Wenn wir die Performance unserer Google Accounts analysieren, interpretieren wir oft nur das Offensichtliche. Warum es wichtig ist, implizite Informationen mit einzubeziehen und ein Lösungsvorschlag, wie wir das at Scale schaffen.
Alles Einheitsbrei?
Eigentlich sehen alle Google Ads Accounts irgendwie gleich aus. Einige wenige Keywords pro Anzeigengruppe, für Puristen gerne auch SKAGs (Single-Keyword-AdGroups), und dann alle thematisch verwandten Anzeigengruppen in Kampagnen zusammenfassen. Fertig ist die Account-Struktur.
Das schöne an so einer Struktur ist, dass wir schnell und einfach Rückschlüsse ziehen können. Wenn wir uns die Performance unseres Accounts anschauen sehen wir sofort: Jacken performen besser als Hosen, so ist das halt. Aber ist das so?
Unser Gehirn ist faul
Unser Gehirn liebt es, Dinge zu kategorisieren. Denn das bringt Ordnung ins große Chaos der Sinneswahrnehmungen. Es hilft ungemein Pudel, dänische Doggen und Boxer als Hunde zu erkennen. Denn so können wir Eigenschaften übertragen, ohne sie für jede Rasse erneut lernen zu müssen. Auch wenn ich noch nie einen tibetischen Kyo-Apso gesehen habe, bin ich mir sehr sicher, dass auch er bellen wird um gehört zu werden.
Socken sortieren wir zuhause also zu anderen Socken, und T-Shirts mit T-Shirts. So weiß ich immer, wo ich hingreifen muss, wenn ich ein T-Shirt brauche. Niemand hat zuhause eine Schublade mit Baumwollkleidung und eine für Polyester. Wir kategorisieren nach offensichtlicher, augenscheinlicher Ähnlichkeit.
Und das machen wir eben auch mit unseren Keywords. Jackenkeywords zu Jackenkeywords, Hosenkeywords zu Hosenkeywords. Das ist weder schlecht, noch verkehrt. Aber es ist eben oberflächlich.
Die Frage ist nicht was gut performt. Die Frage ist, warum es gut performt.
Wir sehen also schnell, welche Bereiche unseres Accounts gut performen. Denn wir haben ja alles in unsere thematisch gut strukturierten Schubladen gepackt. Das zu analysieren ist keine Kunst, denn wir haben es schwarz auf weiß vor uns. Keyword A konvertiert besser als Keyword B, Punkt.
Aber wissen wir auch, warum das so ist?
Da wird es schon schwieriger. Wer auf Spurensuche geht, fragt oft weiterhin dieselbe Frage. WAS genau performt denn an dem Keyword gut? Ist es der Anzeigentext? Rockt das Keyword einfach auf einem Device oder einer bestimmten Location? Wir zerstückeln die Performance so weit in Unterbereiche, bis wir kaum noch etwas erkennen.
Was wir hingegen viel zu selten fragen, ist WARUM.
Alles ist eine Aggregation
Wenn man drüber nachdenkt, ist letztlich jedes Strukturelement in Google Ads eine Aggregation – auch Keywords und Suchanfragen. Manche sind nur offensichtlicher als andere.
- Ein Google Ads Account aggregiert Kampagnen
- Eine Kampagne aggregiert Ad Groups
- Eine Ad Group aggregiert Keywords und Anzeigen
- Ein Keyword aggregiert Suchanfragen
- Suchanfragen aggregieren die Nutzer dahinter
Moment, eine Suchanfrage aggregiert Nutzer?
Naja, ja! Wenn wir für eine Suchanfrage 100 Impressions verzeichnen, stecken eben im Extremfall 100 verschiedene Menschen dahinter. 100 Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben, Erfahrungen, Hoffnungen, Ängsten und allem sonst, was einen Menschen eben so ausmacht.
Was Suchanfragen über die Nutzer verraten
Wer das WARUM verstehen möchte, muss den oder die Nutzer dahinter verstehen. Was sie suchen wissen wir – aber warum suchen sie es?
Stellen wir uns vor, wir haben einen Suchanfrage-Report vor uns, und wollen neue Keywords einbuchen. Zum Beispiel diese hier:
günstige zahnzusatzversicherung
Easy. Zahnzusatzversicherung eben. Kommt in die Zahnzusatzversicherungskampagne.
beste zahnzusatzversicherung
Nice! Nochmal Zahnzusatzversicherung. Packen wir auch in die Kampagne.
So kommen wir schnell durch unseren Suchanfragenreport. Wir buchen die neuen Keywords ein und ihre Performance trägt in Zukunft zur Gesamtperformance unserer Zahnzusatzversicherung-Kampagne bei.
Aber übersehen wir dabei nicht etwas?
Sehen wir genauer hin. Abgesehen davon, dass sich beide Suchanfragen um eine Zahnzusatzversicherung drehen, können wir noch weitere Information entnehmen.
günstige zahnzusatzversicherung
versicherung | dental | informational | günstig | preissensibler nutzer
beste zahnzusatzversicherung
versicherung | dental | informational | hochwertig | qualitätssensibler nutzer
Aha! Obwohl die Suchanfragen ziemlich ähnlich sind, unterscheiden sie sich die Nutzer dahinter mitunter in einer Dimension grundlegend. Nämlich darin, was ihnen wichtig ist! Und das ist eine Information, die extrem nützlich sein kann.
Je longtailiger oder natürlicher eine Suchanfrage ist, desto mehr Informationen kann man in der Regel herausziehen.
- Welche Hinweise gibt uns die Suchanfrage auf den Intent und Nutzer?
- Welche Dringlichkeit hat die Suchanfrage? (jetzt, heute, …)
- Ist sie informational oder transaktional?
- Was verrät Sie über die Denkweise der Nutzer?
- Wie nah an der Conversion ist die Suchanfrage?
- …
Wenn wir jetzt in unserem Performance-Report sehen, dass günstige zahnzusatzversicherung besser konvertiert als beste zahnzusatzversicherung, haben wir eine Idee, warum das so sein könnte. Vielleicht spricht unser Angebot ja eher preissensible Nutzer an.
Uns interessiert also nicht nur WAS gesucht wurde, sondern auch WIE gesucht wurde, WER so sucht, in welcher Situation und vor allem WARUM.
Dimensionen Analyse at Scale
So weit, so gut. Es ist kein großer Aufwand das für eine Suchanfrage oder ein Keyword zu machen. Aber wie kriegen wir das systematisch, konsistent und in regelmäßigen Abständen für einen ganzen Account voller Keywords und Suchanfragen hin?
Und vor allem: Wie können wir quantifizieren, welche Attribute / Dimensionen für unser Angebot gut funktionieren, und welche weniger gut?
Wenn wir eine Suchanfrage genau analysieren, machen wir im Prinzip folgendes:
- Wir zerlegen sie in ihre Bestandteile
- Wir messen jedem Bestandteil eine Bedeutung zu
- Und ziehen daraus Rückschlüsse
Und genau das probieren wir jetzt at Scale.
1. Suchanfrage mit N-Gram Analyse zerlegen
Die N-Gram Analyse ist hierfür ein guter Ausgangspunkt. Ein N-Gram ist ein Textbaustein nach beliebiger Definition, z.B. ein Wort. Es kann aber auch ein Wortpaar, -triplet oder ein einziger Buchstabe sein. Für unsere Zwecke sind Wörter und Wortkombinationen am sinnvollsten.
Ein Beispiel: Die Suchanfrage “günstige zahnzusatzversicherung vergleich” können wir in folgende N-Grams zerlegen:
“günstige” | “zahnzusatzversicherung” | “vergleich”
Oder:
“günstige zahnzusatzversicherung” | “zahnzusatzversicherung vergleich”
Jetzt ordnen wir jedem N-Gram die Performance-Daten der gesamten Suchanfrage zu
Suchanfrage / N-Gram | Impressions | Klicks |
günstige zahnzusatzversicherung vergleich | 100 | 10 |
günstige | 100 | 10 |
zahnzusatzversicherung | 100 | 10 |
vergleich | 100 | 10 |
Und genau das machen wir mit allen Keywords, Suchanfragen oder auch Anzeigen in unserem Account
Wenn wir am Ende die Performance-Daten der verschiedenen N-Grams aufsummieren, können wir deren relative Performance berechnen. Die absoluten Daten stimmen zwar nicht mehr, aber die relativen Unterschiede zwischen den N-Grams beinhalten dennoch aufschlussreiche Information.
Suchanfrage / N-Gram | Klicks | Conversions |
günstige zahnzusatzversicherung vergleich | 100 | 10 |
günstige | 100 | 10 |
zahnzusatzversicherung | 100 | 10 |
vergleich | 100 | 10 |
günstige zahnzusatzversicherung ohne wartezeit | 50 | 8 |
günstige | 50 | 8 |
zahnzusatzversicherung | 50 | 8 |
ohne | 50 | 8 |
wartezeit | 50 | 8 |
Aufsummierte 1-Wort-N-Grams mit berechneten Metriken:
N-Gram | Klicks | Conversions | CVR |
günstige (kam 2x vor) | 150 | 18 | 12% |
zahnzusatzversicherung (kam 2x vor) | 150 | 18 | 12% |
vergleich (1x) | 100 | 10 | 10% |
ohne (1x) | 50 | 8 | 16% |
wartezeit (1x) | 50 | 8 | 16% |
Aufsummierte 2-Wort-N-Grams mit berechneten Metriken
N-Gram | Klicks | Conversions | CVR |
günstige zahnzusatzversicherung | 150 | 18 | 12% |
zahnzusatzversicherung vergleich | 100 | 10 | 10% |
zahnzusatzversicherung ohne | 50 | 8 | 16% |
ohne wartezeit | 50 | 8 | 16% |
In diesem fiktiven Beispiel sehen wir, dass die Worte “ohne wartezeit” offensichtlich einen guten Einfluss auf die Conversion-Rate haben. “Vergleich” hingegen eher nicht so.
Das WARUM liegt hier recht nahe. Wer eine Zahnzusatzversicherung ohne Wartezeit sucht, hat vermutlich akuten Bedarf und ist deshalb entscheidungsfreudiger. Jemand der nach einem Vergleich sucht, will sich vielleicht erstmal allgemeiner informieren.
Eine N-Gram Analyse für den ganzen Account hat auch noch den schönen Nebeneffekt, dass wir sehen, welche N-Grams am häufigsten in unserem Account vorkommen.
Wenn “vergleich” ein häufiges N-Gram ist, seine relative Performance aber nicht sehr gut, ist unser Account eventuell nicht optimal ausgerichtet.
So eine Analyse lässt sich mit den richtigen Kenntnissen in z.B. in Excel erstellen. Bequemer und schneller ist es aber, dies automatisiert per Google Ads Script zu bewerkstelligen.
2. Bedeutung abstrahieren
Schritt 2 ist nun, die Bedeutung von N-Grams zu abstrahieren und eine Standardliste von Attributen oder “Tags” zu erstellen. So können wir ähnliche N-Grams (z.B. “billig” und “günstig”) zusammenfassen und später nicht nur die Worte, sondern auch deren dahinterstehende Bedeutung analysieren.
Wir haben bspw. gesehen, dass das N-Gram “ohne wartezeit” einen positiven Einfluss auf unsere Performance hat. Unsere Annahme ist, diese Wörter eine gewisse Dringlichkeit signalisieren. “Ohne Wartezeit” könnte man also mit “dringend” abstrahieren. Genau dasselbe machen wir für die wichtigsten und häufigsten anderen N-Grams. Je mehr N-Grams wir vertaggen, desto besser können wir hinterher analysieren.
N-Gram | Abstraktion / Tag |
günstige | günstig |
zahnzusatzversicherung | versicherung | produkt | dental |
vergleich | vergleich | information |
ohne wartezeit | dringend |
beste | qualitätsanspruch |
… | … |
Ein N-Gram kann dabei durchaus mehrere Abstrahierungen bzw. Tags haben. Wichtig ist, dass wir alle für uns relevanten Dimensionen und Bedeutungen erfassen. Das ist beim ersten Mal durchaus ein gutes Stück Arbeit, aber danach muss man die Liste relativ selten aktualisieren. Meistens kommen die gleiche Wörter in immer anderen Kombinationen in unseren Suchanfragen vor.
Wenn unsere Liste fertig ist, können wir sie in unserem N-Gram Report verwenden. Wenn wir die ursprünglichen Bestandteile unserer Suchanfrage ihre Abstrahierungen ersetzen, sehen wir vielleicht, dass Suchanfragen die “dringend” sind im Schnitt besser performen als solche mit “günstig” im Text. Diese Beispiele sind absichtlich simpel und offensichtlich gehalten. Aber in Deinem Account wirst du sicher die ein oder andere Überraschung erleben.
Pro Tip: Keywords und Anzeigen mit Tags labeln
Wer nicht jedes mal extra einen N-Gram Report machen möchte, kann auch einfach einmal seine Keywords und Anzeigen mit den entsprechenden Tags labeln. Da das ziemlich aufwendig ist, empfiehlt sich auch hier Unterstützung von einem Script.
Wenn alles gelabelt ist, können wir in Zukunft einfach nach einem oder mehreren Labels / Tags filtern und uns die Performance tagesaktuell anschauen. Das macht es einfach, auch die Performance von Tag-Kombinationen zu überprüfen.
3. Rückschlüsse ziehen
Soweit alles easy? Gut, denn jetzt kommt der schwierige Teil. Wer aufmerksam war, mag sich beschweren, dass N-Grams und Tags auch wieder nur eine Form des WAS sind. Am Ende fragen wir ja: Welche N-Grams / Tags performen gut?
Und das ist ein völlig berechtigter Einwand. Unsere Aufgabe ist es jetzt, das WARUM dahinter herauszufinden, um dieses Wissen in unsere Account-Optimierung einfließen zu lassen. Und das müssen wir für unsere Accounts alle selber in die Hand nehmen.
Zumindest haben wir nun ein gutes Werkzeug an der Hand, das uns dabei hilft, die implizite Information von Keywords und Suchanfragen systematisch zu analysieren. Statt Jacken- und Hosenkeywords sehen wir auf einmal dringliche, preissensitive oder informative Keywords. Und damit sind wir schon ein gutes Stück schlauer als vorher.
Fazit
Je mehr wir über unsere User wissen, desto besser können wir unsere Werbeaktivitäten und unser Angebot auf sie ausrichten. In Suchanfragen und Keywords enthaltene implizite Information kann uns dabei helfen, ein schärferes Bild über den Intent unserer Nutzer zu zeichnen. Weg vom WAS, hin zum WARUM.
Wenn wir die Leistung unser Marketing-Aktivitäten stetig und nachhaltig verbessern wollen, hilft es enorm, die versteckten Ursachen und Zusammenhänge in all unseren Textschnipseln und Zahlen zu erkennen. Und wenn uns das gelingt, sind wir schon wieder ein gutes Stück weiter.
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Mehr Informationen
Schön strukturierter und verständnisvoller Artikel. Muss ich bei meinem nächsten Report mit einbeziehen.
Vielen Dank Nikolai