Ein Problem wird offensichtlich:
Die Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bietet, sind atemberaubend. Die Arbeitserleichterung ist immens. Die Verbesserungen sind gewaltig. Aber eine Frage drängt sich zunehmend in den Vordergrund. Was hat dies für Auswirkungen auf die Preisfindung von Digitalagenturen? Zumal die Preisfindung bislang vorwiegend über Zeitaufwände und Stundensätze beantwortet wurde.
Die in Agenturen vorherrschende Kostenkalkulation errechnet Preise mittels Zeitaufwand und Stundensatz. Der Zeitaufwand, multipliziert mit dem Stundensatz, ergibt den Preis. Damit hängt die Preisfindung vor allem an einem Faktor: dem Zeitaufwand. Der Stundensatz selbst ist vergleichsweise starr und unflexibel. Das bedeutet: Ist etwas zeitaufwendiger, führt dies meist zu einem höheren Preis. Ist etwas weniger zeitaufwendig, sinkt der Preis.
Durch künstliche Intelligenz sinkt jedoch in erster Linie der Zeitaufwand. Oder in bestimmten Fällen entfällt er ganz, da die Tätigkeit durch die Software vollumfänglich übernommen wird. Höchstens zur Bedienung der Software fällt damit etwas Zeitaufwand an.
Digitalagenturen rechnen bislang vorwiegend ihre Leistung nach Zeitaufwand ab. Auch wenn ein Festpreis mit dem Kunden vereinbart wird, fußt dieser auf einer Zeitaufwandsschätzung und damit auf einer bestimmten Anzahl an Stunden. Etwas verkürzt gesagt: Digitalagenturen verkaufen Zeitaufwände. Was bedeutet dies für die Preisfindung, wenn der Zeitaufwand nun teils dramatisch sinkt? Für eine Tätigkeit, die früher mehrere Stunden gebraucht hat, braucht es nun unter Umständen noch wenige Sekunden oder sie fällt ganz weg. Der rechnerische Preis muss zwangsläufig zukünftig sinken – solange eben der Zeitaufwand als Grundlage der Preisfindung dient.
Das ist kein neues Phänomen. Jeder technische Fortschritt hat letztlich zu einer Beschleunigung und teils auch zum Wegfall von Tätigkeiten und Aufgaben geführt. Durch die Werkzeuge, die künstliche Intelligenz bietet, ist dies nur besonders eindrucksvoll spürbar. Hat man beispielsweise für eine Tätigkeit vor zehn Jahren noch zehn Stunden gebraucht, konnte sie vor fünf Jahren in fünf Stunden erledigt werden. Heute braucht es vielleicht nur noch eine Stunde. Wo früher zehn Stunden abgerechnet werden konnten, kann heute nur eine Stunde abgerechnet werden.
Da jedoch die Ausgaben, die zum Betrieb einer Agentur nötig sind, nicht sinken (tendenziell sogar steigen), müssen nun die frei gewordenen Stunden durch andere Tätigkeiten und Aufgaben kompensiert werden. Das mag im äußersten Fall bedeuten, dass nun zehn Aufträge über eine Stunde vom Team erledigt werden müssen. Mit weitreichenden Folgen für die Komplexität der Arbeitsorganisation. Zehn Aufträge verhalten sich aufgrund von Wechselwirkungen und Abhängigkeiten, die nicht zuletzt eine Folge von Multitasking sind, dramatisch anders als die Fokussierung auf eine Tätigkeit. Für den Kunden oder die Kundin sinkt der Preis. Für die Agentur hingegen bleibt die Einnahmesituation bestenfalls gleich.
Dabei handelt es sich um einen wirklichen Effizienz- und Effektivitätsvorteil, von dem nicht zuletzt der Kunde oder die Kundin profitiert. Solange jedoch Zeitaufwände abgerechnet werden, kann dieser Effizienzvorteil seitens der Agentur nicht in Form höherer Gewinne mitgenommen werden. Dies ist eine unmittelbare Folge der Preisfindung. Der in Wirklichkeit für den Kunden entstandene Vorteil kann nicht weitergegeben werden.
Welche Folgen hat dies für den Gewinn der Agentur? Ein einzelner Auftrag ist in Agenturen eingebettet in einen Fluss aus anderen Aufträgen und Aufgaben. In obigem Beispiel sinkt nicht nur der abgerechnete Preis eines Auftrags, sondern alle Aufträge sinken durch den abnehmenden Zeitaufwand tendenziell im Preis. Da der Stundensatz eine vergleichsweise starre Größe ist, bleibt lediglich die Möglichkeit, dies über die Menge zu kompensieren. Es muss mehr gearbeitet werden. Sprich: Die freigewordene Arbeitszeit muss durch neue abrechenbare Zeitaufwände ersetzt werden. Aber nur um bestenfalls den Status-Quo zu halten.
Wie entkommen wir aus dieser Spirale?
Aber wie entkommen wir aus dieser Spirale? Der Irrtum liegt in der Verbindung von Zeitaufwand und Preis. Diese Verbindung ist falsch. Der Wert einer Sache beziehungsweise Dienstleistung entsteht nicht durch die in sie hinein geflossene Arbeitszeit. Auf dieser Annahme jedoch fußt die sogenannte Arbeitswerttheorie nach Ricardo und Marx. Die Arbeitswerttheorie geht davon aus, dass der Wert eines Gutes durch die darin enthaltene Arbeitszeit bestimmt wird. Je mehr Arbeitszeit für die Herstellung eines Gutes benötigt wird, desto höher sein Wert.
Carl Menger, der Begründer der österreichischen Schule für Ökonomik, erkannte im 19. Jahrhundert den Irrtum. Der Wert eines Gutes wird nicht durch die aufgewendete Arbeitszeit und die Kosten des Anbieters bestimmt, sondern allein durch die subjektive Bewertung, Bedeutung und Nützlichkeit, die es für den Käufer oder die Käuferin hat. Der Wert ist subjektiv. Einen objektiven Wertmaßstab gibt es nicht.
Der Stundensatz und das Abrechnen nach Zeitaufwand folgt jedoch dieser falschen Arbeitswerttheorie. In Wirklichkeit liegt der subjektive Wert nicht in der Tätigkeit, sondern im erwarteten Ergebnis. Sprich: Darin, was der Kunde oder die Kundin durch die Dienstleistung und Hilfe der Agentur zu erreichen sucht. Dies war schon immer so. Die gute Nachricht lautet also. Kunden kaufen nicht die Zeitaufwände. In Wahrheit war es schon immer die eigentliche Problemlösung, für die sie gezahlt haben. Und hier waren bestimmte Tätigkeiten und Fertigkeiten nur Mittel zum Zweck. Wenn sich nun die Problemlösung beschleunigt und unter Umständen sogar verbessert, dann bedeutet das letztlich sogar, dass der Wert aus Kundensicht sogar steigt.
Künstliche Intelligenz und das Controlling in Agenturen
Das Zeitaufwandsdenken als Grundlage der Preisfindung verursacht aber noch weitreichendere Probleme. Hierfür müssen wir einen Schritt zurückbegeben und erklären, wie ein Stundensatz entsteht. Der Stundensatz ist das Ergebnis einer sogenannten Vollkostenrechnung, die versucht, die überwiegend festen Ausgaben einer Verrechnungseinheit zuzuordnen – der Arbeitsstunde der Mitarbeiter:innen. Hierfür muss eine durchschnittliche Abrechenbarkeit pro Mitarbeiter:in weitestgehend willkürlich festgelegt werden.
Diese wird als Abrechnungsquote bezeichnet. Demnach müsse jede:r Mitarbeiter:In durchschnittlich soundso viele Stunden abrechenbar sein. Dies wird mittels einer projekt- und tätigkeitsbezogenen Zeiterfassung erfasst. Das war schon immer eine mangelhafte Idee, ist aber nun im Zeitalter der künstlichen Intelligenz noch um Größenordnungen schlimmer.
Hier möchte ich beispielhaft zwei Situationen zeigen, in denen das Controlling mittels Stundensatz und Zeitaufwänden zu Fehlschlüssen und Fehlanreizen führt. Nehmen wir an, ein:e einzelne:r Mitarbeiter:in hat bislang für die Tätigkeiten etwa zehn Stunden gebraucht. Durch den Einsatz KI-unterstützter Werkzeuge braucht er oder sie nunmehr zwei Stunden. Jedoch muss er oder sie weiterhin die Auslastungsquote erfüllen. Wie soll er sich verhalten, wenn es gerade keine weiteren Tätigkeiten zu erledigen gibt und die Erfüllung der Quote in Gefahr ist?
Bislang wurde innerhalb der Agentur eine bestimmte Leistung an externe Partner vergeben. Dies könnte durch den Einsatz von KI innerhalb der Agentur selbst erstellt werden. Die externe Vergabe hat jedoch nur zwei Stunden internen Zeitaufwand beansprucht, das eigene Erstellen dauert – zumindest beim ersten Mal – acht Stunden. In der Kostenrechnung taucht dies als zusätzlicher Mehraufwand auf – unter Umständen wäre das Projekt danach nicht mehr »profitabel«.
Für welche Alternative entscheidet sich der verantwortliche Mitarbeiter, wenn er befürchten muss, dass sein Projekt danach als unprofitabel »gebrandmarkt« wird? In beiden Fällen kommt es zu Fehlanreizen (1. Fall) oder Fehlschlüssen (2. Fall). Im zweiten Fall könnten dadurch Fremdausgaben gesenkt und so der Deckungsbeitrag erhöht werden. Eine kluge unternehmerische Entscheidung, die unter Umständen verhindert wird, weil der überlagernde Bezugspunkt lautet: Achte auf die Zeitaufwände. Und halte Deine Abrechnungsquote ein.
Die stundenbasierte Sicht des Controllings übersieht dabei das Entscheidende: Kann durch bessere Zusammenarbeit, mehr Können und Erfahrung sowie bessere Werkzeuge das Problem des Kunden noch besser, wirkungsvoller und vor allem aus Kundensicht schneller gelöst werden? Es geht um das große Ganze, nicht um das Klein-Klein. Es geht darum, dass das Team die Wertschöpfung noch schneller, wirkungsvoller und – im wahrsten Sinne des Wortes – wertvoller erbringt. Dies ist eine Frage des wirkungsvollen Zusammenspiels. Und wenn es keine Zeitaufwände sind, die wir zukünftig unseren Kunden verkaufen, braucht es auch keine projekt- und tätigkeitsbezogene Zeiterfassung.
Warum gibt es Agenturen?
Agenturen gibt es, weil sie Probleme der Kunden besser und wirkungsvoller lösen können, als der Kunde es selbst. Oder weil der Kunde oder die Kundin in der dadurch freigewordenen Zeit mit seinen Kräften und Können etwas Wirkungsvolleres tun kann. Ökonomen bezeichnen dies als komparativen Vorteil, der durch Arbeitsteilung entsteht.
Welche Probleme lösen Digitalagenturen? Sie sorgen dafür, dass Kunden mehr Gewinn, mehr Umsatz, mehr Absatz, mehr Reichweite und mehr Sichtbarkeit erhalten. All dies wiederum hat zur Folge, dass es dem Kunden im besten Fall wirtschaftlich deutlich besser geht als vor der Zusammenarbeit. Um die Kundenprobleme bestmöglich zu lösen, braucht es nicht nur die Fähigkeit, das Können und das Wissen der einzelnen Teammitglieder, sondern eben auch die schnellsten und besten Werkzeuge.
Das eigentliche Problem Deiner Kunden hat sich nicht geändert. Kunden wollen am Markt ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen und deshalb unter anderen Wettbewerbern und Marktbegleitern auffallen und sichtbar sein. Kunden wollen Umsatz machen. Sie wollen Gewinn machen. Sie wollen wachsen. Je schneller, je weitreichender, desto besser. Je langsamer hingegen, desto höher die Kosten der entgangenen und verpassten Chancen. Kunden haben daher immer eine hohe Zeitpräferenz. Das bedeutet auch, je schneller, desto wertvoller. Deshalb ist die Beschleunigung, die sich durch den verstärkten Einsatz von solchen Werkzeugen ergibt, wenn man so will eine Art Wertschöpfungsbeschleuniger. Durch die technische Entwicklung beschleunigen sich die Möglichkeiten, noch schneller und wirkungsvoller zu helfen. Hier liegt die Chance. Es geht um Geschwindigkeit aus Kundensicht. Je schneller und wirkungsvoller Du helfen kannst, desto höher Dein Wert. Damit ist künstliche Intelligenz kein Risiko, sondern eine große Chance – für Dich und Deine Kunden.
Damit wird es aber auch zu einer unbedingten Notwendigkeit, dass Digitalagenturen hier üben und mit dem Stand der Technik Schritt halten, sogar ein paar Schritte vorauseilen. Damit auch sie im Sinne ihrer Kunden immer schneller werden. Jede:r einzelne Mitarbeiter:in, jedes einzelne Team. Es geht darum, nicht nur das gerade verfügbare, sondern das bestmögliche Team zusammenzustellen. Es ist damit nicht nur eine Frage des Einzelnen, sondern eine Organisationsfrage, eine unternehmerische Entscheidung.
Aber wie finde ich nun den Wert heraus?
Die Antwort liegt in einem wertschätzenden Kundengespräch. Indem man sich nicht auf den Aufwand fokussiert, sondern auf den möglichen Wert und die Bedeutung aus Kundensicht. Es geht nicht darum zu schätzen, wie viel Aufwand eine Dienstleistung für den Kunden haben könnte (zumal der Aufwand durch künstliche Intelligenz tendenziell sinkt), sondern welchen Wert diese Dienstleistung potenziell für den Kunden haben könnte. Und dies in ein Angebot zu übersetzen, dass der Kunde letztlich nicht ablehnen kann.
Um diesen Wert herauszuarbeiten, empfehle ich mehrstufige Gespräche, zumal die Erfahrung zeigt, dass es sowohl im Interesse des Kunden als auch des Anbieters ist, sich hier ausreichend Zeit zu lassen. Im ersten Schritt geht es darum, die Ist-Situation zu erfassen. Im zweiten Schritt geht es darum, die Erwartungen an eine zukünftige Situation während und nach der Zusammenarbeit zu beschreiben und zu verstehen. Woran würde der Kunde einen Erfolg erkennen? Und welche Auswirkungen und Bedeutung hätte das erfolgreich gelöste Problem für ihn? Dies sind die Fragen, die in Schritt drei und vier geklärt werden müssen. In diesem Gespräch geht es darum, Klarheit über die möglichen Werte zu schaffen und entstehen zu lassen. Dabei helfen eine Vielzahl von Wertsignalen, die in einem solchen Gespräch ergeben. Aus dem Gespräch ergeben sich zudem mehrere Handlungsalternativen und Optionen. Optionen, die jeweils für sich genommen Wert schaffen. Jede dieser Optionen kann nun mit einem dem Wert- und Gewinn aus Kundensicht angemessenen Preis bepreist werden. Und spätestens hier werden aus all den wahrgenommenen Wertsignalen Preissignale, die bei der Preisfindung helfen.
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