„Das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Diese Marketingformel hast Du mit Sicherheit schon einmal gehört. Was so einfach klingt, ist in der Praxis alles andere als simpel. Wie Du dieser Herausforderung mit einem Lead Routing begegnest und dabei typischen Fallstricke vermeidest, liest Du in diesem Beitrag.
Gerade in heutigen, zunehmend digitalisierten und automatisierten Geschäftsmodellen ist es entscheidend, den potenziellen Kunden (Lead) zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt anzusprechen. Allerdings kann dabei einige Zeit von der Lead-Generierung bis zur Kundengewinnung vergehen, insbesondere bei komplexen B2B-Produkten und -Leistungen.
Aus Unternehmenssicht ist es wichtig, diesen Zeitraum so zu optimieren, dass Verkaufswahrscheinlichkeiten erhöht werden und der Kaufprozess möglichst kurz ist. Dabei hilft ein strukturiertes Lead Routing oder auch Lead Management genannt.
Darunter versteht sich die Steuerung von Leads entlang der Customer Journey und über die verschiedenen Organisationsbereiche des Unternehmens. Insbesondere der Übergang vom Marketing zum Vertrieb steht dabei im Mittelpunkt.
In der Realität reicht diese Aufteilung oftmals aber nicht aus, beispielsweise wenn Unternehmen auf mehrstufige Vertriebsschritte oder große Marketingteams (zum Beispiel Content Marketing, Performance Marketing) setzen.
Entsprechend arbeiten entlang der Customer Journey unterschiedene Teams an dem Lead. Doch hier lauert bereits der erste Fallstrick.
„Der Lead gehört mir!“
Ohne ein definiertes Routing kann es zum Streit um Leads kommen.
Vielleicht kennst Du das: Der neue Lead wurde mühsam vom Marketing gewonnen und die Kollegen vom Content Marketing scharren mit den Hufen die passende Nurturing-Kampagne zu starten. Doch der Vertrieb war schneller und ruft den neuen Lead bereits an. Im schlimmsten Fall passiert alles zeitgleich und es gibt einen inhaltlichen Konflikt.
Was im Beispiel fehlt ist eine klare Zuständigkeit für den Lead. Um das zu vermeiden, müssen Lead-Routing-Szenarien definiert werden. In solchen Szenarien wird für jeden Schritt der Customer Journey eine Zuständigkeit und Maßnahmen definiert.
Wichtig: Customer Journeys verlaufen unterschiedlich und nicht immer linear. Es müssen also vielfältige Szenarien für den Kaufprozess durchdacht werden. Dazu setzen sich am besten Marketing und Vertrieb zusammen und erarbeiten diese Szenarien gemeinsam.
Bei der Konzeption solcher Szenarien beginnt man bei der Lead-Generierung und definiert dann den weiteren Verlauf entlang des Kaufprozesses. Bei Inbound-Leads entscheidet zum Beispiel die Art der Anfrage des Leads über den weiteren Verlauf: Handelt es sich um eine Kontaktanfrage, so wird der Lead oft direkt zum Vertrieb geleitet.
Werden eher allgemeine Informationen oder Marketing-Inhalte angefragt, können diese automatisiert vom Marketing bereitgestellt werden, wo der Lead zur weiteren Qualifizierung bleibt.
Beispielhaftes Lead-Routing.
Spannend ist in allen Lead-Routing-Szenarien die Frage, wann der Lead vom Marketing an den Vertrieb übergeben wird. Schließlich sind Vertriebsressourcen knapp und nur schwer zu skalieren. Zentrale Entscheidungskriterien hierfür sind die Attraktivität des Leads sowie dessen Kaufwahrscheinlichkeit.
Je höher beide sind, umso eher sollte der Lead individuell vom Vertrieb bearbeitet werden. Sind Attraktivität oder Abschlussgeschwindigkeit eher gering, ist es empfehlenswert den Lead zunächst vom Marketing bearbeiten zu lassen (Nurturing), bis der Lead qualifiziert ist.
Die schlechte Nachricht: Für Lead-Routing-Szenarien gibt es keine Vorlagen. Denn das Lead Management ist stets individuell und abhängig von der Strategie als auch den organisatorischen Voraussetzungen zu definieren.
Der Münchener Software-Konzern „EQS Group“ beispielsweise hat unterschiedliche Lead-Routing-Szenarien je Markt definiert. Das Unternehmen vertreibt Compliance-Software für Unternehmen. Seine Zielsegmente definiert EQS dabei vor allem nach Unternehmensgrößen.
In Märkten, in denen EQS bereits eine starke Position hat und auch die Anzahl an Leads groß ist, ist diese Kriterium hoch angesetzt. Das hat direkte Auswirkungen auf das Lead Routing, welches dadurch sehr selektiv ist. Zusätzlich ist definiert, dass qualifizierte Leads auch mehr als eine Reaktion auf Marketingaktivitäten gezeigt haben müssen.
Der Vertrieb konzentriert sich in diesen Märkten also auf Leads, die sehr genau ins Zielprofil passen und bereits fortgeschritten in der Customer Journey sind. In Märkten, in die EQS Group gerade erst eingestiegen ist, ist der Vertrieb dagegen noch stärker auf Leads angewiesen. Daher hat EQS hier andere Regeln für das Lead Management und Leads werden deutlich früher und unabhängiger von der Unternehmensgröße übergeben.
„Die Qualität der Leads ist schlecht!“
Die Qualität von übermittelten Leads sorgt ohne messbare Kriterien für Diskussionen.
Auch das kommt häufig vor: Der Vertrieb schimpft über die geringe Qualität von Leads aus dem Marketing – oder das Marketing ist unzufrieden mit dem Follow-up nach der Lead-Generierung. Dieser Klassiker lässt sich vermeiden, wenn Marketing und Vertrieb vorher gemeinsam Regeln für den Übergabepunkt im Lead Management festlegen.
Um Einigkeit über die Qualität von Leads zu haben, bedarf es messbarer Kriterien. Viele Unternehmen setzen hierfür ein Lead Scoring ein, welches die Kundenattraktivität und Kaufwahrscheinlichkeit bewertet. Dabei werden alle Reaktionen auf Marketingaktivitäten mit einer Punktzahl bewertet.
Ergänzend können aber auch Eigenschaften des Kunden, wie Unternehmensgröße, Seniorität oder Branchenzugehörigkeit in das Scoring einfließen, wenn ein Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Anhand des Scores wird definiert, wann der Lead übergeben wird.
Eine andere Variante ist es, Kaufsignale zu definieren. Das können eine oder die Kombination mehrerer Aktionen des Kunden sein, die dafür sorgen, dass der Lead übergeben wird.
Dazu gehören können beispielsweise:
- Ausfüllen von Kontaktformularen
- Besuch von Produkt-Webseiten
- Teilnahme an Events (Offline und Online)
- Download von Marketing-Informationen auf der Website
- Reaktionen auf das Lead Nurturing
Der Vorteil dieser Variante besteht darin, dass Kaufsignale konkreter sind als ein abstraktes Scoring. Das macht das Follow-up für den Vertrieb einfacher.
Die EQS Group beispielsweise hat zunächst auf ein Lead Scoring gesetzt. Doch Vertriebsmitarbeiter hatten Schwierigkeiten, den abstrakten Score zu interpretieren. Daher definierte das Unternehmen Kaufsignale, welche dem Vertriebsmitarbeiter konkrete Ansatzpunkte für ein Follow-up gaben.
Das ist beispielsweise der Download eines White Papers sein. Im Lead Routing ersetzten diese Kaufsignale nun das Scoring als Auslöser für die Übergabe eines Leads. Das alte Scoring ist dennoch nicht begraben: der Score wird weiterhin ermittelt, da er ein Indikator für die Häufigkeit aller Kaufsignale eines Leads ist.
„Was soll ich mit diesem Lead?“
Ohne klare Dokumentation stellen sich unnötige Fragen zu einem übermittelten Lead.
Selbst wenn alles sauber definiert wurde und Einigkeit zwischen Marketing und Vertrieb herrscht, scheitern viele Unternehmen daran, das Lead Routing sauber zu dokumentieren.
Ein Lead Routing erfolgt nur in den seltensten Fällen händisch. Das ist nur dann möglich, wenn die Anzahl der Leads gering ist. Mit steigender Anzahl an Leads wird aber schnell eine technologische Unterstützung mit Automatismen benötigt. In der Regel erfolgt ein Lead Routing dann im Zusammenspiel zwischen Marketing-Automation-Software und CRM.
Die Marketing-Automation-Software erstellt dazu Marketing-Profile, in welcher die definierten Regeln (Scoring, Kaufsignale, siehe oben) erfasst werden. Sind diese erfüllt, erfolgt eine Weiterleitung ans CRM. Da dies alles automatisiert geschieht, findet natürlich keine manuelle Übergabe des Leads statt.
Das stellt das Risiko eines Informationsverlusts dar. Im Ergebnis kann der Lead nicht optimal weiterbearbeitet werden. Daher sollte auch in automatisierten Prozessen eine Art Übergabeprotokoll erstellt werden, welches erläutert, wieso ein Lead übergeben wurde.
Mit einer Begründung wird der übermittelte Lead greifbarer.
Bei Open as App, Anbieter einer No-Code-Software zum Erstellen von Excel-basierten Apps, werden Leads größtenteils durch die Marketing Automation von einer kostenfreien Version der Software zur kostenpflichtigen Variante geleitet. Nur Leads, die für das umsatzstarke „Enterprise“-Angebot in Frage kommen werden an den Vertrieb übergeben.
Hier liegt die Herausforderung im Lead Management vor allem darin, dieses Potenzial zuverlässig zu identifizieren und entsprechende Regeln abzuleiten. Das Unternehmen hat dazu eine Kombination von Kriterien und Reaktionen definiert, die erfüllt sein müssen, um den Lead an den Vertrieb zu übergeben. Diese Kriterien werden stichpunktartig zusammengefasst und jedem übermittelten Lead „beigelegt.“
„Was ist aus meinen Leads geworden?“
Ohne Rückkanal muss mühsam nach Informationen zu Leads gesucht werden.
Der nächste Fallstrick wartet auf Dich: Was ist eigentlich aus den Leads geworden? Denn im Zusammenspiel zwischen einzelnen Teams ist es wichtig, dass es einen Feedback-Kanal gibt. Da Customer Journeys nicht immer linear verlaufen und Leads somit auch teilweise „zurück“ gegeben werden, müssen auch Informationen konstant zwischen allen Beteiligten ausgetauscht werden.
Denn nur dieses Feedback erlaubt es, die Qualität von Leads auszuwerten und Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen oder weitere Kampagnen zu starten.
Auch hierbei zählen Details: Wird ein Lead vom Vertrieb abgelehnt, so ist diese Information fürs Marketing nur bedingt hilfreich. Es bedarf einer konkreteren Information über den Grund, damit die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden. In der Praxis empfiehlt es sich hier Auswahlmöglichkeiten zu definieren, für welche dann jeweils Maßnahmen festgelegt werden. Freitexteingaben sollten – wie im Großteil aller Marketing-Automation und CRM-Informationen – vermieden werden.
„Wieso kommen so viele Leads aus Afghanistan?“
Wenn Du Dich zu sehr auf Formulare verlässt, bist du abhängig von den Qualität der eingegeben Informationen.
Befinden sich in Deiner Marketing-Automation-Software auffällig viele Leads aus Afghanistan? Dann arbeitest du bestimmt mit Dropdown-Feldern in Deinen Formularen und Afghanistan ist da typischerweise die erste Auswahlmöglichkeit für ein Länderfeld.
Der oben skizzierte Fall ist ein typisches Beispiel für die „Autonomie“ von Leads. Denn oftmals entscheidet der Lead mit seinen Handlungen selbst (wenn auch unbewusst) über den weiteren Verlauf seines Routings. Ein falsch ausgefülltes Formular kann zu fatalen Fehlentscheidungen führen.
Wurde wie im Beispiel das Dropdown-Formular mit der Länderliste „blind“ geklickt, wird der Lead dem falschen Land und Vertriebsteam zugeordnet oder – noch schlimmer – gänzlich ignoriert und gar nicht weiterbearbeitet.
In diesem Zusammenhang ebenfalls fatal: Selbst wenn solche Leads händisch korrigiert wurden, besteht weiterhin die Gefahr, dass der Lead diese Daten später wieder „falsch“ überschreibt, wenn er im Laufe der Zeit ein neues Formular ausfüllt.
Unternehmen sollten daher immer wieder die Datenqualität überprüfen und abwägen, welche Daten sie tatsächlich abfragen wollen. So oder so besteht ein Spagat zwischen dem Interesse an aktuellen Daten (welche der Lead netterweise selbst eingibt) und der Abhängigkeit von der Korrektheit dieser Daten für das Lead Management.
Werden Dropdown-Formulare blind durchgeklickt, kann das fatale Folgen für das Lead Routing haben.
Das Dental-Tech-Unternehmen “YourVeneer” beispielweise ist an einer schnellen Konvertierung von Leads interessiert. Die Plattform vermittelt potenzielle Kunden an Partner-Zahnärzte. Im Interesse einer hohen Konvertierungsrate in der Lead-Generierung werden dabei nur minimal Daten (nur die E-Mail-Adresse) erfasst.
Eine umfangreichere Datenerfassung erfolgt dann manuell im Erstgespräch beim Zahnarzt. Das sorgt natürlich für händischen Aufwand und auch unqualifizierte Leads, was es dem Unternehmen nach genauer Abwägung aber wert ist.
Trotz aller Technologien setzen viele Unternehmen spezielle Teams ein, welche generierte Leads prüfen und gegebenenfalls Daten korrigieren und ergänzen, um ein optimales Lead Management sicherzustellen und zu vermeiden, dass kostbare Vertriebs-Ressourcen in die falschen Leads gesteckt werden.
„Wir sind doch schon Kunde!“
Werden Bestandskunden nicht zuverlässig identifiziert, kann es peinlich werden.
Diese Nummer ist besonders peinlich, passiert aber immer wieder: Ein Bestandskunde reagiert auf Marketingmaßnahmen, wird aber nicht als Kunde identifiziert. Wenn dann aber die Mechanismen des Lead Routings greifen, ohne dass der Bestandkundenstatus erkannt wurde, kann es zu peinlichen oder gar beziehungsschädlichen Situationen kommen.
Doch auch hier liegt der Teufel im Detail: Der Bestandskunde, der seine private E-Mail-Adresse angibt, ist genauso schwierig zu identifizieren wie ein bislang unbekannter Kontakt beim Bestandskunden. Überhaupt ist es schwierig, ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal für Firmen zu definieren – ein Problem auf das vor allem international tätige Unternehmen stoßen, wenn sie mit den unterschiedlichen internationalen Entitäten ihrer Bestandskunden konfrontiert werden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Konflikt zwischen B2B- und B2C-Leads. Schnell ist es passiert, dass eine Privatperson Content bei einem B2B-Anbieter anfragt oder ein Student recherchiert und damit das Lead-Routing in Gang setzt.
Die Empfehlung in all diesen Fällen liegt darin zu evaluieren, wie hoch die Kosten einer manuellen Prüfung von Leads im Vergleich zum Aufwand sind, der entsteht, wenn falsche Leads bearbeitet werden. Sind die Kosten der manuellen Prüfung geringer, so ist Installation einer solchen Prüfstelle dringend geraten. Im Rahmen des Lead Managements kann solch eine Prüfstelle direkt nach der Lead Generierung sinnvoll eingesetzt werden.
Lead Routing als Erfolgsfaktor
Je größer der Markt und die Anzahl potenzieller Kunden ist, umso wichtiger wird ein strukturiertes Lead Routing. Insbesondere für Unternehmen, die stark auf Inbound-Strategien in der Lead-Generierung setzen, dürfte es elementar sein. Dann ist das Lead Routing das verbindende Element zwischen Marketing und Vertrieb und sollte eine entsprechend hohe Bedeutung haben. Die Beispiele zeigen aber auch, dass ein Lead Routing alles andere als einfach umzusetzen ist.
Drei Dinge solltest Du für Dein Lead Management mitnehmen:
1. Gemeinsame Entwicklung von Marketing und Vertrieb
Es ist immens wichtig, dass Marketing und Vertrieb gemeinsam das Lead Routing entwickeln. Nur wenn Einigkeit über Eure Lead-Routing-Szenarien, die Messbarkeit von Leads und Übergabepunkte herrscht, hat Euer Lead Routing Erfolgsaussichten. Auch dabei gilt: Ein Lead Routing ist nie in Stein gemeißelt und muss laufend gemeinsam analysiert und angepasst werden.
2. Automatisierung
Du solltest Dich nicht komplett auf Software verlassen und kritisch hinterfragen, bis zu welchem Punkt das Routing automatisiert werden kann und wo die Automatisierung an Grenzen kommt. Weniger ist mehr und manchmal ist der wachsame Blick eines Menschen notwendig.
3. Konzept stetig anpassen
Du wirst im Laufe der Zeit viel über das Lead Routing lernen und Dein Konzept immer wieder anpassen müssen. Daher ergibt es wenig Sinn, aus dem Stand mit dem ganz großen, allumfassenden Wurf zu starten. Vielmehr ist es empfehlenswert, sich agil ans Lead Routing ranzutesten und beispielsweise mit ausgewählten Geschäftsbereichen anzufangen.
Richtig eingesetzt kann Lead Routing am Ende zum Erfolgsfaktor werden, wenn die richtigen Kunden zur richtigen Zeit angesprochen werden. Womit wir wieder bei unserer Ausgangsformel wären.
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