Bei der Gewinnung von Kunden, ob online oder über direkten Vertrieb, egal ob B2B oder B2C wird zur Planung und Analyse gerne das Modell eines Sales Funnel verwendet. Ähnliche, meist synonym für den Sales Funnel verwendete Begriffe sind Sales Pipeline, Vertriebspipeline, Verkaufstrichter, Purchase Funnel oder Conversion Funnel.
Schon lange werden solche Modelle mit dem AIDA-Modell (Awareness, Interest, Desire, Action) verbunden, um die Schritte vom ersten Kontakt bis zum Kauf abzubilden.
Typische Verkaufs-Trichter sind also:
Awareness -> Interest -> Desire -> Action
Awareness -> Opinion -> Consideration -> Preference -> Purchase
Awareness / Search -> Evaluation -> Sales
Leads -> qualifizierte Leads -> Kunden
Generell richtig oder falsch ist keines dieser Modelle. Wie man den Trichter definiert, hängt sinnvollerweise vom eigenen Denk-Modell und eigenen Geschäftsmodell ab.
Sales Funnel = Conversion Funnel?
Der Fokus auf die Conversion im Online Marketing und der Begriff des Conversion Funnel konzentriert das Ziel noch mehr auf den Kaufabschluss / die Conversion. Um einen solchen Funnel zu managen, wird meistens und häufig auch sehr erfolgreich Software eingesetzt. Diese verschickt z.B. E-Mails in vorab definierten Sequenzen an Interessenten bzw. Leads oder analysiert die Schritte und Phasen, in denen sich ein Kontakt befindet. Webanalysesoftware beinhaltet ebenso die Möglichkeit Trichter oder Funnels, in diesem Fall z.B. Schritte in einem Kaufprozess, abzubilden. Durch die Hinterlegung des Funnels ist es möglich zu identifizieren an welchen Stellen in Funnel Abbrüche oder Ausstiege vorliegen.
So kann man den Funnel analysieren und verbessern. Analytics-Lösungen sind also ein Beispiel für Software, die zwar nicht steuert, aber Feedback zum Conversions-Prozess gibt. Verwendet man solche Software zur Steuerung, Messung und Optimierung von Conversions, so tragen entsprechende Tools zur Fokussierung auf den Kaufabschluss bei: In solchen Tools enden Conversion Funnels meist mit dem (ersten) Umsatz. Daran ist an sich nichts Falsches, denn Umsatz ist ja das Ziel der allermeisten Unternehmen. Allerdings vernachlässigt diese Denkweise, dass ein Kunde meistens nicht nur einmal kauft. Der gesamte Umsatz mit einem Kunden wird auch als Customer Lifetime Value (CLV) oder Lifetime Value (LTV) bezeichnet. Zudem kaufen Kunden auch nicht ständig das gleiche oder ein ähnliches Produkt, sondern könnten an ganz anderen Produkten interessiert sein.
Welche Rolle spielt die After-Sales Phase?
Um dies in Funnels besser zu berücksichtigen sollte man auch die Phase nach dem ersten Umsatz, die die After-Sales Phase, in Trichter/Pipeline-Modellen explizit einfügen und abbilden.
Das Modell wird also im Grunde hinten erweitert:
Traffic -> Klick -> Call to Action -> Conversion -> After-Sales
See -> Think -> Do -> Cuddle
Man spricht auch von Lifecycle-Modellen. Der Fokus liegt nun mehr auf der Kundenbeziehung und den folgenden Kaufabschlüssen mit dem gleichen Kunden. Selten wird in dieser Form des Modells jedoch konkret definiert welches genau das nächste Produkt ist. Es ist eher die gesamte weitere Kundenbeziehung, die in Modellen grafisch und auch real adressiert wird. Warum wird dies häufig so pauschal gesehen? Die Antwort liegt in der Komplexität, die daraus entsteht: Es kann schwierig sein genau festzulegen, welches das nächste Produkt im Funnel ist: Mit verschiedenen Produkten, Produktkombinationen und Kundensegmenten, die verschiedenen Kombinationen von Produkten zugeordnet werden können steigt die Anzahl der Möglichkeiten und damit die Komplexität des Funnel-Modells schnell an.
Große Unternehmen setzen seit einiger Zeit auf große Lösungen, um dies zu adressieren: Mit dem Einsatz von Business Intelligence Software, können ausgefeilte Modelle erstellt werden und Kaufwahrscheinlichkeiten für verschiedene weitere Produkte nach einem Produktkauf ermittelt werden. Dies geht weit über einen Sales Funnel als Denkmodell hinaus.
Um ein solches Lifecycle-Modell auch ohne große Datenmengen und Investitionen anwenden zu können, reicht schon eine gut durchdachte, simple und klare Angebots- und Produktstruktur. Diese macht es einfacher die Schritte hinten im Funnel genauer zu definieren und festzulegen. Wenn Angebotsbausteine von vornherein mit Bedacht darauf aufgebaut werden, lässt sich ganz einfach festlegen, welches Produkt passenderweise aus Sicht des Kunden als nächstes angeboten werden sollte.
Von After-Sales zu mehstufigen Sales
Es lohnt sich also das Modell des Sales Funnel um die Phase nach dem ersten Kauf zu erweitern und das Modell im Allgemeinen weiter zu denken und weiter zu treiben.
Tut man dies, kann man die Sache auch so sehen: In einem Sales-Funnel-Modell wird der erste Kauf weit oben eingefügt und die Cross-Selling– und Up-Selling-Potentiale weiter unten abgebildet.
Das Modell sieht dann z.B. so aus:
Traffic -> Kauf Produkt1 -> Kauf Produkt 2 -> Kauf Produkt 3
Voraussetzung ist, dass man die Reihenfolge der Produkte gut / sinnvoll einem Kunden oder Kundensegment zuordnen kann. Um dies tun zu können hilft – wie bereits erwähnt –
eine gute Produktpolitik.
Werden Sales-Funnels durch das Flywheel abgelöst?
Die neueste Version oder vielmehr ein alternatives Modell zum Sales Funnel ist das Flywheel. Das Flywheel stellt die Kunden in den Mittelpunkt, statt sie „unten“ aus dem Funnel herausfallen zu lassen. Das Modell setzt also den Ansatz über den ersten Kauf eines Kunden hinaus zu denken weiter fort. Ein Flywheel (übersetzt Schwungrad) ist ein Element aus dem Maschinenbau, welches Energie lokal speichert und wieder abgibt. Die Parallele im (Online) Marketing ist die in den Kunden und ihrem Potential für Weiterempfehlung steckende Energie. Begeisterte Kunden können insbesondere über Social Media zu neuen Kunden führen und das Flywheel antreiben. Erfunden und beworben wurde diese neue Metapher von Brian Halligan (HubSpot). Wie funktioniert das Ganze? Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde begeistert ist, steigt, wenn man sich um diesen Kunden kümmert und ihn/sie erfolgreich macht.
Auch wenn es eigentlich jedem Unternehmen am Herzen liegen sollte seine Kunden erfolgreich zu machen, ist in den letzten Jahren unter dem Begriff „Customer Success“ ein Trend entstanden, dem Kunden vermehrt bei den ersten Schritten und der Anwendung mit einem Produkt zu helfen. Zunächst war dies bei vielen Unternehmen, insbesondere aus dem Bereich SaaS-Software oder Abo-Modelle, eher dadurch getrieben, einen teuer gewonnenen Kunden nicht schnell wieder zu verlieren, also die „Churn-Rate“ zu reduzieren.
Kombiniert man das mit der Einsicht, dass begeisterte Kunden nicht nur bleiben, sondern im besten Fall aktiv weiterempfehlen, hat man den Antrieb des Flywheel. Neben dem Antrieb spielt im Flywheel – damit es funktioniert – eine möglichst geringe Reibung eine große Rolle. Investiert man in das Produkt und ist das Produkt, die Customer Experience und die User Experience gut, so ergibt dies weniger Reibung, da z.B. weniger Menschen den Kunden im Kundenservice weiterhelfen müssen.
Soweit die Idee, des Flywheels, welches nach dem Wunsch seiner Erfinder und Fürsprecher nun den Sales Funnel als Modell ablöst. Was ist da dran? Denkt man produktbezogen und produktgetrieben, ist das Flywheel sicherlich ein gutes Modell, um Produkt-Management, Marketing, Sales und Kundenservice erfolgreich miteinander zu verbinden. In vielen Geschäftsmodellen ist dies so jedoch so nicht möglich. Nicht jedes Unternehmen und Produkt hat das Potential Fans in Social Media zu generieren. Ob man nun das Flywheel als Alternative zum Funnel-Modell sieht, hängt also von der Struktur des Produkt- oder Dienstleistungsangebots ab, welches man als Unternehmen anbietet.
Funnel-Modelle im B2B-Vertrieb
So wie das Produkt einen Unterscheid macht, ist es auch relevant an welche Art Kunden man verkauft. Liegt der Fokus des eigenen Geschäfts im B2B-Bereich, so ist der Einkaufs- und der zugehörige Verkaufsprozess noch einmal anders. Meistens gibt es nicht nur einen relevanten Kontakt und Entscheider, sondern mehrere auf Kundenseite involvierte Personen und Abteilungen, von der Fachabteilung bis zum Einkauf. Entsprechend macht es Sinn über weitere Alternativen zum Funnel oder Flywheel nachzudenken. Auch im B2B-Bereich kann man selbstverständlich von einem Funnel sprechen der vom Interesse an einem bestimmten Produkt oder einer bestimmten Lösung bis zum Abschluss führt. Ein solcher Funnel lässt sich jedoch in den wenigsten Fällen komplett online abbilden. Das gilt insbesondere bei größeren Aufträgen. Ein solcher Funnel ist auch weniger linear und im Voraus planbar.
So kann es notwendig sein, dass auf Seiten eines Interessenten zwischen dem ersten fachlichen Interesse und einer konkreten Anfrage, bzw. der Offenheit für ein Angebot zunächst ein Budget geplant und freigegeben werden muss. In vielen Fällen besteht der Kaufabschluss auch nicht einfach in einer Bestellung, sondern in einer ggf. mehrstufigen Verhandlungsphase in der nicht nur der Preis, sondern auch andere relevante Rahmenbedingungen geklärt werden. Die Customer Journey, man spricht dann auch von Customer Decision Journey, dauert dadurch erheblich länger. Diesen Zeitraum für den Vertrieb bezeichnet man auch als Sales Cycle. Fügt man auch in diesem Modell die Phase nach dem Kauf ein, ergibt sich eher das Modell verschieden großer und komplexer Kreise, die die Abläufe des Haltens eines Kunden (Retention), z.B, durch Up Selling oder Kundenservice, von dem Prozess der immer wieder neuen Anfragen differenzieren.
Ein solches Modell ist nicht nur im B2B-Bereich, sondern auch fürs B2C-Geschäft hilfreich. Schritte wie Verhandlung sind hier nicht so ausgeprägt. Konsumenten können jedoch analog gesehen werden. Durch Aftersales-Aktivitäten getriggert erkennen Sie einen Bedarf, überlegen sich ein Budget, schauen sich verschiedenen Optionen an, wählen aus diesen aus und kaufen dann das aus ihrer Sicht passende oder optimale Produkt.
Fazit
Sales Funnels kommen nicht aus der Mode. Sie sind ein simples, hilfreiches Modell, um die eigene Verkaufsstrategie, zu planen, zu messen und zu steuern. Wie man die Schritte in einem Sales Funnel definiert, hängt von den eigenen Zielen, dem eigenen Geschäftsmodell und den Möglichkeiten der Kontrolle und Messung der einzelnen Schritte ab.
Man sollte sich jedoch nicht nur einfach ein Standard-Modell nehmen, sondern sorgfältig überlegen welches Modell für den eigenen Zweck hilfreich ist.
Ob man dafür eine Software nimmt, die eine bestimmte Art des Sales Funnel eingebaut hat oder ob der Sales Funnel primär ein Denkmodell ist, um die eigenen Aktivitäten zu planen und zusammenzustellen sollte man genauso von den eigenen Bedürfnissen abhängig machen.
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Guter Überblick, Nils! Der Fokus auf den Erfolg des Kunden, über den reinen Verkaufsabschluss hinaus, ist heute absolut zentral in meinen Augen.