurück in die Realität. Wenn Content Marketing als Disziplin des Online-Marketing zu kurz gegriffen ist, was muss dann getan werden, um Content als generelle Unternehmensressource zu verstehen?
Stichwort: Content Experience
Und damit wären wir beim eigentlichen Thema: Der Content Experience. Der Begriff ist eine Zusammensetzung aus dem bereits besprochenen Instrument „Content Marketing“ und der unternehmensweiten Einstellung einer „Customer Experience“.
Customer Experience, also das Erlebnis des Kunden mit der eigenen Marke, sollte in der DNA jedes Unternehmens tief verankert sein. Jeder Mitarbeitende – egal in welcher Abteilung -, der/die in irgendeiner Form auf die Außenwirkung und -darstellung der Marke Einfluss hat, prägt schließlich auch die Kundenerfahrung. Und das betrifft die unterschiedlichsten Phasen der Customer Journey bis weit nach dem Kauf.
Und dieser Unternehmenseinstellung wird im Rahmen der Content Experience die Dimension der digitalen Inhalte ergänzt.
Der Clou dabei: In diesem Konstrukt liegt es in der Verantwortung des ganzen Unternehmens, den Content auf der Seite und Content-Formate rund um die Marke im Sinne der Customer Experience zu verbessern. Der Fokus bei der Content Experience liegt im Gegensatz zu Content Marketing also nicht in der Erstellung von guten Inhalten, sondern in der Verbesserung des Nutzungsumfeldes. Dabei liegen ganz andere Kriterien zugrunde. Statt nur über Reichweitenaufbau und Zielgruppenmehrwert zu diskutieren, sind folgende Merkmale ebenso entscheidend:
- Interaktion des Nutzers mit den Inhalten
- Struktur des Inhalts selbst
- Kontextuelle Auffindbarkeit des Contents
- Nahtlose Weitergabe der Nutzer
„Content Experience zu betreiben, ist wie Hot Dogs in einem Möbelgeschäft anzubieten. Die Möbel hat jeder. Das Erlebnis ist aber ein anderes.”
Um das nochmal deutlicher zu machen, begebe Dich wieder in das Gedankenexperiment. Wenn Content als Problemlöser Dein Produkt ist, wie würdest Du die Merkmale darauf anwenden?
Im Sinne der Interaktion kann sich ein Nutzer das Produkt individuell zusammenklicken. Übersetzt heißt das: Als Konsument möchte ich den Inhalt so filtern/eingrenzen/personalisieren können, dass dieser genau mein aktuelles Problem löst. Was im Online-Shop die Größen- oder Farbwahl ist, kann im informationellen Bereich bereits ein Switcher, Video-Snippets oder eine Drop-Down-Abfrage sein. Auch der eingebundene Chat etwa mit dem Kundenservice an passender Stelle oder Konfiguratoren sowie Slideshows sind interaktive Elemente, auf die Du zurückgreifen kannst.
Was die Struktur des Inhalts selbst angeht, so hat sicher jeder aus Deinem Unternehmen eine eigene Meinung, wie Informationen strukturiert vermittelt werden können. Frag doch mal rum, wer eine bestimmte Fragestellung auf welche Weise erklären würde. Das ist so ähnlich wie Designer, die ein Produkt designen – da wirst Du auch etliche Meinungen zu einem Sachverhalt bekommen. Wichtig ist allerdings immer, dass die konsumierende Person schnell begreift, dass dieser digitale Inhalt das Problem lösen kann. Lange Textwüsten sind hier genau das Gegenteil.
Das dritte Merkmal, die kontextuelle Auffindbarkeit des Inhalts, ist wohl etwas, das im klassischen Content Marketing leider oft an seine Grenzen stößt. Würde Content als Produkt gesehen, liefe das sicherlich anders. Schließlich hat jede Abteilung ein Interesse daran, dass die eigenen Produkte sich verkaufen – im übertragenen Sinne sollte also auch jeder ein Interesse daran haben, dass die Inhalte konsumiert werden. Und das passiert genau dann, wenn der Nutzer diesen Inhalt braucht. Das heißt: Information und Transaktion sind in Deinem Business nicht mehr getrennt. Auf der Produkt- oder Kategorieseite Deines Online-Shops kann analog zu den Produkten auch der Content verlinkt werden, der gerade passt. In der Bestellbestätigung oder dem Dienstleistungsauftrag kann – genau wie es Upsell-Maßnahmen beschreiben – auch auf spannende Inhalte verwiesen werden. Selbst in der Mail vom Kundenservice an einen Bestandskunden darf ein Link zu edukativen Inhalten stattfinden. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Wichtig ist nur, dass Inhalte im eigenen Ökosystem so leicht und kontextuell sinnvoll auffindbar sind, wie möglich. Ein Blog ist hier beispielsweise vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Oder würdest Du Produkte chronologisch auf mehreren Seiten hintereinander versinken lassen?…
Kommen wir zum letzten Merkmal, der nahtlosen Weitergabe. Auch das ist ein wichtiges Kriterium in der Content Experience, das leider im originären Content Marketing zu kurz kommt. Was passiert, nachdem ein Nutzer Deinen Content konsumiert hat? Bei Produkten machst Du Dir bestimmt auch Gedanken, was nach dem Kauf passieren kann. Stell Dir und Deinem gesamten Team diese Frage Sollte der Nutzer jetzt weitere Inhalte konsumieren? Wenn ja, welcher passt? Wie passiert die Übergabe in den transaktionalen Bereich? Immerhin soll der Nutzer ja auch mal etwas kaufen. Kann ich den Nutzer an mein Unternehmen binden? Etwa durch auf den Inhalt zugeschnittene Facebook-Gruppen oder Mail-Strecken (bspw. Challenges, eBooks etc.). Kann ich den Nutzer auf ein anderes Format, wie ein Video oder Podcast aufmerksam machen, in dem sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt wird? Viele Kollegen in Deinem Unternehmen werden sicher spannende Antworten auf diese Fragen haben. Probiere es mal aus!
Tipps, wie Du Content Marketing mit Content Experience ersetzt
So, zurück in die Praxis. Zum Abschluss habe ich ein paar Tipps für Dich zusammengetragen, wie Du Content Experience als unternehmensweites Gefühl etablieren kannst. Selbstverständlich sind das zunächst theoretische Ansätze, die sicher abhängig von der Größe und Struktur eines Unternehmens unterschiedlich gut oder schlecht umsetzbar sind. Vielleicht dienen sie dennoch als kleine Inspirationsquelle für Dich.
1. Begreife Content als Ressource
Ähnlich wie Mitarbeiter, Produkte, Bürostühle oder Tools solltest Du Content als Ressource definieren, die gemeinsam von Deinem Unternehmen genutzt wird. Jeder kann von dieser Ressource profitieren.
2. Mach Content zugänglich
Analog zu Tipp 1 ist es natürlich wichtig, dass auch jeder aus Deinem Unternehmen Zugriff auf den Content hat, um ihn weiterverbreiten zu können.
3. Jeder darf mitmachen
Vielleicht hat der ITler ja auch mal Lust, gute Inhalte zu konzipieren? Schaffe einen Prozess, der offen für neue Ideen und Verbesserungsvorschläge ist. Lebe diesen Prozess auch so aktiv, dass insgesamt ein Gefühl entsteht, dass jeder mitwirken darf.
4. Hinterfrage bereits veröffentlichten Content
Nicht die Masse von Content zählt. Mindestens 50 Prozent Deiner Zeit sollte in die Überarbeitung des bestehenden Contents fließen. Was kann besser gemacht werden? Welche Elemente stören? Wie findet der Nutzer den Content besser?
5. Setze ein Preisschild hinter Deine Inhalte
Ein einfaches Tool zur Bewertung und Reflexion Deiner Inhalte ist es, ein Preisschild dahinter zu setzen. Natürlich nur intern. So weißt Du auch, wie viel Aufwand Du in die Bewerbung reinstecken kannst und wie viel Dein Content quasi „wert“ ist.
Fazit
Nein, dieser Artikel war wirklich kein Schlussakkord der jahrelangen Lobeshymnen für Content Marketing. Die Disziplin ist und bleibt für Unternehmen jeder Größe und jeder Branche unverzichtbar. Es ist die Grundlage für die Schaffung und Ansprache der eigenen Zielgruppen. Doch wenn alle Content Marketing machen, musst Du einen Schritt weiter gehen. Steche heraus, führe Deine Nutzer, nimm sie mit auf ein einzigartiges Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Eine richtig gute Content Experience ist genau dafür der passende Schlüssel.
Den Artikel gibt es auch als Webinar:
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