Einer spricht, einer hört zu – so einfach ist Kommunikation. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sieht die Welt deutlich anders aus. Botschaften zwischen den Zeilen, Körpersprache, also Mimik und Gestik, sowie individuelle Interpretationen erschweren die korrekte Entschlüsselung der Nachrichten. Wie können Marketer ihre Botschaften trotzdem erfolgreich an Mann und Frau bringen? Mit ein wenig Theorie im Hinterkopf steigen die Erfolgswahrscheinlichkeiten. Diese liefern euch Kommunikationsmodelle. Was es damit auf sich hat und welche Theorien jeder Marketer kennen sollte? Verschaffen wir uns einen Überblick!
Im Überblick – Beispiele für Kommunikationsmodelle bei Marketern:
- Der Third Person Effekt
- Die Schweigespirale
- Das 4 Ohren Modell
- Die Maximen nach Grice
- Das Sender-Empfänger-Modell nach Shannon & Weaver
- Das Organon-Modell von Bühler
- Das Eisbergmodell von Sigmund Freud
- Das Multi-Step-Flow Modell nach Lazarsfeld
Die Basics: Kommunikationsmodelle, Schulz von Thun und Watzlawick
Bevor wir uns verschiedene Modelle der Kommunikation ansehen, müssen wir die Basics klären. Was ist eigentlich Kommunikation? Ganz einfach: Zwei Menschen (oder Tiere, vielleicht auch Pflanzen) tauschen Signale aus. Der Eine sendet damit eine Botschaft, der Andere empfängt Diese. Im Fachjargon würden wir sagen: Einer kodiert- ein anderer decordiert Signale. Ansichten über den Ablauf dieses Prozesses gibt es viele. Damit wir uns den Vorgang besser vorstellen können, haben Wissenschaftler wie Friedemann Schulz von Thun und Watzlawick Recherchen betrieben und Kommunikationsmodelle entwickelt.
Was sind Kommunikationsmodelle?
Mithilfe von Modellen der Kommunikation versuchen Wissenschaftler zu verstehen, wie der Signalaustausch zwischen zwei Menschen funktioniert. Wie werden Informationen übermittelt? Welche Rollen nehmen die Parteien eines Gesprächs ein? Welche Faktoren beeinflussen den Informationsaustausch? Wie gehen Körpersprache, Mimik und Gestik Hand in Hand? Diese und viele weitere Fragen beantworten Kommunikationsmodelle.
Die theoretischen Ansätze versuchen, das Phänomen der zwischenmenschlichen Kommunikation einfach und verständlich darzustellen. Der zwischenmenschliche Informationsaustausch wird dabei in seine einzelnen Ebenen zerlegt, sodass wir am Ende wissen, warum Missverständnisse entstehen, Ironie funktioniert und vieles mehr.
Was leisten Kommunikationsmodelle?
Wie bereits angedeutet, helfen uns die Modelle der Kommunikation in erster Linie zu verstehen, wie Informationsaustausch funktioniert. Doch das ist noch lange nicht alles!
Mit dem Wissen, wie Signale gesendet und interpretiert werden, sorgen die Theorien außerdem dafür, dass wir aktiv Einfluss auf unseren Kommunikationserfolg nehmen können. Darüber hinaus liefern sie Erklärungen für Phänomene wie einseitige Meinungsbildungen in der Gesellschaft, Influencer Marketing und der Wirkung von Massenmedien funktionieren. Damit wir all diese Kuriositäten nachvollziehen können, haben diverse Wissenschaftler in den letzten Jahren verschiedenste Modelle der Kommunikation entwickelt.
Welche Kommunikationsmodelle gibt es?
Einher mit der Weiterentwicklung der Menschheit sind auch Kommunikationsmodelle stetig im Wandel. Wenn ihr nach dem Stichwort “Kommunikationsmodell Beispiele” sucht, findet ihr auf Anhieb eine immense Vielfalt an Theorien, die allesamt das Phänomen der Kommunikation zu erklären versuchen. Wenngleich sie ein ähnliches Ziel verfolgen, divergieren die einzelnen Ansätze doch deutlich hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Tradition, Komplexität und inhaltlichem Fokus.
Ganz grob lassen sich die Theorien in zwei Klassen unterteilen: allgemein und psychologisch. Während allgemeine Kommunikationsmodelle den Informationsaustausch interdisziplinär, also unter Berücksichtigung diverser Wissenschaften, betrachten, haben psychologische Kommunikationsmodelle eine eingeschränkte Brille auf. Für uns Marketer sind manche mehr und andere weniger relevant. Diese 8 solltet ihr kennen!
1. Der Third Person Effekt
Wenn ich euch fragen würde, ob ihr oder eure Bekannten sich von einer Bild-Schlagzeile beeinflussen lassen – was würdet ihr sagen? Ein Großteil von euch würde laut einer Studie des Soziologen Sociologist W. Phillips Davison aus dem Jahr 1983 antworten: Auf mich nicht, aber auf meine Freunde bestimmt. In einer telefonischen Befragung unter über 700 US-Amerikanern wies Davison nach, dass Individuen Medienbotschaften so wahrnehmen, dass sie größere Auswirkungen auf andere Menschen haben als auf sie selbst. Von dieser Entdeckung leitete Davison den sogenannten “Third Person Effekt” ab.
Die Theorie besagt, dass Menschen aufgrund persönlicher Voreingenommenheit dazu neigen, Botschaften aus den Massenmedien stärker auf andere als auf sich selbst wirken zu lassen. Wir können daraus schlussfolgern, dass wir laut des Third Person Effekts dazu tendieren, die Wirkung einer massenkommunizierten Botschaft auf andere zu überschätzen und gleichzeitig die Wirkung einer massenkommunizierten Botschaft auf uns zu unterschätzen.
2. Die Schweigespirale
Dass manche Meinungen immer lauter und andere immer leiser werden, hat die Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann nicht losgelassen. Bei Bundestagswahlkämpfen in den 1960- und 70er Jahren hat sie sich deshalb ganz genau angesehen, wie die öffentliche Meinung gebildet wird – und auf Basis der Ergebnisse ein neues Kommunikationsmodell entwickelt: die Schweigespirale. Laut Noelle-Neumanns Theorie tendieren wir zum Sprechen, wenn wir unsere Meinung als Mehrheitsmeinung wahrnehmen – und zum Schweigen, wenn das Gegenteil der Fall ist.
Gehen diese Phänomene Hand in Hand kommt eine Spirale in Gang, die die anfängliche Mehrheitsmeinung zur öffentlichen Meinung werden lässt. Den Medien, in erster Linie dem Fernsehen, schreibt die Wissenschaftlerin in ihrem Kommunikationsmodell einen entscheidenden Einfluss zu: Durch einseitige Darstellungen hätten diese die Macht, Mehrheitsmeinungen zu generieren und damit die öffentliche Meinung zu prägen. Das Ergebnis: Wahrgenommene (!) Mehrheitsmeinungen werden immer populärer und individuelle Ansichten durch die Schweigespirale unterdrückt.
3. Das 4 Ohren Modell nach Schulz von Thun
Habt ihr bei manchen Freunden das Gefühl, dass diese alles, was ihr sagt, in den falschen Hals bekommen? Damit seid ihr nicht allein! Jeder Mensch sendet und versteht Botschaften individuell. Der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun ging diesem Phänomen auf den Grund und wollte das Wie des Sendens und Empfangens einer Botschaft verstehen. Das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen ist das wohl berühmteste aller zwischenmenschlichen Kommunikationsmodelle: die vier Seiten der Kommunikation. Das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun geht davon aus, dass es vier Möglichkeiten gibt, wie Botschaften versendet oder verstanden werden können.
- Die blaue Sachebene: Ich kommuniziere Fakten.
- Die rote Appellebene: Ich äußere eine Aufforderung.
- Die gelbe Beziehungsseite: Ich drücke meine Beziehung zu meinem Gegenüber aus.
- Die grüne Seite der Selbstoffenbarung: Ich lasse dich hinter meine Fassade blicken.
Laut Schulz von Thun gibt es vier Münder und vier Ohren. Das bedeutet: Sowohl der Sender als auch der Empfänger kann bei der (De)codierung einer Nachricht jede der vier Seiten einnehmen. In der Praxis sieht das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun beispielsweise so aus: Einer/Eine sagt den Satz “Die Ampel ist grün.” Andere verstehen entweder…
- Ich nehme wahr, dass die Ampel ist grün. Danke für die Info – blaue Seite
- Ich soll losfahren – rote Seite
- Er/Sie findet, dass ich zu langsam fahre. Ich bin eine schlechte Fahrerin – gelbe Seite
- Er/Sie macht sich Sorgen, dass wir zu spät zum Essen kommen – grüne Seite
4. Die Maximen nach Grice
Herbert Paula Grice ist der festen Überzeugung: Kommunikation kann nur gelingen, wenn beide Parteien das gleiche Kommunikationsziel haben. Sein Kommunikationsmodell geht von einem Informationsaustausch auf Basis des Kooperationsprinzips aus. Dieses verlangt, dass die Beteiligten jede Botschaft unter Berücksichtigung zweier Gesichtspunkte erstellen: Kommunikationsziele und aktueller Zeitpunkt im Gespräch. Davon leitete Grice vier Konversationsmaximen ab, deren Einhaltung die Effizienz von Kommunikationsvorgängen steigern soll. Verstöße gegen die Maximen führen nach seiner Auffassung zu Ineffizienz.
- Quantität: Kommuniziere so viel wie nötig und so wenig wie möglich.
- Qualität: Sage nur das, was du weißt und, was du erklären kannst.
- Relevanz: Sage alles, was zum Thema gehört und nichts, was nicht dazugehört.
- Klarheit: Vermeide Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten und kommuniziere in logischer Reihenfolge.
5. Das Sender-Empfänger-Modell nach Shannon & Weaver
Das klassischste aller Kommunikationsmodelle haben die Mathematiker Claude Shannon und Warren Weaver entwickelt. Und das, obwohl sie ursprünglich ein ganz anderes Ziel verfolgten. Eigentlich wollten Shannon und Weaver die Telefonkommunikation verbessern. Das Ergebnis war ein Kommunikationsmodell, das das Mysterium der menschlichen Interaktion entschlüsselt. Und das ziemlich simpel. Sie nannten es das Sender Empfänger Modell.
Das Kommunikationsmodell geht davon aus, dass jeder Informationsaustausch aus zwei Seiten besteht. Die eine ist der Sender, der eine Botschaft teilen will, die andere der Empfänger, welcher diese aufnimmt und zu verstehen versucht. Damit dies gelingt, muss der Empfänger die verbalen und nonverbalen Signale des Senders dekodieren. Was kompliziert klingt, bedeutet eigentlich nur: Er/Sie nimmt die Info zur Kenntnis und bildet sich seinen/ihren Reim daraus. Nur wenn dabei nichts schief geht, können wir aus Sicht von Shannon & Weaver von erfolgreicher Kommunikation sprechen. Macht eine der beiden Seiten bei der Codierung oder Decodierung einen Fehler, so entstehen Interpretationsfehler.
6. Das Organon-Modell von Bühler
Die Kommunikation nur auf zwei Parteien zu begrenzen, war dem Sprachtheoretiker Karl Bühler zu einfach. Er entwickelte daher ein Kommunikationsmodell, das noch einen weiteren Part miteinbezieht: das Objekt. Dieses kann, muss aber nicht der Gegenstand der Kommunikation sein. Auch im Fokus steht es nicht. Mittelpunkt des sogenannten Organon-Modells (abgeleitet vom griechischen Begriff organum – das Werkzeug) sind die Zeichen, die Sender und Empfänger austauschen. Je nachdem, worauf sich das Sprachzeichen bezieht, definiert Bühler die Funktion der Äußerung anders. Er unterscheidet zwischen der
- Ausdrucksfunktion: Das Zeichen bezieht sich auf den Sender.
- Darstellungsfunktion: Das Zeichen bezieht sich auf den Sachverhalt.
- Appellfunktion: Das Zeichen bezieht sich auf den Empfänger.
Wenn Sender und Empfänger erkennen, welche Sprachfunktion gerade genutzt wird, sollten laut Bühlers Kommunikationsmodell Missverständnisse vermieden werden.
7. Das Eisbergmodell von Sigmund Freud
Dass Informationen so unterschiedlich aufgefasst werden, begründet Sigmund Freud mit der Vielschichtigkeit der Kommunikation. Laut des Psychoanalytikers sind nur 20% des Kommunikationsprozesses sichtbar. Diese Ebene nennt Freud die Sachebene. Die übrigen 80% laufen unter dem Radar auf der Beziehungsebene ab. Ist eine Ebene gestört, so wird dadurch auch die jeweils andere Ebene beeinflusst. Also, Vorsicht: Wenn die Beziehungsebene nicht stimmt, kann aus einem sachlichen Gespräch schnell ein Konflikt entstehen. Da ihn diese Aufteilung an einen Eisberg erinnerte, hat er sein Kommunikationsmodell nach einem Solchen benannt. Für die Praxis bedeutet das: Nur ein Fünftel der Botschaft nehmen wir durch unsere Sinne wahr. Der Rest, also all die Interpretationen und Decodierungen, finden unter der Oberfläche statt.
8. Das Multi-Step-Flow Modell nach Lazarsfeld
Influencer Marketing ist ein neuer Trend? Denkste! Elihu Katz und Lazarsfeld wiesen schon in den 1960er Jahren nach, dass Meinungen nicht direkt von Mensch zu Mensch, sondern über Meinungsführer gebildet werden. Was wir heute als Influencer Marketing kennen, nannten die Wissenschaftler den Multi Step Flow of Communication. Das mehrstufige Modell des Informationsaustauschs besagt, dass die meisten Menschen nicht direkt von den Massenmedien beeinflusst werden und sich ihre Meinung stattdessen anhand von Meinungsführern bilden, die Medienbotschaften interpretieren und in einen Kontext setzen.
Diese Menschen würden wir heute als “Influencer” bezeichnen: Individuen, die aus irgendeinem Grund, seien es demografische oder sozioökonomischer Faktoren oder schlicht ihre Interessen, von anderen als interessante Persönlichkeit – und demnach legitime Meinungsmacher wahrgenommen werden. Wenn ihr euch mit Influencer Marketing beschäftigt, solltet ihr euch das Kommunikationsmodell von Katz und Lazarsfeld unbedingt nochmal genauer ansehen!
Die Axiome nach Watzlawick
“Man kann nicht nicht kommunizieren”, dieses berühmte Zitat stammt von Paul Watzlawick. Es ist eines der 5 Axiome, die der Wissenschaftler in den 1970er Jahren zur Erklärung der menschlichen Kommunikation entwickelt hat. Mit den Axiomen betont Watzlawik, dass es bei der menschlichen Kommunikation nicht nur um den Austausch von Sachinhalten, sondern um einen interessengeleiteten Informationsaustausch geht. Für die Praxis bedeutet das: Nicht nur die Antwort einer Person B auf die Aussage einer Person A ist wichtig, sondern auch die Rückwirkung, die die Reaktion von B dann auf A hat, spielt eine Rolle. Damit betont der Wissenschaftler in seinem Kommunikationsmodell, dass ein Gespräch von der Interaktivität lebt – und keine One-Man-Show ist.
Neben dem Fakt, dass wir nicht nicht kommunizieren können, definierte Watzlawick in seinem Kommunikationsmodell noch vier weitere Axiome:
- Axiom zum Inhalts- und Beziehungsaspekt von Kommunikation
- Axiom zur Interpunktion von Ereignisfolgen
- Axiom zu digitaler und analoger Kommunikation
- Axiom zu symmetrischer vs. komplementärer Kommunikation
Welches Kommunikationsmodell ist das beste?
Nachdem wir uns 8 spannende Kommunikationsmodelle angesehen haben, stellt sich natürlich die Frage:
Welches Kommunikationsmodell ist das beste?
Ihr könnt es euch denken: Pauschal ist diese Frage nicht zu beantworten.
Wer sich mit Influencer Marketing beschäftigt, sollte sich den Multi Step Flow unbedingt genauer ansehen. Werbetexter sollten sich unbedingt genauer mit den Maximen nach Grace beschäftigen, während sich für Experten im Bereich interne Kommunikation ein ausführliches Date mit Schulz von Thun und seinem 4 Ohren Modell lohnt. Für welches Modell ihr euch entscheidet, so haben sie doch alle ein Learning gemeinsam: Kommunikation ist ein vielschichtiger Prozess, der Sorgfalt und Planung bedarf. Botschaften werden nicht nur über Sachinhalte, sondern auch über nonverbale Signale übertragen. Was ihr sagen wollt, wird von eurem Gegenüber nicht unbedingt auch so verstanden. Wenn ihr das im Hinterkopf behaltet, ist euch schon ein großer Schritt in Richtung erfolgreicher Kommunikation gelungen. Und bei allen weiteren helfen euch Friedemann Schulz von Thun, Watzlawick und alle anderen Experten der Kommunikationswissenschaft.
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