Mehr als nur Technologie – Die 12 Stolpersteine des Online-Handels
Die dynamische Landschaft des E-Commerce hat in den letzten Jahren zweifellos einen erstaunlichen Aufschwung erlebt, der die traditionellen Grenzen des Einzelhandels herausfordert und verändert. Jüngste Zahlen des Handelsverbands Deutschland (HDE) und des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) signalisieren jedoch eine gewisse Ernüchterung hinsichtlich des Wachstumspotenzials und mahnen , die Realitäten des Marktes nicht aus den Augen zu verlieren. (Quellen: einzelhandel.de; bevh.org)
Trotz dieser Herausforderungen bleibt der E-Commerce ein zentraler Akteur im Einzelhandel, ein Wachstums- und Innovationsmotor, der sowohl für die Giganten der Branche als auch für die kleinen Einzelhändler von entscheidender Bedeutung ist. Von den riesigen Handelsketten bis hin zu lokal verwurzelten Boutiquen erkennen immer mehr Unternehmen die Notwendigkeit, den digitalen Vertriebskanal zu nutzen, um ihre Produkte und Dienstleistungen anzubieten und mit ihren Kunden in Kontakt zu treten.
Doch hinter den glänzenden Fassaden der Online-Shops verbirgt sich oft eine komplexe Realität, die weit über technisches Know-how und Design hinausgeht. Aus diesem Grund habe ich die 12 häufigsten Fehler beim Aufbau eines Webshops identifiziert und zeige Dir, wie Du sie vermeiden kannst.
1. Fehlerhafte Systemauswahl und Integration
Bereits die Systemauswahl bietet eine von mehreren Herausforderungen im E-Commerce. Hier ist größte Sorgfalt geboten. Denn improvisierte Integrationsansätze und starre Verfahren ohne flexible Anpassungsmöglichkeiten führen oft zu Schwierigkeiten. Bevor Du Dich also für eine E-Commerce-Lösung entscheidest, solltest Du Deine eigenen Anforderungen sorgfältig analysieren. Die Wahl zwischen der Entwicklung eigener Werkzeuge, der Nutzung fertiger Lösungen oder der Integration externer Anwendungen erfordert eine gründliche Abwägung.
Der Entwicklungsstand der verfügbaren Tools, einschließlich kompletter E-Commerce-Software, hat mittlerweile ein Niveau erreicht, das umfangreiche Anpassungen oder Neuentwicklungen in der Regel überflüssig macht. In der Vergangenheit wurden oft erhebliche Budgets für wenig Mehrwert verschwendet. An diesem Punkt stehen wir vor einem der größten vermeidbaren Kostenfaktoren: der Auswahl der falschen Software, die später durch umfangreiche Modifikationen kaschiert werden muss. Daher ist es entscheidend, von Anfang an die richtige Wahl zu treffen, um langfristig erfolgreiche E-Commerce-Systeme aufzubauen.
2. Gefahren überdimensionierter IT-Systeme
Überdimensionierte IT-Systeme können schnell zu einem Dschungel der Unübersichtlichkeit führen. Die Komplexität großer Lösungen von IT-Anbietern oder umfangreicher CRM-Systeme kann Betreiber:innen leicht überfordern. Daher sollte man stets auf Expert:innen setzen, die in der Lage sind, die vorhandenen Softwaretools effektiv zu nutzen und erfolgreich zu navigieren.
Ein wesentlicher Ansatzpunkt besteht darin, Prozesse zu standardisieren und Arbeitsabläufe an die Software anzupassen, anstatt sich in komplexen Programmierungen zu verlieren. Diese Vorgehensweise sichert langfristig die Wartungsfreundlichkeit des Software-Ökosystems und hilft, die Kosten im Griff zu halten. Vor allem mittelständische Unternehmen setzen zunehmend auf SaaS (Software as a Service). Sie haben erkannt, dass der eigenständige Betrieb komplexer Softwarelösungen oft unerschwinglich ist. Es ist daher an der Zeit, pragmatische Ansätze zu verfolgen und sich auf effiziente und kostengünstige Lösungen zu konzentrieren, die einen langfristigen Erfolg im E-Commerce ermöglichen.
3. Mangelndes Wissen über die Zielgruppe
Wenn es darum geht, die Zielgruppe zu verstehen, solltest Du dich immer auf fundierte Daten stützen, anstatt Dich nur auf Dein Bauchgefühl zu verlassen. Denn genau darin liegt der Schlüssel zum Erfolg. Zu diesem Zweck sollten sich Marketing- und Shopverantwortliche aktiv mit der Entwicklung von Käuferprofilen, den sogenannten Buyer Personas, auseinandersetzen. Diese Profile sind zwar hypothetisch, basieren aber auf realen Daten und bieten ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen der verschiedenen Kundengruppen.
Durch eine klare Segmentierung, die durch umfassende Datenanalysen unterstützt wird, können gezielte Marketingstrategien entwickelt werden, um die Zielgruppen effektiv anzusprechen. Ein herausragendes Angebot, das sich durch klare Alleinstellungsmerkmale von der Konkurrenz abhebt, ist dabei entscheidend. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Du über die entsprechenden Daten verfügst. Ohne fundierte Kenntnisse über Deine Kunden tappst Du im Dunkeln und stehst vor den Herausforderungen im E-Commerce, die richtige Zielgruppe effektiv zu identifizieren. Ein besonders häufiger Fehler ist übrigens die Annahme, dass die Offline-Zielgruppe automatisch der Online-Zielgruppe entspricht. Dies entspricht jedoch in den meisten Fällen nicht der Realität.
4. Unklare Ziele des Online-Shops
Bevor Du Dich in die technischen Details und Funktionen Deines Online-Shops vertiefst, solltest Du zunächst ein klares Ziel definieren. Überlege Dir genau, welchen Zweck Dein Shop erfüllen soll. Möchtest Du neue Kundensegmente erschließen, Deinen Gesamtumsatz steigern oder Dein Markenimage verbessern? Die Intention hinter Deinem Shop hat einen direkten Einfluss auf das Design und die Funktionen.
Selten ist es möglich, Markenbotschaft und Kundenkonversion gleichzeitig im Fokus zu haben. Dies erfordert also eine klare Entscheidung im Vorfeld. Zudem solltest Du beachten, dass Dein Online-Shop nicht nur dem reinen Verkauf dient. Gerade für Hersteller kann er ein Instrument sein, um sich als besonders serviceorientiertes Unternehmen zu positionieren.
5. Fallstricke ungeeigneter Produkte
Die Integration von Produkten in den Online-Vertrieb erfordert eine sorgfältige Prüfung ihrer Eignung für diesen Vertriebskanal. Denn manche Produkte sind aufgrund ihrer Komplexität, rechtlicher Restriktionen oder einer hohen Retourenquote möglicherweise nicht optimal für den Online-Handel geeignet. In solchen Fällen kann ein Vertriebsmodell, das auf persönliche Beratung und direkten Kundenkontakt setzt, durchaus effektiver sein als ein reiner Online-Vertriebsansatz.
Andererseits gibt es auch hochwertige Produkte mit überzeugenden Botschaften, die sich grundsätzlich für den Online-Vertrieb eignen. Eine unzureichende Präsentation dieser Produkte kann dazu führen, dass potenzielle Kunden nicht zum Kauf übergehen, was wiederum zu falschen Schlussfolgerungen in den Auswertungen führen kann. Insbesondere in Bezug auf die Präsentation und Darstellung von Produkten ergeben sich daraus Herausforderungen im E-Commerce, die es zu bewältigen gilt, um sicherzustellen, dass hochwertige Produkte angemessen dargestellt und ihre Wirkung richtig erfasst wird.
6. Folgen mangelnder Priorisierung
Konzentration auf das Wesentliche: Die Priorisierung von Funktionen ist entscheidend für den Erfolg eines Online-Shops. Statt sofort in die Entwicklung zusätzlicher Features zu investieren, sollte der Fokus zunächst auf den Kernfunktionen liegen. Die Kernprozesse im Online-Shop müssen den Kundenerwartungen entsprechen. Funktioniert die Verfügbarkeitsanzeige einwandfrei? Ist die Reservierungsverfolgung transparent? Ist die Produktsuche und -filterung benutzerfreundlich? Diese Fragen stellen bereits eine umfangreiche Checkliste dar.
Ein effizienter Checkout- und Warenkorbprozess ist das Herzstück eines jeden erfolgreichen E-Commerce-Unternehmens und sollte daher immer Priorität haben. Es ist frustrierend, wenn das Adressfeld auf mobilen Endgeräten nicht korrekt formatiert ist und dies zu fehlerhaften oder gar fehlenden “Autofill”-Optionen durch den Browser führt. Daher ist es wichtig, sich zunächst auf die Grundfunktionen zu konzentrieren und sicherzustellen, dass diese einwandfrei funktionieren, bevor man sich auf zusätzliche Features stürzt.
7. Vernachlässigung der Shop-Optimierung
Es ist alarmierend, wie viele Online-Shop-Betreiber:innen nach einem erfolgreichen Start die fortlaufende Optimierung und Fehlerbehebung ihres Shops vernachlässigen. Dabei ist es wichtig, dass sich Dein E-Commerce-Portal – ähnlich wie ein stationäres Geschäft – kontinuierlich weiterentwickelt. Nur so kannst Du den aktuellen Trends folgen und gegebenenfalls neue Produkte und Funktionen integrieren. Unterschätze nicht die Auswirkungen von Stillstand im digitalen Raum auf das Kundenerlebnis. Viele Betreiber:innen sind sich dessen nicht bewusst, aber im Internet ist der Vergleich mit Wettbewerbern ein Leichtes. Gleichzeitig bieten sich unvergleichliche Möglichkeiten, mit A/B-Testing-Tools aussagekräftige Daten zu sammeln, um Deinen Shop kontinuierlich zu verbessern.
8. Zusammenbruch durch falsche Zuständigkeiten
Eine falsche Verteilung der internen Ressourcen und Verantwortlichkeiten kann den Erfolg eines Webshops erheblich gefährden. Allzu oft wird die alleinige Verantwortung für den Shop der IT-Abteilung übertragen. Entscheidend ist jedoch, bereits frühzeitig ein spezialisiertes Shop-Team zu etablieren, das die Gesamtverantwortung für den Webshop übernimmt.
Dabei spielt die IT sicherlich eine zentrale Rolle bei der technischen Umsetzung, aber ein multidisziplinäres Team ist unerlässlich. Ein solches Team, das eine Brücke zwischen Einkauf, Produktentwicklung, Marketing und IT bildet, ist entscheidend für die Entwicklung innovativer Lösungen und deren erfolgreiche Umsetzung im Unternehmen.
Das Wissen aber ausschließlich in isolierten Bereichen wie der IT zu halten, ist jedoch gerade in der heutigen digitalen Welt ein großer Fehler. Die Bandbreite des erforderlichen Wissens ist zu groß, um von einer einzelnen Abteilung effektiv abgedeckt zu werden. Es ist bedenklich, wenn die Festlegung von Zahlungsbedingungen ausschließlich auf den Möglichkeiten des ERP-Systems beruht.
9. Die Unterschätzung von KI bei der Entwicklung interaktiver Produktseiten
Die Rolle der KI bei der Entwicklung interaktiver Produktseiten zu unterschätzen, könnte sich als kostspieliger Fehler erweisen. Die Ära der statischen Produktseiten neigt sich dem Ende zu, und dank KI können aus Echtzeitdaten dynamische und interaktive Seiten entstehen. Plattformen wie Shopify bieten bereits heute erste Ansätze dafür direkt an. Damit dies jedoch reibungslos funktioniert, ist eine sorgfältige Einrichtung des Content Management Systems (CMS) sowie eine klare Datenstrukturierung von entscheidender Bedeutung.
Ebenso wichtig sind ein ausgeklügeltes Product Information Management (PIM) und dessen gewissenhafte Pflege. Stell Dir vor, ein Sportshirt wird nicht nur als “rot” beschrieben, sondern auch mit Eigenschaften wie “atmungsaktiv, winddicht, wärmend” auf. Diese präzisen Daten ermöglichen es der KI, auf Anfragen wie “warme Laufbekleidung für den Herbst” mit personalisierten interaktiven Seiten zu reagieren oder diese sogar selbst zu generieren, falls sie noch nicht vorhanden sind. Der eigentliche Mehrwert entsteht jedoch erst, wenn die KI auch Einblicke in die Interessen der Nutzer:innen erhält. Überlege, wie dieses Wissen Deinen Shop auf die nächste Stufe bringen kann.
10. Fehlinterpretation der Customer Experience
Die Customer Experience (CX) ist der Schlüssel zum Erfolg im E-Commerce. Sie entsteht durch das durchdachte Zusammenspiel von User Experience (UX) und Product Experience (PX) und berücksichtigt jeden einzelnen Kundenkontaktpunkt. Auf erfolgreichen E-Commerce-Plattformen stehen die Bedürfnisse der Kunden von der ersten Website-Ansicht bis zum Abschluss des Bezahlvorgangs im Mittelpunkt.
Während die User Experience (UX) bereits weitgehend verstanden wird und die Benutzerfreundlichkeit sowie einen reibungslosen Checkout umfasst, wird die Bedeutung der Product Experience (PX) häufig unterschätzt. Die PX geht weit über die reine Produktinformation hinaus und umfasst Details zu Beschaffung und Produktion sowie innovative Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), die das Produkt erlebbar machen. Auch Produktkonfiguratoren leisten einen wichtigen Beitrag zum Produkterlebnis bei.
In komplexen Branchen wie dem Automobilsektor ist es besonders wichtig, eine Balance zwischen virtueller und persönlicher Beratung zu finden, um die Kunden nicht zu überfordern. Künstliche Intelligenz (KI) kann hier unterstützen, indem sie verbesserte Produktbeschreibungen und Beratungsleistungen anbietet und personalisierte Empfehlungen direkt an die Kunden richtet.
Auch nach dem Kauf spielen Aspekte wie Versand, Kundenservice und Customer-Relationship-Management (CRM) eine entscheidende Rolle für die Kundenbindung. Ein regelmäßiger „Gesundheitscheck“ des Kundenerlebnisses ist empfehlenswert, um sicherzustellen, dass Du kontinuierlich an der Verbesserung der Customer Experience arbeitest und somit eine von vielen Herausforderungen im E-Commerce erfolgreich bewältigst.
11. Missachtung von Sicherheitsfragen
Wenn es um Sicherheitsfragen geht, darfst Du keine Kompromisse eingehen. Die Gewährleistung der Sicherheit von Zahlungsinformationen und persönlichen Kundendaten ist von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen Deiner Kund:innen zu erhalten und zu stärken. Ein häufiges Problem ist jedoch der Mangel an vertrauensbildenden Maßnahmen im Bezahlprozess, insbesondere in Bezug auf eine transparente Darstellung der Datenerhebung, deren Zweck und Verwendung.
Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Abfrage der Telefonnummer der Kunden ohne klare Erklärung des Nutzens. Viele Online-Shops benötigen diese Information beispielsweise für die Abstimmung von Lieferterminen, aber dieser Zweck wird oft nicht ausreichend kommuniziert. Dies kann Verwirrung und Misstrauen bei den Kunden hervorrufen. Es ist daher unerlässlich, sicherzustellen, dass alle Sicherheitsmaßnahmen klar und verständlich sind, um das Vertrauen Deiner Kunden zu erhalten und zu stärken.
12. Widerstand gegen Beratung
Schließlich ist es gerade bei der Komplexität von E-Commerce-Projekten wichtig, Dich nicht gegen Beratung resistent zu zeigen. Eine frühzeitige und offene Beratung ist notwendig, um häufige Fehler zu vermeiden und stattdessen Deine Energie in innovative Konzepte und den Aufbau eines erfolgreichen Online-Geschäfts zu lenken. Ein entscheidender Faktor ist die Wahl der richtigen E-Commerce-Plattform.
Wir haben festgestellt, dass Berater:innen oft Lösungen vorschlagen, mit denen sie vertraut sind oder von denen sie selbst profitieren. Daher solltest Du unabhängige Berater:innen wählen, die Dir eine E-Commerce-Lösung empfehlen, die wirklich zu Deinen Bedürfnissen passt. Oft werden Entscheidungen auf rein technischer Ebene getroffen. Das ist so, als würdest Du ein neues Familienauto nur aufgrund der Motorisierung auswählen, nur um dann festzustellen, dass es nur zwei Sitze hat und die Batterie nicht einmal für eine kurze Fahrt ausreicht. Das klingt unvorstellbar, oder? Aber in der digitalen Welt ist das keine Seltenheit. Deshalb solltest Du offen für Beratung sein und sicherstellen, dass Du die richtigen Entscheidungen triffst, um Dein Online-Geschäft erfolgreich aufzubauen.
Fazit
Es wird deutlich, dass der Aufbau eines erfolgreichen Webshops weit über rein technische Aspekte hinausgeht. Er erfordert ein tiefes Verständnis der Kundenbedürfnisse, eine klare Definition der Ziele und Prioritäten sowie eine kontinuierliche Optimierung des gesamten Einkaufserlebnisses. Es gilt, sich von der Konkurrenz abzuheben und dabei einzigartige Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln.
Die Bewältigung der Herausforderungen im E-Commerce erfordert darüber hinaus die Offenheit für externe Beratung und neue Perspektiven von großer Bedeutung, um optimale Entscheidungen für das Unternehmen und seine Kunden zu treffen.
Letztendlich basiert der Erfolg im E-Commerce auf einem ausgewogenen Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Er erfordert eine kluge Strategie, eine starke Kundenorientierung und die Bereitschaft, ständig zu lernen und sich anzupassen. Nur so können Online-Händler:innen ihr volles Potenzial ausschöpfen und ihren langfristigen Erfolg in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Marktumfeld sichern.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen