Gibt es einen Unterschied zwischen B2B- und B2C-Websites?
Viele behaupten: nein. Schon seit einigen Jahren lese ich immer wieder, dass es demnächst keinen Unterschied mehr zwischen B2B- und B2C-Marketing geben wird. Das mag für einige Aspekte zutreffen, aber die Ziele sind in beiden Disziplinen nun mal grundlegend andere. Hier die wichtigsten Abgrenzungen:
B2B-Entscheider oder -Entscheiderinnen befinden sich in einem Arbeitsumfeld. Sie wollen Lösungen für betriebliche Probleme finden – Technologien, Prozessen, Best Practices, technische Daten oder ähnliches. Sie suchen keine schnelle Gelegenheit zur Befriedigung eines Konsum-Bedürfnisses, sondern die für das professionelle Anliegen am besten geeignete Lösung. Oft entscheiden sie nicht alleine über eine Anschaffung, sondern bereiten die Entscheidung zur Diskussion im Team vor.
Dementsprechend ist guter Content ein Muss für B2B-Websites. Und Content ist gut, wenn er in möglichst allen Phasen der Entscheidungs-Findung – oder der Customer Journey – hilft, Fragen zu beantworten.
Außerdem haben wir im B2B in der Regel viel engere Zielgruppen als im B2C. Das stellt besondere Ansprüche zum Beispiel an SEO-relevante Inhalte. Oft sind die wichtigen Keywords solche, die kein oder ein geringes Suchvolumen aufweisen.
Last, but not least, ist unser Ziel im B2B eher das Gewinnen von Interessenten – Lead Generation –, nicht der schnelle Abverkauf. Und ist so ein Lead erstmal gewonnen, musst Du ihn im B2B stetig weiter qualifizieren und entwickeln. Denn von der ersten Informationsrecherche bis zur Anschaffung, sagen wir einer 100.000 Euro teuren Speicherlösung, vergehen mitunter 6 bis 12 Monate.
Was also sind die entscheidenden Erfolgs-Faktoren in diesem Umfeld? Das will ich in meinem Beitrag weniger aus technischer, sondern aus inhaltlicher Sicht betrachten.
Erster Eindruck: Message und Key Visuals
Schaffst Du es, innerhalb der ersten 10 Sekunden rüberzubringen, worum es auf den Seiten geht? Kannst Du in dieser kurzen Zeit zeigen, was Dein Unternehmen macht und welches Problem des Besuchers gelöst wird?
Ob das gelingt, hängt im B2B mehr vom angebotenen Content ab als von witzigen Sprüchen und emotionalen Bildern. Das bedeutet nicht, das B2B nur »ultratrocken« funktioniert, aber wir müssen verstehen, dass unser Interessent in der Regel über eine Suche kommt. Er ist zudem in Eile, und er wird gleich den nächsten Treffer in der Such-Ergebnisliste besuchen, wenn er auf Deiner Seite keine Ergebnisse zu seiner Suche erkennt.
Content und Wording: Sichtbarer Nutzen gut erzählt
Der B2B-Besucher setzt auf Kompetenz, und genau die muss er sehen oder zumindest erahnen können. Eine Headline wie »Wir sind kompetent in skalierbaren Speicherlösungen« reicht dazu nicht aus. Sie steht nur als Behauptung im Raum. Besser ist eine Headline wie »Wie Sie in einer Minute Ihre Speicherkapazität verdoppeln«, denn hier kommt ein möglicher Wettbewerbs-Vorteil in den Vordergrund. Außerdem spricht die Webseite im ersten Fall über sich selbst (»Wir sind…«) und im zweiten Fall mit dem Besucher (»Wie Sie…«). Diese lösungsorientierte, persönliche Ansprache funktioniert – nicht nur im B2B – am besten.
Auch wichtig: Ist der Text verständlich? Bloß weil B2B-Entscheider schwierige Fachausdrücke und Fremdwörter kennen, fällt auch ihnen das Lesen schwer, wenn es zu viele davon gibt. Also wenn es irgendwie geht, solltest Du nur die wirklich unumgänglichen Fremdwörter nutzen – und die Satzlängen kurz halten. Meine Empfehlung zum Checken der Schwierigkeit: textinspektor.de oder wortliga.de.
Typische Bandwurm-Fachsprache auf der Website eines führenden IT-Anbieters im Test: Das Wortliga-Tool beurteilt die Lesbarkeit mit Index 27 – das entspricht einer wissenschaftlichen Arbeit –, es erkennt zu lange Sätze und stilistische Schwächen wie Passiv-Sätze.
Ein weiteres Kriterium ist die Text-Menge. Manche B2B-Website tut hier zuviel des Guten, nach dem Motto: »Unsere Lösungen sind kompliziert, die müssen wir genau erklären«. Klar, unter SEO-Aspekten kann es ein Vorteil sein, viel Text anzubieten. Allerdings gibt es auch das SEO-Kriterium »User-Signale: Verweildauer«. Um hier zu punkten, sollte der Text gut lesbar und spannend sein. Das ist gerade im technologischen Umfeld mit kürzeren, aber prägnanten Texten, guter Headline- und Bullet Point-Struktur eher möglich als mit Long Copy.
Responsive Design: Muss sein
Klar recherchieren die meisten B2B-Entscheider noch am Desktop-Rechner ihres Arbeitsplatzes. In den Projekten unserer Agentur – das sind solche für Entscheider aus großen Unternehmen – liegt die Zahl der Website-Besucher über Smartphone bei maximal 15 bis 20%, also noch deutlich unter den B2C-Werten. Aber die Strukturen ändern sich. Mobile Working nimmt zu, Top-Entscheider kommen immer öfter aus der Generation Y oder Z – und der Anteil der »Smartphone-Rechercheure« steigt. Schon 50% der B2B-Suchanfragen werden (in USA) auf dem Smartphone gestartet, Tendenz steigend. (Details dazu in meinem Artikel B2B wird mobil – Die neuen Entscheider und ihr Einfluss).
Wenn Deine Seite nicht auf allen Geräten optimal bedienbar ist, verursachst Du bei B2B-Entscheidern mit Smartphone-Präferenz nicht nur Frust, sondern sie werden Deine Seite nicht wieder aufsuchen. Damit verschenkst Du ein wichtiges – und stetig wachsendes – New-Business-Potenzial.
Entscheider von innen: Awareness-gerechter Content
Auf zahlreichen B2B-Websites werden die Vorteile des Produkts oder der Lösung im Detail beschrieben und daran führt auch sicher kein Weg vorbei. Technische Details sind wichtig – vor allem, wenn sie gut lesbar rüberkommen. Aber reicht das aus? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns mal den B2B-Entscheider »von innen« an. Bezüglich seines Problembewusstseins wird er sich in einem von fünf verschiedenen Stadien befinden:
- Unaware: Er kennt sein Problem (noch) nicht.
- Problem Aware: Ihm ist das Problem bewusst, aber eine Lösung ist nicht bekannt.
- Solution Aware: Er weiß, dass es eine Lösung gibt und sucht danach.
- Product Aware: Er versteht und vergleicht Lösungen.
- Most Aware: Er ist Experte, er kennt Deine Lösung und die der Konkurrenz bestens.
Warum ist das wichtig zu wissen? Technische Details und konkrete Produktvorteile sind etwas für Entscheider, die sich in einem der letzten zwei oder drei Stadien befinden. Die kennen allerdings auch die Wettbewerber und vergleichen bereits. Wenn wir also Inhalte für diese Zielgruppe anbieten, setzen wir uns unter Umständen einem reinen Preisvergleich aus.
Oft ist es sinnvoller, weiter »unten« wahrgenommen zu werden. Wenn Du Inhalte bietest, die das Problem- oder Lösungsbewusstsein erst schaffen, hast Du die Chance, so etwas wie ein Wegbereiter und -begleiter zu werden. Und genießt dadurch beim späteren Preisvergleich einen Vertrauens-Vorschuss.
Daher sollten wir unser Content-Angebot auf die verschiedenen Awareness-Stufen abstimmen. Am Beispiel eines Herstellers von Flash-basierten Speicherlösungen, das IT-Verantwortliche für ERP ansprechen will, könnten das folgende Angebote sein.
Einen gut zusammengefassten Artikel findet Ihr bei ActiveCampaign unter Marketing Stages: Awareness, Sophistication, and Intent in the Buyer’s Cycle.Hauptziel Leads Generation: Ohne Call keine ActionEs gibt B2B Websites, die viele der hier beschriebenen Punkte in geeigneter Form abbilden, aber die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gut verstecken – als Navi-Punkt oben oder gar am unteren Seitenrand, im Footer, unter »Kontakt«. Eine noch schönere Variante, die ich schon mehrfach gesehen habe: »Kontakt zum Vertrieb aufnehmen« – wer will das schon?Wenn ich mir die Mühe gemacht habe, guten Content zu erstellen, sollte ich ihn auch »verkaufen«. Voraussetzung ist, dass er dem Seitenbesucher tatsächlich weiterhilft – in seinem jeweiligen Bewusstseins-Status. Dann hat er kein Problem damit, als Gegenleistung seine E-Mail-Adresse zu hinterlassen oder sich auf einen Chatbot einzulassen.Damit das besser gelingt, solltest Du diese Inhalte gut sichtbar ausloben. Dazu gehören eine Beschreibung des Content-Nutzens – wie »Fünf Tipps zur Beschleunigung von ERP-Systemen« – und ein darauf bezogener Call-to-Action wie »Jetzt kostenfrei herunterladen«.Es lohnt sich, an solchen Stellschrauben zu drehen und die Conversion zu optimieren, denn Leads im B2B sind in der Regel sehr wertvoll.FazitDie inhaltliche Überarbeitung einer B2B-Website ist in den meisten Fällen sinnvoller als ein kompletter Relaunch. Eine Investition in hochwertigen Content beispielsweise zahlt sich eher aus als ein hippes Webdesign. Zum Bewerten der richtigen Maßnahmen empfehle ich ein Audit mindestens zu den hier genannten Kriterien – also: Erster Eindruck, Content und Wording, Responsive Design, Awareness-gerechter Content und CTA/Leads Generation-Fähigkeit.Im Hinblick auf die »nachwachsenden« Entscheider und Entscheiderinnen solltest Du dem Thema Responsive Design besondere Aufmerksamkeit widmen.
Status | Beispiel Content-Angebot | Beispiel Effekt |
Unaware | Artikel über die Auswirkung schnellerer Daten-Zugriffszeiten auf die Effizienz eines ERP-Systems | Schafft Bewusstsein für die positiven Business-Effekte schneller Speichersysteme. |
Problem Aware | White Paper zu verschiedenen Speichertechnologien, deren Zuverlässigkeit und Zugriffszeiten. | Schafft Bewusstsein für die besondere Eignung von Flash-Technologie für ERP-Systeme. |
Solution Aware | Bericht über ein ERP-Projekt unter Verwendung des Hersteller-Systems. | Schafft Bewusstsein für die Relevanz der Lösung. |
Product Aware | Datenblätter und Produkt-orientierte Informationen. | Schafft Vergleichsgrundlagen. (Auf dieser Ebene arbeiten die meisten B2B-Websites). |
Most Aware | Direkter Konkurrenzvergleich, spezielle Angebote und Rabatte. | Beschleunigt die Entscheidungs-Findung.
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