Wie man es nicht macht…
Ich habe bereits in vielen Projekten meiner Karriere hautnah miterlebt, wie entscheidend es ist, Daten systematisch zu erfassen und zu nutzen, um erfolgreiche Apps zu entwickeln. Ein Projekt ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben, da hier sehr viel Potential und auch Geld verschwendet wurde. Das Kernstück der App setzte voraus, dass sich die User:innen beim Sport selbst filmen und diese Videos dann hochladen.
Trackingdaten waren zwar vorhanden, wurden jedoch von niemandem näher analysiert. Schlussendlich nahm ich mich der Aufgabe an und erstellte erstmals eine grobe Zuordnung, welche Features wie intensiv von den Usern:innen genutzt wurden. Dabei fiel es auf!
Lediglich 1/1000 Prozent der User:innen haben jemals ein Video hochgeladen, darunter auch 3-4 Testaccounts von mir. Diese Zahl wurde noch einmal erheblich kleiner, als es darum ging, wie viele User:innen mehr als ein Video hochgeladen hatten.
Damit war eines klar! Die Daten haben gesprochen. Der Video-Upload als Kernstück der App funktionierte einfach nicht. Nicht nur das! Aus den Daten ließ sich eine Vielzahl weiterer Erkenntnisse gewinnen. Wir konnten klar ablesen, welche Features unsere User:innen gerade am meisten nutzen und welche nicht. Es galt also nicht nur das Video-Feature zu optimieren, sondern auch die Schritte, welche vor Video-Upload geschehen mussten.
Diese Erfahrung verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich nicht nur auf das Bauchgefühl oder einzelne Annahmen zu verlassen, sondern durch Daten unterstützte Entscheidungen zu treffen. Data Driven Development (DDD) ist mehr als nur ein Trend in der App-Entwicklung – es ist ein wesentlicher Bestandteil, um sicherzustellen, dass eine App nicht nur gut aussieht und funktioniert, sondern auch tatsächlich die Bedürfnisse der User:innen erfüllt.
Wie hätte das Ganze mit Data Driven Development ausgesehen? Gehen wir dafür einmal an den Anfang des Entwicklungsprozesses zurück und konzentrieren uns der Einfachheit halber fürs Erste ausschließlich auf das Video-Upload-Feature.
Wie man es hätte machen sollen
Beim Data Driven Development wird jede Entscheidung auf einer soliden Datengrundlage getroffen. Bereits im frühesten Stadium der App-Entwicklung setzen wir auf ein robustes Tracking-Framework, das es uns ermöglicht, detaillierte Einblicke in das Nutzerverhalten zu gewinnen. Dadurch wissen wir von Anfang an, wo und wie lange Nutzer:innen in der App verbringen. Diese Daten sind entscheidend, um fundierte Entscheidungen über das Design, die Funktionalität und die Benutzererfahrung zu treffen, die genau auf die Bedürfnisse unserer Zielgruppe zugeschnitten sind.
Bei der Auswahl und Integration des Tracking-Frameworks gibt es einige Dinge zu beachten. Sofern die primäre Zielgruppe der App keine Minderjährigen sind, ein valider Consent Banner eingebaut ist und man erst trackt, wenn User:innen eingewilligt haben, dürfte es keine Probleme geben. Für den Consent Banner gibt es eine Vielzahl von Anbietern, welche dafür sorgen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. Ein Beispiel hierfür wäre Usercentrics Cookiebot. Die Einwilligung fürs Tracking wurde erteilt, wenn die Statistik Checkbox gesetzt ist.
Für den Fall, dass wir ohne vorherige Zustimmung tracken müssen, wird das Ganze etwas komplizierter. Sollten unsere User:innen primär minderjährig sein, können diese gar nicht über den Consent Banner zustimmen. Theoretisch müsste man hier die Erlaubnis der Eltern einholen. Praktisch bedeutet das, dass unsere Möglichkeiten zu tracken erheblich eingeschränkt sind. Trackt man ohne Personenbezug, so ist die DSGVO (in Deutschland im Bundesdatenschutzgesetz umgesetzt) also kein Thema mehr. Es gibt allerdings noch die ePrivacy Norm (in Deutschland im Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) umgesetzt). Ganz besonders §25 ist hier relevant und sollte beachtet werden.
Die Einhaltung dieser Regelungen ist entscheidend, um rechtliche Risiken zu minimieren und das Vertrauen der Nutzer:innen in die App zu wahren. Bei Fragen oder Unsicherheiten zu diesem komplexen Thema ist es ratsam, sich von Experten beraten zu lassen. Wir von der Split Labs GmbH können dir hier auch sehr gerne weiterhelfen.
Mit unserem Tracking Framwork live können wir nun das Video-Upload-Feature konzipieren. Da wir noch keinerlei Daten hierfür haben, beschränken wir uns erst einmal auf das Wesentliche und setzen das Feature in seiner einfachsten Form um. Wir könnten hier auch bereits über Umfragen erste Eindrücke gewinnen, wie User:innen auf dieses Feature reagieren würden. Wir entscheiden uns hier für die Implementierung, da Umfragen gerade für dieses Thema nicht gerade das verlässlichste Tool ist.
Wir gehen davon aus, dass User:innen das Video-Upload-Feature in einfacher Form nicht annehmen. Schließlich haben sie es nicht einmal mit der voll ausgearbeiteten Version gemacht. Hier stehen wir jetzt vor einer Entscheidung. Wollen wir das Feature einfach wieder aus der App rausnehmen? Oder verfassen wir Hypothesen darüber, warum das Feature nicht angenommen wurde.
Wir als Team wollen verstehen, warum die User:innen das Feature kategorisch ablehnen. Deshalb entscheiden wir uns für die zweite Option: A/B-Testing. Wir versetzen uns also in den Usern:innen hinein. Dafür nehmen wir unsere mit der App ausgestatteten Handys mit auf den Sportplatz und testen den Prozess in seiner jetzigen Form mehrfach durch.
Schnell sind unsere ersten Vermutungen ausformuliert.
Ein Beispiel hierfür ist die folgende:
User:innen nutzen den Video-Upload nicht, da sie diese Übungen meistens alleine auf dem Sportplatz machen und es sehr schwierig ist, das Handy so zu positionieren, dass man gut im Bild zu sehen ist.
Der daraus resultierende Test? Wir fügen einen Erklärungsscreen hinzu, welcher dem/der User:in klar erklärt, wie das Handy zu platzieren ist.
- Schritt 1: Leg das Handy flach an die Wand.
- Schritt 2: Rück die untere Seite Deines Geräts etwa eine Fingerbreite nach vorn. Das Handy sollte nun in einem steilen Winkel an der Wand lehnen.
- Schritt 3: Geh 7 Schritte zurück.
Alternative Tests wären beispielsweise das Einführen einer Social-Funktion gewesen, wo man sich mit einem anderen User/einer anderen Userin in der Nähe trifft, um sich gegenseitig zu filmen. Wir entscheiden uns für den ersten Test, da wir vermuten, dass die User:innen eine Abneigung haben, sich mit fremden Personen aus dem Internet direkt zu treffen.
So gehen wir für alle unsere Hypothesen vor. Zu jedem Test werden auch Metriken definiert, anhand derer wir entscheiden können, ob der Test ein Erfolg war. Wir priorisieren die Tests anschließend, da wir nur eine begrenzte Anzahl an Tests parallel laufen lassen können.
Ansonsten würden die Tests einander beeinflussen und unsere Ergebnisse dadurch verfälschen.
Auch durch Tests, welche zu keiner Verbesserung oder vielleicht sogar zu einer Verschlechterung führen, lassen sich wertvolle Einblicke gewinnen. Daher sollten auch diese Ergebnisse festgehalten werden. Führt ein Test nun zum gewünschten Effekt, wird er für alle User:innen implementiert und live geschaltet. Dabei behalten wir die Analysezahlen sehr genau im Auge. Erst wenn sich der positive Effekt auch dann für alle User:innen zeigt, gilt der Test als erfolgreich.
Jetzt wollen wir noch mehr User:innen
Auch in der ASO (App Store Optimization) spielt Data Driven Development eine wichtige Rolle. Schließlich werden für das Ranking nicht nur die Keywords und die Conversion Rate des App-Stores genutzt, sondern auch die durchschnittliche Session Dauer sowie die Anzahl der Sessions, die Uninstall Rate sowie die Bewertungen in den App-Stores herangezogen. Besonders die letzten 90 Tage haben hier eine starke Aussagekraft.
Alle diese Metriken lassen sich gezielt innerhalb der App optimieren. Besonders bei den Bewertungen lässt sich gezielt an Zeitpunkten nach einer Bewertung fragen, an denen der User oder die Userin gerade ein Erfolgserlebnis hatte. Handyspiele fragen gerade deshalb oft, nachdem man einen schweren Level gemeistert hat, nach einer Bewertung. Apps. Wo Online-Kurse angesehen werden können, wird meist nach Abschluss des ersten Kapitels gefragt.
Auch die Uninstall Rate kann beeinflusst werden. User:innen haben die Tendenz, Apps nicht zu löschen, in die sie zuvor Daten eingegeben haben. Für Apps, welche die Daten nur auf dem Endgerät des Users oder der Userin speichern, ist dieser Effekt natürlich noch stärker. Da moderne Handys auch über mehr als genug Speicherplatz verfügen, führt das Ganze dazu, dass die App einfach auf dem Handy bleibt. Auch wenn die App nicht aktiv genutzt ist, was das ASO-Ranking verschlechtert, ist es dennoch deutlich besser, als wenn der User oder die Userin die App vom Handy löscht.
Die Häufigkeit der Sessions sowie deren Länge sind die Metrik,welche bei der Optimierung das meiste Fingerspitzengefühl erfordert. Über Push Notifications lassen sich User:innen zum Beispiel super in die App locken. Übertreibt man das Ganze aber, dann kann das dazu führen, dass User:innen die Erlaubnis für Push Notifications zurücknehmen oder im schlimmsten Fall gar die App löschen.
Durch regelmäßiges Tracken, Testen und Optimieren wird die App somit nicht nur bei den Usern:innen deutlich mehr Anklang finden, sondern auch die Positionierung in den App Stores lässt, sich somit erheblich verbessern. Das war jedoch noch längst nicht alles. Durch die formulierten Hypothesen sowie die Ergebnisse der dazu durchgeführten A/B-Tests gewinnen wir tiefe Einsichten in die Präferenzen der User:innen.
Diese Erkenntnisse über unsere User:innen nutzen wir natürlich dann auch im Marketing. Hier werden auch die nicht erfolgreichen A/B-Tests noch einmal besonders relevant, weil man daraus ableiten kann, was potentielle User:innen von unserer App nicht wollen. Somit kann ein Creative für unsere App sich darauf beziehen, dass sich die Videos spielend leicht aufnehmen lassen und man nicht erst mehrere Aufnahmen braucht, bis man ein gutes Setup gefunden hat.
Unseren Data Driven Ansatz führen wir im Marketing natürlich weiter! Mit der ständig wachsenden Zahl von Apps auf dem Markt wird es zunehmend schwieriger, sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. Daher ist es umso wichtiger, dass wir unsere potentiellen User:innen so effizient wie möglich erreichen. Hier arbeiten wir wieder mit denselben Konzepten.
Hypothesen und die Ergebnisse der A/B-Tests lassen sich so umformulieren, dass sie ausdrücken, mit welchem Ziel bzw. mit welcher Intention User:innen unsere App herunterladen. Diese Umformulierung passt sehr gut in das “Jobs to be done” Framework. Die Hauptaussage von JTBD ist, dass Kunden ein Produkt (in unserem Fall die App) primär für einen bestimmten Zweck kaufen. Diese Perspektive lenkt den Fokus weg von dem Produkt selbst hin zu dem, was der Kunde erreichen möchte.
Das Framework wurde von Clayton Christensen, einem Professor der Harvard Business School, entwickelt. Er illustriert das JTBD oft mit dem Beispiel eines Milchshakes: Menschen kaufen Milchshakes nicht nur wegen ihres Geschmacks, sondern weil sie eine bestimmte Funktion erfüllen, wie z.B. eine lange Autofahrt angenehmer zu gestalten.
Kommen wir wieder zurück, zum Beispiel unserer Sport App. Jobs to be done wären hier, sich in einer bestimmten Sportart möglichst effizient zu verbessern, vielleicht sogar als Nachwuchstalent entdeckt zu werden und seinen Fortschritt festzuhalten. Die daraus resultierenden Werbemaßnahmen werden wiederum getrackt. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich dann wiederum Features ableiten, die die Bedürfnisse des User oder der Userin erfüllen. Aus den Tests der umgesetzten Features lässt sich dann die Werbung wiederum anpassen. Dieser Optimierungskreislauf kann unbegrenzt so weiter gespielt werden.
Wie vielfältig diese Erkenntnisse einsetzbar sind, lässt sich auch noch an folgendem Beispiel sehr gut sehen. Über die direkten Ziele und Wünsche der User:innen lassen sich Konzepte entwickeln, welche aus der App heraus die User:innen dazu verleiten können, die Sichtbarkeit der App zu erhöhen. Das ist der heilige Gral des App Marketings. Eine App, in der jede:r neue User:in weitere Nutzer:innen akquiriert oder zumindest maßgeblich dabei hilft.
Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Für eine Sport App wie unsere, welche sich auf Video Content spezialisiert, bietet sich beispielsweise ein Share Button für Plattformen wie TikTok oder Instagram an. Der Inhalt der geteilten Videos könnte den eigenen Fortschritt sichtbar machen, indem ältere Trainingsvideos mit den aktuelleren gegenübergestellt und verglichen werden. Es sollte auf TikTok und Instagram aber dennoch klar ersichtlich sein, dass unsere App mit im Spiel war. Ob mit Logo/Wasserzeichen oder in die Art der Darstellung im Video integriert, kann ebenfalls wieder getestet werden.
Dieser Prozess bzw. Kreislauf der Optimierung, der immer mit den erhobenen Daten beginnt und an dessen Ende neue Daten in Form von gewonnenen Erkenntnissen stehen, sollte jeglicher Entscheidung zugrunde liegen. Data Driven Development ist somit weit mehr als ein neues Buzzword, mit dem Programmierer:innen und Marketer:innen gleichermaßen um sich werfen können. Durch diesen Ansatz wird nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Innovationskraft gefördert, was letztendlich zu nachhaltigeren und erfolgreicheren Produkten führt. Und das Beste daran ist, dass alles davon messbar und reproduzierbar ist.
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