Du entwickelst eine Lösung nach der anderen, aber keine möchte so richtig fruchten? Vielleicht eine provokante Frage: Aber kennst Du tatsächlich Dein Problem?
Und dann kommt auch noch hinzu, dass sich Kundenbedürfnisse und Trends auch noch verändern – und Du bei jedem anderen Problem eine andere Sichtweise einnehmen musst.
Bei Design Thinking geht es um tiefes Nutzerverständnis statt oberflächlicher Innovation. Es lehrt uns, offen zu fragen, selbstverständliche Annahmen infrage zu stellen und kreative Lösungen zu finden, die exakt auf das tatsächliche Problem zugeschnitten werden. Mit dieser Technik lassen sich frische, überraschende Einsichten und Lösungen generieren, die direkt ins Schwarze treffen.
Unternehmen wie Apple, Google oder SAP verdanken erfolgreiche Produkte und Services dieser Methode. Auch kleinere Start-ups haben mit Design Thinking ihren Durchbruch geschafft. Hilfreich für den beruflichen, wie auch den persönlichen Alltag. Hier und da muss man auch mal seine Komfortzone dafür verlassen, um ungeahnte Möglichkeiten zu entdecken.
Lass Dich in die Welt von Design Thinking mitnehmen.
All-in-one: Methodenkoffer, Prozess und Mindset
Auch wenn Design Thinking – wie der Name auf den ersten Eindruck vielleicht vermuten lässt – nichts mit dem oder der gestalterischen Designer:in zu tun hat, verknüpft es die kreative Energie eines Designprozesses mit rationalen, analytischen Managementmethoden.
Es gibt drei große Kategorien von Projektmanagement-Methoden:
- Klassisch, wie bspw. die Wasserfallmethode: Linear, phasenorientiert und geeignet für klar definierte Projekte
- Agil, wie bspw. Scrum oder Kanban: Wiederholend (iterativ), flexibel und nutzerzentriert, eignet es sich für komplexe oder in sich veränderte Projekte
- Kreativ, wie bspw. das Design Thinking: Multidisziplinär und nutzerorientiert.
Design Thinking ist eine kreative, aber doch auch wissenschaftliche Projektmanagement-Methode. Mit einer Sammlung von Vorgehensweisen, Tools und Kreativitätstechniken, welche Teams dabei unterstützen, komplexe Probleme zu lösen.
Die Vorgehensweise fördert die Wirtschaftlichkeit, Machbarkeit und den Mehrwert von Lösungen im Spannungsfeld von Mensch, Technologie und Wirtschaft. Dabei ist sie interdisziplinär, wiederholend und fokussiert auf die Nutzer:innen.
Ziel ist es, Ideen zu entwickeln, welche sich an den Nutzer:innen orientieren, zu testen und somit den größtmöglichen Wert für Unternehmen, Stakeholder und Anwender:innen zu generieren.
Und wenn Du jetzt aufhören möchtest zu lesen, weil Du nicht im Innovationsmanagement tätig bist: Jetzt solltest Du erst recht weiterlesen.
Die Anwendungsbereiche umfassen, neben der Förderung von Innovationen, auch
- jegliche Entwicklungen (& Optimierungen) von Produkten, Dienstleistungen, Organisation & Strukturen, Prozessen & Strategien
- Führung & Zusammenarbeit
- Marketing & Vertrieb → Ja, auch im Bereich Online Marketing! Es gibt sogar schon erfolgreiche Use Cases, auf die ich weiter unten eingehen werde.
Neumodischer Quatsch? Von wegen …
Design Thinking hat eine lange Geschichte und in über 70 Jahren einen beachtlichen Reifeprozess durchlaufen. Bereits in den 1920er-Jahren propagierte das Bauhaus die Maxime „Form follows function“ – die Formgebung soll der Funktion folgen.
Die nächste Entwicklungsstufe hat, im Vergleich zu allen darauffolgenden, etwas länger gedauert. In den 1970er-Jahren entstand das „System Thinking“, um Komplexität durch ganzheitliches Denken zu bewältigen. Es lehrt, sich nicht vorschnell auf eine Lösung festzulegen, um dem Problem gerecht zu werden.
1991 war es dann endlich so weit. Bill Moggridge prägte den Begriff „Design Thinking“ und etablierte diese Herangehensweise in der Designagentur IDEO.
Kurz: Im Laufe der Zeit flossen wichtige Aspekte wie Zentrierung von Nutzer:innen, systemisches Denken und kreative Problemlösetechniken mit ein. Aus einem Designansatz wurde eine umfassende Innovationsmethode mit internationaler Verbreitung in Wirtschaft und Wissenschaft.
Im Jahr 2004 wurde ein weiterer relevanter Baustein gelegt. David Kelly von IDEO gründete an der Stanford University das erste Design-Thinking-Studienprogramm. 2007 folgte mit der D-School Potsdam die erste deutsche Hochschule für Design Thinking, gegründet von Hasso Plattner. Es folgten viele weitere.
Plattner war es auch, der 2006 den HPI Design Thinker Academy Wettbewerb ins Leben gerufen hat. Einen jährlichen internationalen Wettbewerb für Design-Thinking-Projekte. Alles Bausteine, damit Design Thinking sich stetig weiterentwickelt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Ziel von Plattner und allen anderen ist es, Design Thinking zu fördern und weiterzubringen, um so soziale und technologische Innovationen anzustoßen.
Inzwischen gibt es auch sehr gute Ausbildungen außerhalb von Universitäten. Damit verfügen bereits viele Unternehmen über die notwendige Methodenkompetenz, um die Vorteile von Design Thinking zu nutzen und kontinuierlich in ihrer Innovationskultur zu verankern. Viele andere lassen ausbilden, um dieses Know-how im Unternehmen zu haben.
Laut einer Umfrage des Design-Thinking-Beratungsunternehmens Inverso aus dem Jahr 2020 praktizieren rund 65 % der Fortune 500 Unternehmen Design Thinking. Eine Studie des Marktforschers Gartner von 2019 prognostiziert, dass bis Ende 2021 zwei Drittel der großen Unternehmen Ansätze des Design Thinking in ihren Innovationsprozessen verankern werden.
(Quellen: Agile Heroes / Inhalt aus der Design Thinking Coaching Ausbildung. (DT Schulung / Ausbildungsunterlagen); Change by Design von Tim Brown (Buch); The Design of Businesn von Roger Martin (Buch); Gartner-Prognose von 2019 (Studie); Umfrage von Inverso aus dem Jahr 2020 (Studie))
Das Prinzip von Design Thinking: Don´t be afraid of chaos
Nun haben wir ein erstes Gefühl, was Design Thinking überhaupt ist. Doch „wann“ nutze ich eigentlich Design Thinking? Und welche Rolle spielt Design Thinking im Vergleich zu etablierten Projektmanagement-Methoden wie Scrum, Kanban und der Wasserfallmethode?
Sobald Problem und Ablauf der Problemlösung noch komplett unbekannt ist, herrscht bekanntlich noch „Chaos“.
Oft ist es auch der Moment, in dem das Projekt niemals gestartet wird oder (ich weiß nicht, was schlimmer ist) es wird gestartet, um irgendwie zu starten – doch ohne das Problem eigentlich zu kennen. Unnötige Ressourcen werden investiert und das Frustrationslevel ist vorprogrammiert.
Das muss nicht sein – genau dafür gibt es Design Thinking.
Diese Grafik hat es mir gut veranschaulicht.
Design Thinking ist kein vollständiges Projektmanagement-Framework. Es ist eine Herangehensweise, um kreative Lösungen für drängende Probleme zu entwickeln.
Es kommt dann zum Einsatz, wenn ein innovativer Ansatz gefragt ist: in der initialen Phase eines Projekts, um Nutzerbedürfnisse zu verstehen und erfolgversprechende Lösungsrichtungen zu finden.
Methoden wie Scrum, Kanban oder Wasserfall übernehmen dann die konkrete Umsetzung und Organisation dieser Lösungsansätze. Sie strukturieren Prozesse, Teilaufgaben und Verantwortlichkeiten, um konkrete Lösungen hervorzubringen. Design Thinking liefert diesen Vorgehensweisen wertvollen Input – aber ersetzt sie nicht.
Es verhält sich also komplementär: Design Thinking generiert innovative Impulse, Scrum, Kanban und Wasserfall setzen diese gezielt um.
Hier eine kurze Erklärung zu den drei Projektmanagement-Methoden und der Abgrenzung zu Design Thinking:
- Scrum ist ein agiles Rahmenwerk. Hier wird in kurzen Zyklen (Sprints) gearbeitet. Im Unterschied zu Design Thinking ist es stärker formalisiert und ermöglicht strukturierte Kollaboration in agilen Teams. Scrum kann auch auf Design Thinking aufbauen, um dann die Lösungen, die generiert wurden, in konkrete Produkte umzusetzen.
- Auch Kanban gehört zu den agilen Projektmanagement-Methoden. Sie visualisiert Arbeitsabläufe durch kleine Karten und macht so den Work-in-Progress explizit sichtbar. Im Gegensatz zu Design Thinking, das die Lösungsfindung fokussiert, zielt Kanban auf effiziente Prozessoptimierung bei laufender Arbeit ab.
Kanban eignet sich für kontinuierliche Verbesserung bestehender Prozesse und kann nach Design Thinking gut zur strukturierten Umsetzung entwickelter Lösungen eingesetzt werden. Basis für Kanban ist Transparenz über alle anstehenden Aufgaben. - Die Wasserfallmethode strukturiert Projekte in aufeinanderfolgende Phasen (Anforderung, Konzeption, Umsetzung, Test). In jeder Phase werden definierte Ergebnisse erarbeitet, bevor zur nächsten Phase übergegangen werden kann.
Im Gegensatz zum wiederholenden Vorgehen in Design Thinking folgt die Wasserfallmethode einem linearen, schrittweisen Prozess. Sie eignet sich für klar definierte Projekte mit festem Zeitrahmen, nicht jedoch bei unklaren Anforderungen oder hoher Innovationsnotwendigkeit.
Basis ist eine detaillierte Planung des Gesamtprojekts und seiner Teilschritte. Nach Design Thinking kann die Wasserfallmethode zur strukturierten Realisierung einer Lösung eingesetzt werden.
Agilität ist das Schlüsselwort von 3 der 4 aufgezählten Methoden. Es bezeichnet die Fähigkeit, schnell, flexibel, mit dem Fokus auf die Nutzer:innen auf Veränderungen reagieren zu können.
Sie ist ein Mindset, das losgelöst von starren Schemata und anpassungsfähig an neue Gegebenheiten ist. Ihre gemeinsame Basis ist die iterative und inkrementelle Vorgehensweise, mit der Zentrierung auf die nutzende Person.
Genug von der Geschichte und der Abgrenzung zu anderen Methoden – jetzt geht es richtig los.
Houston, wir haben ein Problem!
Der Design-Thinking-Prozess umfasst zwei Räume: den offenen Problemraum und den zielgerichteten Lösungsraum.
Albert Einstein hatte einfach eine tolle Denkweise. Und hat es mal wieder auf den Punkt gebracht:
„Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um ein Problem zu lösen, würde ich 55 Minuten damit verbringen, über das Problem nachzudenken und fünf Minuten über die Lösung.”
Und genau darum geht es bei Design Thinking: Du fokussierst Dich aktiv und bewusst auf das Problem selbst. Du verbringst „Zeit“ im Problemraum. Erst wenn in diesem Raum die Erkenntnisse umfassend erarbeitet sind, geht es in den Lösungsraum über.
Damit wird sichergestellt, dass die Lösungen auch wirklichkeitsnah und nutzenstiftend sind. Die Lebensweisheit Einsteins trifft den Kern von Design Thinking. Allen Teams sollten dies als Motto dienen, bevor sie sich an die Entwicklung kreativer Lösungskonzepte machen. Nur eine gründliche Analyse des Problemraums garantiert Lösungen, die funktionieren.
Schnelle und einfache Antworten sind selten die richtigen. Wie Einstein bereits wusste, sind die richtigen Lösungen oft einfach – man muss sie nur finden. Und dafür ist ein intensives Problemverständnis unabdingbar.
Phase: Null
Bevor mit Phase 1 begonnen werden kann, gibt es noch Phase 0: die Vorbereitung. Jeder Design-Thinking-Prozess ist anders und wird auch anders verlaufen. Von Beginn an ist eine aktive Gestaltung und ggf. auch Anpassungen während des Prozesses notwendig. Dafür gibt es 5 Grundpfeiler.
1. Gemeinsame Prinzipien
Um Design Thinking erfolgreich umzusetzen, darf eine gewisse Kultur gegeben sein. Teammitglieder und Umfeld leben und fokussieren dabei bestimmte Werte und Prinzipien – das agile Mindset. Die Prinzipien Menschlichkeit, Kreativität, Zusammenarbeit und Mut zum Scheitern bilden die gemeinsame Basis im Design-Thinking-Prozess.
Das Team muss sich dieser Prinzipien bewusst sein und sie im Arbeitsalltag leben. Bei der Kreativität gilt ganz klar: „Out of the box”-Ideen werden respektiert, sogar gewünscht und mit Offenheit begegnet. Dafür müssen andere Sichtweisen eingenommen werden.
2. Festlegung bestimmter Rahmenbedingungen
Design Thinking erfordert einen kreativen Freiraum ohne starre Vorgaben. Gleichzeitig muss ein grober Rahmen gesteckt werden in Form von zeitlichen Vorgaben, Meilensteinen, Entscheidungsgremien etc. Dies schafft Orientierung und sorgt dafür, dass das gewünschte Ergebnis erreicht wird.
Zudem kann hier auch gemeinsam definiert werden, worauf die Teammitglieder zu achten haben (bspw. „wir fangen immer pünktlich an“) – so ist allen klar, was dem Gegenüber besonders wichtig in der Zusammenarbeit ist und unnötige Reibereien können vermieden werden.
3. Verständnis des Prozesses
Die 6 Phasen des Design-Thinking-Prozesses müssen dem Team vertraut sein: Problemraum klären, Einsicht der Nutzer:innen gewinnen, Fokussieren der Aufgabe, Ideen entwickeln, Prototypen bauen und Testen.
Nutzerzentrierung ist das Schlüsselwort. Nur wenn das Team den Standpunkt, die Herausforderungen und die Bedürfnisse wirklich kennen und verstehen, kann es erfolgreich nachhaltige Lösungen generieren.
Der Prozess folgt einer klaren Struktur und ist dennoch iterativ. Im Projektmanagement verwendet man den Begriff iterativ, wenn ein Projekt oder Prozess in mehreren wiederholenden Schritten durchgeführt wird. Auf die vielfältigen Iterationen des Design Thinking-Prozesses gehe ich ein, sobald wir mehr über die einzelnen Phasen wissen.
An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass der Prozess Phasen der Ideengenerierung (divergent) und Auswahl der richtigen Lösungen (konvergent) wechselt. Dieser Wechsel zwischen divergentem und konvergentem Denken in jeder Phase muss eingeübt sein. Es gehört zu den Schlüsselkompetenzen, um produktiv und innovativ arbeiten zu können.
Die divergente Denkweise ist ein assoziatives, in alle Richtungen gerichtetes Denken. Es dient dazu, eine Vielzahl von Ideen, Optionen oder Lösungsmöglichkeiten zu generieren. Dabei werden bewusst auch unkonventionelle oder unrealistische Vorschläge gemacht. Die Quantität der Ideen steht im Vordergrund.
Bei der konvergenten Denkweise richtet sich der Fokus auf Bewertung, Auswahl und Entscheidung. Aus der Vielzahl von Ideen oder Optionen werden die erfolgversprechendsten ausgewählt und bewertet. Die brauchbaren Ideen werden getestet und schließlich eine Entscheidung für eine Lösung getroffen oder ein bestimmter Lösungsweg ausgewählt. Hier steht die Qualität der Auswahl im Zentrum.
4. Zusammenstellung des Teams
Verschiedene Menschentypen lohnen sich: Querdenker:innen, Idealist:innen, Kritiker:innen, Fans, Multiplikator:innen. Sie bringen neue Blickwinkel und Ansätze. Maximal sollte es aus 3 bis 6 Teammitglieder bestehen. Bei komplexen Projekten werden mehrere Teams gebildet.
Die gebildeten Teams kommunizieren auf Augenhöhe und etablieren eine konstruktive Feedback-Kultur.
5. Umgang mit den Stakeholdern
Neben dem Team oder den Teams sind die Stakeholder – die Menschen hinter dem Projekt – sehr wichtig. Dies sind alle Personen oder Gruppen, die von dem Projekt beeinflusst werden oder Einfluss auf das Projekt nehmen.
Um Dein Projekt erfolgreich zu steuern, ist es unerlässlich, Deine Stakeholder frühzeitig zu identifizieren, ihre Interessen und Einflussnahme potenziell zu bewerten und eine gezielte Kommunikationsstrategie zu entwickeln.
Dies gelingt Dir, indem Du:
- identifiziert
- bewertest
- erkennst
- erarbeitest
Identifiziere alle Menschen und Gruppen, die Dein Projekt betreffen könnten, und sammle Informationen über ihre Anforderungen und Erwartungen. Bewerte dann, wie viel Macht und Einfluss sie auf den Projekterfolg haben, um Prioritäten setzen zu können.
Dabei lassen sich oft Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen Stakeholdern, aber auch mögliche Konflikte ihrer Interessen, erkennen. Mit diesem Wissen lässt sich eine angepasste Kommunikationsstrategie für jede/n Stakeholder oder Stakeholdergruppe erarbeiten.
Sie umfasst die zu kommunizierenden Botschaften, den optimalen Kanal und die angemessene Frequenz. Regelmäßige und transparente Kommunikation sind der Schlüssel, um Stakeholder einzubinden, auf dem Laufenden zu halten und ihren Einfluss produktiv zu nutzen.
Stakeholder-Management erfordert aktives Zuhören, Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, auch in komplexen Beziehungsgeflechten den Überblick zu behalten.
Doch ein systematisches Management der Menschen hinter dem Projekt minimiert Reibungsverluste, schafft Verständnis für verzögernde Dynamiken und stellt sicher, dass Du auch überraschend auftretende Stakeholder-Anforderungen jederzeit parieren kannst.
Kurzum: Gute Stakeholder-Beziehungen und eine durchdachte Kommunikation sind der Schlüssel zu einer reibungslosen Projektsteuerung.
Der Design-Thinking-Prozess in 6 Phasen
Bevor ich Euch die Geschichte von der ratlosen Emma erzähle, die für die Social Media Kampagnen eines mittelständischen Bekleidungsunternehmens, bei welchem seit Monaten die Verkaufszahlen sinken, verantwortlich ist, erkläre ich die einzelnen Phasen kurz in der Theorie.
Phase 1: Verstehen (Problemraum)
In dieser Phase geht es darum, den Problemraum und die Bedürfnisse von Nutzer:innen zu untersuchen. Durch Beobachtungen, Interviews und Recherchen sammelst Du wertvolle Erkenntnisse (Insights), die später zur Lösungsfindung beitragen.
Nur wenn Du die Anwender:innen und ihren Kontext tiefgehend verstehst, kannst Du Lösungen entwickeln, die ihren Bedürfnissen tatsächlich gerecht werden.
Phase 2: Beobachten (Problemraum)
Hier analysierst Du Deine Ergebnisse aus Phase 1, um Muster und Trends herauszuarbeiten. Du bildest Profile (Personas), um Dir die konkreten Herausforderungen und Bedürfnisse von den Personen, die es am Ende nutzen werden, vor Augen zu führen.
Eine sorgfältige Analyse Deiner Erkenntnisse ist unabdingbar, um die Kernherausforderung zu identifizieren, deren Lösung den größten Nutzen stiftet.
Phase 3: Standpunkt definieren (Problemraum & Lösungsraum)
Du übersetzt die herausgefunden und definierten Bedürfnisse in ein zentrales Problem, für das es nun kreative Lösungen zu finden gilt. Dafür formulierst Du aus allen Erkenntnissen jetzt den Kern der Herausforderung, indem Du den „gemeinsamen Nenner“ herausfilterst und in eine prägnante Problemstellung übersetzt.
Diese Problemstellung hat nun zwei wichtige Aspekte:
- Sie beinhaltet immer noch die Perspektive von Nutzer:innen und ihrer zentralen Bedürfnisse. Insofern bleibt sie noch im Problemraum verankert.
- Sie ist jedoch bereits so klar formuliert, dass sich daraus leicht mögliche Lösungsideen ableiten lassen. Insofern weist sie bereits in Richtung Lösungsraum.
Phase 3 stellt somit die Schnittstelle zwischen Analyse des Problemraums und Generierung von Lösungen dar. Sie übersetzt die komplexen, oft undeutlichen Insights in eine klare Fragestellung oder Herausforderung, die kreative Lösungsideen provoziert.
In dieser Phase wird der Grundstein dafür gelegt, dass die späteren Lösungskonzepte optimal auf die Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ohne diese „Standpunkt definieren“-Phase droht der Design-Thinking-Prozess an Schärfe zu verlieren.
Phase 4: Ideen generieren (Lösungsraum)
Hier werden in einem ideenreichen Brainstorming vielfältige Lösungsvorschläge generiert. Es gibt keine Bewertung oder Einschränkung der Kreativität. Jeder Einfall wird aufgenommen, was für ungeahnte Kreativitätssprünge sorgt.
Nur ein Übermaß an Ideen führt zu jenen innovativen Lösungen, die das Potenzial haben, den Markt zu verändern.
Phase 5: Prototyp entwickeln (Lösungsraum)
Ausgewählte Ideen aus Phase 4 werden in einfache Prototypen umgesetzt, die sich testen lassen. Prototypen reichen von Storyboards über Rollenspiele bis zu physischen Modellen. Sie machen die Ideen konkret, erfahr- und diskutierbar.
Ohne konkrete Ausgestaltung von Ideen in Prototypen bleiben Lösungskonzepte vage und ihre Wirkung unklar.
Phase 6: Testen (Lösungsraum)
Die entwickelten Prototypen werden Personen, welche es schlussendlich nutzen werden und auch welche mit einer hierfür notwendigen Expertise vorgelegt. Durch Beobachtung und Interview sammelst Du Feedback, was an den Prototypen funktioniert und was noch optimiert werden muss.
Ob eine Lösung funktioniert, zeigt sich erst im Kontakt mit den Nutzer:innen – ihre Rückmeldung ist unersetzlich, um die bestmögliche Lösung zu finden.
Damit all das Erzählte nicht greifbarer und weniger abstrakt ist, gibt es eine kleine Geschichte.
Emma und ihre Reise in den Problemraum
So abstrakt ist der Design Thinking Prozess nicht: Emma nimmt Euch mit auf Ihre Reise in den Problemraum.
Und nun kommen wir zu Emma. Sie ist ratlos und steht unter enormem Druck. Auch ihr Chef wird langsam ungeduldig, dass Emma nicht endlich mit weiteren konkreten Lösungsvorschlägen um die Ecke kommt. Genervt denkt er sich: Und jetzt will sie sich auch noch mit dem Problem mehr beschäftigen. Nicht leicht, dagegen anzuhalten.
„Wir kennen unser Problem. Unser Problem ist, dass Du die junge Zielgruppe nicht mehr ansprichst! Du musst endlich mal modernere Influencer:innen einsetzen und Dich an aktuelle Trends anpassen.“
Emma zweifelt, dass dies wirklich die alleinige Ursache für die sinkenden Verkaufszahlen war. Sie nimmt noch einmal allen Mut und Energie zusammen und bittet ihren Chef um Zeit, das Problem gründlicher zu analysieren. Widerwillig willigt er ein. Er kann nicht verstehen, warum Emma nicht endlich handelte.
In ihrer Verzweiflung beschließt Emma, den Design-Thinking-Prozess anzuwenden, um das komplexe Problem endlich zu verstehen. Sie weiß, dass der Problemraum die größte Herausforderung darstellen wird.
Natürlich nicht alleine, sondern mit weiteren Teammitgliedern aus dem Unternehmen. Querbeet. Es ist sogar eine Leiterin einer anderen Abteilung dabei – die flachen Hierarchieebenen genießt Emma schon immer in Ihrem Unternehmen. Hier begegnen sich alle auf Augenhöhe.
In der ersten Phase, der Empathie, befragen sie treue Kunden intensiv nach ihren Wünschen. Sie sind überrascht, dass viele sich personalisierte Werbung auf Social Media wünschen. Doch die Anforderungen sind höchst unterschiedlich und widersprüchlich. Zunächst sind sie überfordert von der Komplexität und Unmenge an Informationen.
Mehrfach sind Emma und ihre Design Thinking Teammitglieder kurz davor aufzugeben, so diffus scheint die Aufgabe. Doch mit Hartnäckigkeit und Offenheit gelingt es ihnen, ausreichend Erkenntnisse zu gewinnen, um das eigentliche Problem zu begreifen: Die mangelnde Personalisierung der Kampagnen, nicht der Marketing-Stil von Emma, sind der wahre Grund für die sinkenden Verkaufszahlen!
In der Definitionsphase formulieren sie nun das Problem präzise: Wie können personalisierte Social Ads die Verkaufszahlen steigern?
Erleichterung macht sich breit. Das Problem ist nun verstanden. Was wohl ihr Chef dazu sagen wird – aber jetzt wird weiterentwickelt. Die Lösung und der dann hoffentlich eintretende Erfolg, wird es dann zeigen.
Der Problemraum ist überwunden.
Inzwischen heißt es, in der Ideenfindung, mögliche Lösungen zu generieren. Gemeinsam kommen viele kreative Ideen: personalisierte Produktempfehlungen, personalisierte Rabattcoupons oder personalisierte Styling-Tipps von Influencer:innen. Sie haben drei vielversprechende Konzepte!
Jetzt, in der Prototyping-Phase, testen sie diese direkt. Dafür erstellen sie Mockups und erste Postings für ihre Top-3-Ideen. Das Kundenfeedback ist durchwachsen. Also iteriert sie und die Prototypen werden weiterentwickelt. Zwei Ideen stechen eindeutig hervor.
In der Testphase werden für 4 Wochen personalisierte Styling-Tipps und Produktempfehlungen eingesetzt. Die Teammitglieder sind gespannt und sieh an: Die Verkaufszahlen steigen um 15 %! Die Lösungen treffen den Nerv der Zielgruppe.
Last but not least, in der Implementierungsphase, wird die erfolgreiche Kampagne final eingeführt. Das Social Media Marketing des Unternehmens ist gerettet – dank Design Thinking!
Klingt ausgedacht? Ist diese Geschichte auch! Doch sie zeigt sehr gut, dass der Prozess im Online Marketing einwandfrei eingesetzt werden kann. Viele haben das auch schon getan. Zu einigen Use Cases komme ich später noch.
Die Phasen eliminieren Dein Chaos – vertrau darauf
Wie bereits erwähnt, wird Design Thinking oft genutzt, wenn noch Chaos herrscht bzw. wenn ein Problem noch nicht klar ist. An dem Punkt, an dem man sich fragt „wo fange ich eigentlich an und was ist eigentlich mein Problem? Habe ich überhaupt eins?“
Beginnend wird auf Quantität gesetzt. Dies wirkt unter Umständen chaotisch – aber der Prozess ist so strukturiert, dass das Chaos in jeder weiteren Phase einem sehr klaren Fokus weichen wird.
Dieses Chaos kann einen auch sehr nervös machen. Mir hat es geholfen, den Prozess einmal selbst komplett zu durchlaufen, um etwas sehr Wichtiges zu verstehen: Die Prozessschritte folgen einer ganz klaren Logik, sind aber nicht linear.
Du wirst häufig zwischen den Schritten wechseln und iterieren, dennoch solltest Du keinen der Schritte überspringen und Dir immer ausreichend Zeit dafür nehmen. Keine Phase ist unwichtiger als die andere.
Die vielfältigen Iterationen des Design Thinkings
Der Design-Thinking-Prozess beinhaltet viele verschiedene Iterationen eines oder mehrerer Schritte. Und sie sind unerlässlich.
- Iteration der Problemraum-Phasen: Die Erkundung des Problemraums und der Bedürfnisse (Phase 1 und 2) ist kein linearer Prozess. Mit zunehmendem Verständnis ändern sich die Fragestellungen und Vorgehensweisen. Es müssen ggf. mehrfach Nutzer:innen beobachtet oder interviewt werden, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
- Iteration im Übergang Problem- zu Lösungsraum: Die Übersetzung der Problemraum-Erkenntnisse in eine klar fokussierte Herausforderung (Phase 3) gelingt selten auf Anhieb. Meist sind mehrere Formulierungsversuche nötig, um den Kern der Aufgabe treffend zu beschreiben.
Iteration in der Lösungsraum-Phase: Sowohl die Ideengenerierung (Phase 4) als auch die Umsetzung in Prototypen (Phase 5) sind iterativ. Es werden mehrere Runden des Brainstormings bzw. mehrere Prototypen-Varianten benötigt, um vielversprechende Lösungskonzepte hervorzubringen. - Test-Iterationen: Die Evaluation von Prototypen durch Test für die Nutzer:innen (Phase 6) ergibt regelmäßig Hinweise zur Verbesserung und Weiterentwicklung. Die Prototypen werden iterativ angepasst und erneut getestet.
- Gesamt-Iteration: Nicht selten führen die Tests oder Prototypen dazu, dass ein noch besseres Verständnis des Problems entsteht und frühere Phasen erneut durchlaufen werden müssen. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Design Thinking keine lineare Abfolge, sondern einen zyklischen Prozess darstellt.
Die vielfältigen Iterationen machen deutlich, dass Design Thinking kein starres Phasenmodell ist, sondern einen dynamischen und flexiblen Problemlöseprozess beschreibt. Kreative Lösungen entstehen nicht nach einem einmaligen Durchlauf, sondern gelingen nur durch stetige Wiederholungen, Feedbacks von Anwender:innen und Weiterentwicklungen – also in kontinuierlicher Iteration.
Tipps für erfolgreiches Design Thinking
- Sei nutzerzentriert: Stelle sie und die Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Befrage und beobachte sie und versuche ihren Alltag und ihre Erfahrungen zu verstehen. Das schafft die Grundlage für innovative Problemlösungen.
- Sei kreativ: Gib Raum für ungewöhnliche Ideen und spontane Einfälle. Kombiniere unterschiedliche Perspektiven. Design Thinking lebt von Kreativität, also fördere sie bei allen Teammitgliedern.
- Sei agil: Iteriere und pass Deine Lösungen kontinuierlich an neue Erkenntnisse an. Lerne aus den Reaktionen der Nutzer:innen und tue es ihnen gleich – reagiere schnell auf Feedback und Veränderungen.
- Arbeite crossfunktional: Bilde Teams aus Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Disziplinen und Hierarchieebenen. So entstehen Lösungen, die viele Perspektiven vereinen und leichter akzeptiert werden.
- Gehe raus aus dem Büro: Nutze Methoden, die Dir neue Sichtweisen ermöglichen. Beobachte Anwender:innen in ihrem Umfeld, führe Expertise-Interviews, besuche relevante Orte. Verlasse den gewohnten Arbeitsplatz.
- Visualisiere und prototypisiere: Entwickle eine visuelle Sprache, um Ideen auszutauschen und Lösungen zu konkretisieren. Bau schnell Prototypen, um Konzepte zu testen und weiterzuentwickeln. Das macht Alternativen sichtbar und Lösungen greifbar.
- Manage Erwartungen: Klar kommunizierte Ziele und zeitliche Rahmenbedingungen geben Design-Thinking-Prozessen die nötige Struktur. Sie steigern Akzeptanz und reduzieren Frustration. Beginne mit überschaubaren Herausforderungen.
- Nimm Dir Zeit: Lass Dir genug Zeit, um einen Ansatz wirklich zu verstehen und kreative Lösungen reifen zu lassen. Zeitdruck und pflichtgetriebenes Vorgehen behindern Design Thinking.
Für die meisten Probleme überwiegen die Vorteile
Es ist und bleibt wahrscheinlich noch lange eine innovative Herangehensweise an Probleme, die kreatives und nutzungszentriertes Denken in den Vordergrund stellt. Wie bei allem gibt es immer einige Vorteile, aber auch Nachteile.
Vorteile von Design Thinking
- Fokus auf die Nutzer:innen: Durch den Einsatz von Methoden wie Interviews oder Beobachtungen, mit und von Nutzer:innen, wird ein tiefes Verständnis für die Erfahrungen und Herausforderungen dieser und deren Bedürfnisse entwickelt.
- Kreativität: Design Thinking kombiniert divergente Denkweisen mit Konvergenz, um innovative Problemlösungen zu finden. Es gibt Raum für Kreativität und ungewöhnliche Ideen.
- Agilität: Durch sein iteratives Vorgehen mit Build-Measure-Learn-Schleifen ist Design Thinking besonders agil und erlaubt schnelle Anpassungen.
- Teamarbeit: Design Thinking fördert crossfunktionales Arbeiten im Team und schafft damit Lösungen, die verschiedene Perspektiven integrieren. Hierarchieebenen werden dabei ausgeschaltet.
Nachteile von Design Thinking
- Zeitintensiv: Die Workshops und die Auseinandersetzung mit Anwender:innen können zeitaufwendig sein, oft mit unklarem Ergebnis. Das kann frustrierend sein.
- Fokus auf Nutzer:innen: Auf der einen Seite ein Vorteil, auf der anderen Seite kann dieser starke Fokus dazu führen, dass technische oder wirtschaftliche Aspekte einer Lösung vernachlässigt werden.
- Kaum Struktur: Das kreative Vorgehen von Design Thinking kann chaotisch wirken und verlangt einiges an Moderation. Es gibt wenig konkrete Anleitungen, wie Lösungen entstehen.
- Schwierige Anwendung: Design Thinking ist für viele Unternehmen und Organisationen noch ungewohnt. Es erfordert eine Kultur, die Kreativität, Experimentierfreude und agile Vorgehensweisen fördert, um wirksam angewandt werden zu können.
Für die meisten Probleme überwiegen die Vorteile von Design Thinking. Es kommt aber auf die richtige Anwendung und Implementierung in der Unternehmenskultur an, um seine Möglichkeiten auch wirklich nutzen zu können.
Design Thinking fürs Online Marketing? Aber sicher!
Nutzer:innen und deren digitale Customer Experience rücken in den Mittelpunkt der strategischen und operativen Arbeit.
Durch eine kreative und empathische Denkhaltung in interdisziplinären Teams können Marketingkampagnen, digitale Plattformen und Kundenerlebnisse optimiert werden, was sich unmittelbar auf den Unternehmenserfolg auswirkt.
Hier die versprochenen Use Cases – auch zur Inspiration – wie es bereits erfolgreich genutzt wurde.
Optimierung der Customer Journey:
Eine E-Commerce-Website analysierte mittels Interviews der Nutzer:innen, Website-Heatmaps und Kaufabbruchraten die Customer Journey ihrer Kunden und Kundinnen. In Design Thinking Workshops entwickelt das Team ein vereinfachtes Bezahlsystem und personalisierte Produktempfehlungen. In weiteren Tests wurden die Verbesserungen optimiert. Die Conversion Rate stieg um 15 % (Quelle: Fallstudie der Digitalagentur Wolf + Partner, 2019: „Wie wir mit Design Thinking die Customer Journey optimierten und die Konversionsrate um 15 % steigerten“).
Neue Social Media Strategie:
Eine Agentur erarbeitete für einen Modekunden mithilfe von Personas, Befragungen der Kundschaft und Social-Media-Analysen eine neue Social-Media-Strategie. Kreativ-Workshops zu Storytelling, Videoformaten und Influencer-Kooperationen brachten innovative Konzepte hervor. In 3-monatigen Kampagnen wurden diese kanal- und zielgruppenspezifisch getestet. Die Strategie führte zu einer Verdopplung der Follower- und Interaktionsraten (Quelle: Artikel in der Fachzeitschrift Online-Marketing Rockstars, 2020: „Design Thinking: So gelang einer Münchner Modefirma der Social Media Turnaround“).
Landingpage-Optimierung:
Eine Tourismuswebsite nutzte Design Thinking, um die Reaktion der Kunden auf ihre Landingpages zu verstehen und zu verbessern. Nutzungstest und Online-Interviews zeigten Unklarheiten in der Navigation und ungenutzte Potenziale mobiler Endgeräte. Neue Page-Layouts wurden entworfen und als Online-Test variantenreich eingesetzt. Die beste Variante steigerte die Buchungsraten der Website um 25 % (Quelle: Kongresspräsentation der DERTOUR, Akademie Deutsche Touristik e. V., 2018: „Vom Reisekatalog zum Conversion Canvas – Wie wir mit Design Thinking unsere Landingpages optimierten“).
Neues Content-Format:
Ein Technologieblog entwickelte im Design-Thinking-Prozess ein neues Videoformat, um jüngere Zielgruppen anzusprechen. Umfragen und Social-Media-Beobachtung inspirierten die Idee eines Tech-Infotainment Formats. In drei Produktionsrunden entstand eine Pilotfolge, die auf allen Kanälen getestet wurde. Das positive Feedback führte zur Umsetzung als wöchentliche Videoreihe. Die Anzahl der Abonnierenden verdreifachte sich innerhalb eines Jahres (Quelle: Video Case Study der Online-Marketing-Agentur PLAY, 2019: „Content-Ideenfindung mal anders: mit Design Thinking zum neuen Videopodcast“).
Personalisierte E-Mail-Kampagnen:
Ein Online-Händler analysierte mittels Customer-Journey-Analysen und Interviews Ausschöpfungs-Reserven in den eigenen E-Mail-Kampagnen. Im Design-Thinking-Workshop entstand die Idee für eine Machine-Learning-basierte, personalisierte E-Mail-Automation. Als Prototyp wurde ein Workflow mit dynamischen Produktvorschlägen entwickelt, der in A/B-Tests erfolgreich war. Die E-Mail-Öffnungs- und Klickraten ließen sich um über 50 % steigern (Quelle: Artikel der Fachpublikation iBusiness, 2018: „So steigern Sie Ihre E-Mail-Öffnungsraten um über 50 Prozent – ein Praxisbeispiel für Design Thinking“).
Mithilfe von Design Thinking wurden in den Unternehmen oder Agenturen innovative Marketingkonzepte entwickelt. Deren Wirksamkeit konnte in der Praxis auch nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse können sich sehen lassen und unterstreichen dabei nochmals, wie wichtig ein nutzungszentriertes Vorgehen im Online Marketing ist. Und genau dies ist im Design-Thinking-Prozess eine elementare Basis.
In 10 Schritten Design Thinking in Deiner Online Marketing Agentur etablieren
- Ernennung von Design Thinking Coaches bzw. Verantwortlichen: Mindestens 2–3 Mitarbeiter:innen sollten die Rolle von Design Thinking Coaches übernehmen, um Expertise aufzubauen und den Prozess im Unternehmen voranzutreiben.
- Schulung & Training: Die Design Thinking Coaches sowie interessierte Mitarbeiter:innen sollten fundierte Schulungen und Trainings durchlaufen, um mit allen Methoden & Mindsets vertraut zu werden.
- Anschaffung hilfreicher Tools & Materialien: Für kreatives Arbeiten sollte ein Fundus an Post-Its, Stiften, Papierboards, Prototypenmaterial etc. bereitgestellt werden. Auch Softwaretools wie Miro, Mural o. Ä. sind sehr unterstützend.
- Vorbereitung kreativer Räume: Es müssen Räume geschaffen werden, die Kreativität und effektives gemeinsames Arbeiten in Teams ermöglichen.
- Start mit internen Projekten: Um Erfahrung aufzubauen, eignen sich eigene Projekte am besten. Die Agentur sollte den Design-Thinking-Prozess zunächst intern auf ausgewählte Entwicklungsvorhaben anwenden.
- Durchführung von Workshops mit Kunden: Nach einer “Probephase” können auch Kundenprojekte mithilfe von Design-Thinking-Workshops innovativ gelöst werden. Dies erhöht den Nutzen und schafft Begeisterung bei den Kunden.
- Weiterbildung & Austausch: Die Auseinandersetzung mit Design Thinking sollte ständig fortgeführt werden. Relevante Webinare, Bücher und Meetups dienen der Weiterbildung. Ein regelmäßiger Austausch mit anderen Anwender:innen ist sehr gewinnbringend.
- Iteratives Vorgehen: Die Implementierung von Design Thinking in der Agentur sollte schrittweise erfolgen – wenn nötig mit Unterstützung externer Expertise. Es ist ein kontinuierlicher Lern- und Optimierungsprozess.
- Passgenaue Kombination der Methoden: Design Thinking muss nicht in Gänze eingesetzt werden. Die Methodenwahl sollte passgenau für das konkrete Projekt/Unternehmen erfolgen. Es ist ein breites Spektrum, aus dem man sich bedienen kann.
- Verstetigung & Nachhaltigkeit: Nach erfolgreicher Einführung muss die Anwendung kontinuierlich in den Arbeitsalltag der Agentur integriert und zu einem festen Bestandteil in der Zusammenarbeit mit Kunden werden. Nur so entfaltet Design Thinking eine bleibende Wirkung.
Mit 80+ Methoden durch den Design-Thinking-Kosmos
Design Thinking ist ein äußerst dynamischer und kreativer Problemlöseprozess, der sich stetig weiterentwickelt. Um Visionen in konkrete Problemlösungen zu übersetzen, bedarf es einer Vielzahl an Kreativitätstechniken, die Inspiration, Ideenreichtum, Konzeption und Umsetzung fördern.
Es überrascht daher nicht, dass sich im Laufe der Zeit über 80 Design-Thinking-Methoden entwickelt haben, die den iterativen Prozess der nutzerzentrierten Innovation unterstützen.
Die große Anzahl unterschiedlicher Methoden spiegelt die Vielschichtigkeit des Innovationsprozesses wider, der von der Exploration über Ideenfindung und -auswahl bis zur Umsetzung in markttaugliche Produkte, Services und Geschäftsmodelle reicht.
Welche Methode für welche Aufgabe am geeignetsten ist, hängt vom konkreten Projekt und den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Oftmals müssen mehrere Methoden miteinander kombiniert werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Die Fülle des Methoden-Werkzeugkastens verdeutlicht, dass Design Thinking keine starre Vorgehensweise, sondern ein dynamisches und anpassbares Innovations-Framework ist.
Die Kunst besteht darin, die passenden Methoden zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen, um innovative Konzepte hervorzubringen, die technisch realisierbar, ökonomisch sinnvoll und für die Nutzer:innen von Wert sind.
Nur wenn alle Aspekte gleichermaßen Beachtung finden, kann Design Thinking sein volles Potenzial als Agent transformationaler und nutzungszentrierter Innovation entfalten.
Nachfolgende habe ich Dir 15 Methoden herausgesucht, um die zu inspirieren, Design Thinking auch in Deinem Online-Marketing-Alltag zu integrieren und den Prozess vielleicht mal durchzuspielen.
15 Methoden für Dein Design-Thinking-Prozess im Online Marketing
Um die ersten beiden Phasen, „Verstehen“ und „Beobachten“, erfolgreich zu meistern, bieten sich 5 Explore-Methoden an, die empathisches Problemverständnis ermöglichen. Diese Methoden dienen dazu, ein fundiertes 360°-Verständnis für die Zielgruppe(n), relevanten Stakeholder und des Marktumfelds aufzubauen.
1. Online-Befragung der Zielgruppe: Um die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppe zu ermitteln. Es hilft, Content und Services zu optimieren.
2. Datenanalyse: Auswertung vorhandener Daten zu Traffic, Verweildauer, Absprungraten etc., um Nutzungsverhalten auf der Website zu analysieren und Optimierungsbedarf abzuleiten.
3. Heatmaps: Visualisierung der Mausbewegungen, Klicks und Scrollverhalten von Nutzer:innen auf der Website, um Relevanz und Verbesserungspotenzial von Inhalten aufzuzeigen.
4. Social Listening: Monitoring, Analyse und Auswertung von Erwähnungen der eigenen Marke oder relevanter Themen und Hashtags in sozialen Netzwerken.
5. Webseitenanalyse: Gründliche Analyse der Struktur, Inhalte und Funktionalitäten einer Website im Hinblick auf SEO, Performance und Usability können eine gute Basis für umfassende Website-Optimierung sein.
Für die Phasen „Standpunkt definieren“ und „Ideen generieren“ eignen sich diverse Create-Methoden, um innovative Lösungskonzepte hervorzubringen.
Diese Methoden zielen darauf ab, kreative Standpunkte für die digitale Markenkommunikation und alternative Ideen für Content, Touchpoints oder technologischen Einsatz im Online Marketing zu generieren. Sie fördern „out of the box“-Denken und unkonventionelle Lösungswege.
6. Mindmapping: Assoziative Karten eines Themas durch Verzweigungen, um neue Ideen und Verbindungen für die digitale Kundenansprache sichtbar zu machen.
7. 6-3-5-Methode: Diese Gruppenmethode, in der 6 Personen 3 neue Ideen in 5 Minuten aufschreiben, weitergeben und weiterentwickeln, fördert kreative Ideen für Conversion Optimization oder Personalisierung.
8. Provokative Fragen: Durch gezielte, provozierende Fragen werden neue Denkanstöße für unkonventionelle digitale Kampagnen, virale Aktionen oder zielgruppengerechter Ansprache gegeben.
9. Assoziation: Freies Ideensammeln durch Triggerwörter oder Bilder, die Assoziationen hervorrufen, bringen neue Themen für Content.
10. Worst Possible Idea: Entwicklung der schlechtestmöglichen Idee, um daraus durch Umkehrung kreative und nützliche Lösungen für Online-Marketing-Herausforderungen abzuleiten.
Und um in der Phase fünf und sechs Prototypen entwickeln und testen zu können, sollte auf diverse Evaluate-Methoden zurückgegriffen werden.
Diese Methoden zielen darauf ab, Prototypen wie Websites, Apps, E-Mails, Anzeigen oder Kampagnenkonzepte im Online Marketing bezüglich ihrer Performance, Nutzungsfreundlichkeit und Effektivität zu optimieren. Sie liefern einen Mix aus subjektiven Eindrücken der Anwender:innen, objektiven Messdaten und Expertiseneinschätzungen.
Ihr Einsatz trägt entscheidend dazu bei, digitale Lösungen an die Anforderungen der Zielgruppen anzupassen.
11. A/B-Testing: Vergleich unterschiedlicher Varianten eines Prototyps (z. B. Landingpage, E-Mail) bezüglich ihrer Performance misst den direkten Einfluss auf das Nutzungsverhalten.
12. Anwendungstests: Beobachtung und Befragung von Nutzer:innen bei der Interaktion mit einem Prototyp liefert direktes Feedback zu Usability, Verständlichkeit und Nutzen.
13. Card Sorting: Nutzer:innen sortieren Inhalte oder Funktionen eines Prototyps nach selbst gewählten Kategorien. Damit wird die logische Strukturiertheit und intuitive Bedienung getestet.
14. Click-Maps: Visualisierung der Klicks von Nutzer:innen auf einem Prototyp. Zeigt, ob die wichtigsten Funktionen und relevanten Inhalte leicht auffindbar sind.
15. Videoanalyse: Die Aufzeichnung der anzuwendenden Personen beim Interagieren mit einem Prototyp und Analyse ihres Verhaltens, Reaktionen und Feedback mag sehr aufschlussreich für Verbesserung von Experience sein.
Das ist nur ein kleiner Auszug und der Baukasten ist groß. Die Methoden können entweder für den Design-Thinking-Prozess eingesetzt werden oder auch einzeln zwischendrin. Sie können Spaß machen und die Arbeitsatmosphäre verändern.
Das Fazit zu Design Thinking: Literaturwissen ausreichend?
Design Thinking ist ein Ansatz, der leicht zu verstehen, aber schwer zu meistern ist. Einige grundlegende Prinzipien und der grobe Ablauf des Prozesses lassen sich durchaus durch Lektüre einschlägiger Artikel und Bücher erfassen.
Um jedoch die vielfältigen Methoden kompetent und situationsgerecht einsetzen zu können und innovative Lösungen für komplexe Probleme entwickeln zu können, reicht theoretisches Wissen allein nicht aus. Es ist ein hochgradig kreativer Prozess, der systematisch und zielgerichtet angewendet werden will.
Seine Stärke kann sich nur entfalten, wenn einerseits die Denkweisen und Mindsets, also die innere Haltung, verinnerlicht werden und andererseits ein breites Spektrum an Methoden-Expertise aufgebaut wurde, um mit jeder problembezogenen Herausforderung adäquat umgehen zu können.
Die 80+ Design-Thinking-Methoden, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, gilt es kennenzulernen und intensiv zu üben. Dafür bedarf es Feedback und Anleitung von Expert:innen, was allein durch Literaturstudium nur unzureichend geleistet werden kann.
Hinzu kommen weiche Faktoren wie Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit oder Empathie für die Nutzer:innen, die sich am besten in der praktischen Anwendung unter erfahrener Anleitung entwickeln lassen.
Eine fundierte Ausbildung im Bereich Design Thinking – sei es durch Zertifikate, Master-Programme oder in Form von einem professionellen Training – ist daher für alle zu empfehlen, die den Ansatz auf einem guten Niveau in ihrer Arbeit anwenden möchten.
Kurse und Workshops können einen ersten umfassenden Überblick verschaffen und die Gelegenheit bieten, an konkreten Projekten oder Use Cases zu üben.
Natürlich ist jede:r Expert:in einmal Anfänger:in gewesen. Doch wer Design Thinking auf professionellem Level beherrschen möchte, kommt um eine fundierte Ausbildung auf Dauer nicht herum, denn nur durch Praxis und Anleitung lässt sich die Meisterschaft in diesem faszinierenden Bereich wirklich erlangen.
Mein persönliches Fazit: Von dem Problem und der Liebe
Nach meiner Design-Thinking-Ausbildung habe ich für mich meine sechs Erkenntnisse niedergeschrieben – die sich im Artikel alle wiederfinden. Diese Punkte haben sich für mich nicht nur in den Design-Thinking-Prozessen bewährt, sondern auch in vielen beruflichen und alltäglichen Lebenssituationen.
- Fall in love with the problem, not the solution: Ist das Problem WIRKLICH verstanden und kann bei seinem Ursprung definiert werden?
- (Mehr) Zeit im Problemraum verbringen und es Problemraum nennen dürfen.
- Regeln sind wichtig & schaffen den Rahmen.
- Warum (die) Phasen (in der Reihenfolge) gut, richtig & wichtig sind.
- Don’t do this: Lösungen auf der Basis von nicht validierten Annahmen erarbeiten. Don’t be afraid of chaos.
- Verliebe Dich niemals in Deinen Prototypen – Iterationen (Wiederholungen) sind wichtig.
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