In der Wirtschaft wird gerne mit subtilen Tricks gearbeitet, um das Gegenüber zu steuern. Da bieten Einkaufende den Dienstleister:innen beispielsweise an, in einem weichen Sessel Platz zu nehmen, weil sie Wissen, dass sich dieser sensorische Reiz auf die Verhandlungen auswirken wird: Wer weich sitzt, verhandelt – unbewusst – nachgiebiger als jemand auf einem harten Stuhl.
Dieser gezielte Einfluss mittels eines Reizes auf das spätere Geschehen beziehungsweise die spätere Wahrnehmung nennt sich Priming. Online Expertin und Wahrnehmungspsychologin Sarah Weitnauer erklärt, welche verschiedenen Priming-Effekte es gibt und wie Du diese in Deine Website integrieren kannst, um die Aufmerksamkeit der Kundschaft zu lenken und den Verkauf messbar zu pushen.
Wie wirken Prime-Effekte?
Das Prinzip des Primings ist die Voraktivierung. Der Prime – ob sensorischer Reiz, Bild, Wort oder Design – wirkt auf unsere unbewussten Steuerungsmechanismen und löst dadurch eine veränderte Reaktion auf einen anderen, bald darauffolgenden Reiz aus.
Im Alltag geschieht das tagtäglich im Supermarkt, wo Käufer:innen geschickt an Produkten, die nicht auf ihrem Einkaufszettel stehen, vorbeigeleitet werden, bis sie zu den Alltagsprodukten wie Gemüse, Kaffee oder Milch gelangen.
Und stehen sie dann vor dem Produkt, kaufen sie potenziell das EINE Produkt, das zuvor geprimt wurde. In Supermärkten und Shopping-Centern wird das zum Beispiel über Personen, die Befragungen vor der Tür machen, subtil ausgelöst.
Aber auch das Zeigen von bestimmten Bildern, Slogans oder sogar nur bestimmten Formen kann das Kaufverhalten in bestimmte vorhersehbare Bahnen leiten. Dieses Prinzip funktioniert online ebenso.
Durch Priming lässt sich im Web unter anderem das Einkaufsverhalten in Onlineshops steuern: Ein potenziell kaufwilliges Hirn würde ohne Prime die Waren A, B, C in den Einkaufswagen legen, wohingegen ein durch einen Prime ausgerichtetes Hirn die Waren X, Y, Z auswählt.
Verhaltensänderung durch Prime
Weshalb sollten sich gerade Onlineshop Betreiber:innen mit Primes beschäftigen?
Der Einsatz von richtig ausgewählten Primes kann Conversions boosten, die Markenbildung und -bindung steigern, das Image aufwerten und den Umsatz in die Höhe treiben. Dabei sind die Priming-Effekte ganz klar quantifizierbar und skalierbar.
Im Ausland weiß man dies längst: Alle großen internationalen Webseiten mit hohen Besucherzahlen nutzen Priming, während der E-Commerce im deutschsprachigen Raum noch Nachholbedarf beim bewussten Einsatz von Primes hat.
Eher findet man hier auf Websites versehentlich eingebaute negative Primes und Assoziationen, die erfolgsmindernd wirken, ohne dass dies den Betreiber:innen bewusst wäre. Kennt man sich damit aus, können diese entfernt werden und so bereits Umsatzgewinne generieren.
Wie machtvoll sind Primes wirklich?
Verblüffend machtvoll. Das menschliche Verhalten kann viel mehr mit Primes gesteuert werden, als man gemeinhin glaubt.
Ein wunderschön inszeniertes und eindrucksvolles Experiment zum Priming wurde in einem Weinhandel getestet: Für einige Wochen wurde die subtil wirkende Hintergrundmusik variiert.
Während sie ihre Weinauswahl trafen, hörten die Probanden der Versuchsgruppe ausschließlich französische Musik; die Kontrollgruppe bekam andere oder keine Musik. So wurde die Assoziation „Frankreich“ im Kopf der Testgruppe verankert.
Das Ergebnis: Allein das Öffnen des Denkschemas „Frankreich“ führte in diesem Versuch dazu, dass sich die Personen für französische Weine entschieden. Die Ergebnisse sind sogar äußerst eindeutig, denn wurde französische Musik gespielt, dann kaufte die Kundschaft signifikant öfter französische Weine.
Natürlich wurden die Personen gefragt, wie sie zu ihrer Wahl kamen und ob sie die Musik bemerkt hätten. Die Mehrheit der Weinkundschaft gab allerdings an, die Hintergrundmusik nicht einmal wahrgenommen zu haben.
Ihre Hirne beschlossen quasi von allein, französischen Wein trinken zu wollen. Gewirkt hat der Prime dennoch, beziehungsweise genau deswegen, denn die Menschen waren sich dieser Richtungslenkung ihrer Gedanken nicht bewusst.
Priming ist psychologische Websiteoptimierung:
Sämtliche negative Primes werden eliminiert, während die Wahrnehmung der kaufwilligen Hirne gezielt auf bestimmte Bereiche gelenkt wird. Die Primes öffnen gezielt implizite Gedächtnisinhalte und Denkstrukturen, was erhöhte Konversionsraten zur Folge hat.
Die hervorgerufene individuelle Stimmung und die damit aufkeimende Emotion beeinflussen das Kaufverhalten.
Welche der beiden Formen heißt für Dich eher „Maluma“?
Die signifikante Mehrheit der befragten Personen entscheidet sich immer wieder für die linke Form. Die Form wirkt, wie hier deutlich wird, auf die Erwartungshaltung. Menschen haben Schubladen im Kopf. Je nachdem, was wir zu einer Sache oder Situation mal gespeichert haben, ploppt die nächste Gehirnschublade auf.
Fast wie bei der Post, wenn mehrere Päckchen in der Packstation abholt werden und, sobald das erste Paket aus seinem Fach entfernt und das Fach geschlossen wurde, gleich das nächste Fach aufspringt und so weiter. Diese aufploppenden Assoziationen heißen Schemata. Sie sind eine Art von strukturierten Daten des Gehirns.
Ebenso wie in dem Beispiel mit den Formen wird durch einen Prime eine bestimmte Abfolge von Gedanken und Handlungen ausgelöst. Und diese sind bei vielen Menschen gleich.
Dies führt dazu, dass ein Prime das Verhalten ändern kann, weil darauffolgend Reize, die in das geprimte Schema passen, schnellerer wahrgenommen werden. (Das Hirn räumt ihnen eine höhere Relevanz als anderen Reizen zu.) Diese inneren Prozesse laufen oftmals subliminal, also für das Individuum unmerkbar ab und schwupp wird ein Produkt einem anderen vorgezogen, einfach, weil es sich besser anfühlt.
„Wenn ich Priming kenne, falle ich doch darauf nicht rein!”
Immer wieder höre ich von Menschen: “Ich bin schlau, kenne das Prinzip, ich falle da nicht drauf rein!“ Da kann ich nur erwidern: „Doch.“ Denn genau so zeigt es sich in den Forschungsergebnissen.
Ob Akademiker:innen oder sogar Universitätsprofessor:innen für Sozialpsychologie… sie alle gehen immer wieder Primes auf den Leim. Warum? Weil wir nicht immer so aufmerksam sind, wie wir meinen, und bereits durch subtilste Hinweisreize beinflussbar sind.
Wenn ein Shop für Lebensmittelprodukte im Website-Hintergrund eine verschwommen fotografierte saftig-grüne Weidelandschaft einblendete, stiegen plötzlich signifikant die Anfragen, ob es sich hier um Bio-Produkte handle. Allein das Einblenden des Bildes, das unbewusst bei den Betrachter:innen als Prime auf Gedächtnisinhalte „Weide = Natur = Bio“ zugriff, ändert das Verhalten.
Und nein: Diese subtile Steuerung fiel den Websitebesucher:innen nicht als solche auf. Selbst wer über Primes informiert ist, kann sich ihrer Wirkung nicht vollständig entziehen. Niemand ist vor Beeinflussung durch Priming gefeit – weder in der Online-Kampagne, der Offline-Werbung noch in der Politik oder in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Wie kannst Du Priming auf Websites einsetzen?
Die Wichtigkeit von Primes dürfte hiermit geklärt sein – doch wie setzt Du sie auf der Website nun ein? Und welche Elemente stehen zur Verfügung?
1.Bilder wirken im Hirn im Vergleich zu Text sehr schnell. Sie können ratzfatz verarbeitet werden und vermitteln leicht verständlich sowie ultraschnell ihre Botschaften. Die angepassten Bildinhalte wecken über den visuellen Input Assoziationen an Stimmungen, Emotionen und erlebte Situationen. Mit Fotos/Grafiken kannst du daher sehr gut und hocheffizient Priming-Effekte auslösen. Bilder sind immer ein optimaler Ausgangspunkt für den Start Deines Primes.
Dies gelingt Dir bereits mit solch einfachen Maßnahmen wie einem Smiley auf der Website – vorausgesetzt, er passt zum Inhalt der Seite. Hintergründe liefert diese wissenschaftliche Studie von Rind und Bordia (Rind, B., & Bordia, P. (1996): Effect on restaurant tipping of male and female servers drawing a happy, smiling face on the backs of customers‘ checks. Journal of Applied Social Psychology, 26, 218-225).
Man testete den Einfluss eines auf die Rechnung gemalten Smileys auf die Trinkgeldhöhe im Restaurant. Mal gab eine Servicekraft eine Rechnung mit und mal eine Rechnung ohne Smiley heraus – mit signifikantem Unterschied. Bei vorhandenem Smiley gaben die Gäste deutlich mehr Trinkgeld.
Weshalb? Das Betrachten des Lächelns und sein Effekt auf die Gehirnaktivierung wirkten sich auf die Spendabilität der Gäste aus. Diesen Effekt eines positiven Primes auf die Spiegelneuronen nutzt beispielsweise personello.de ganz clever mit seinem Smiley im Logo unterhalb des Schriftzuges. Und welches Unternehmen kennt man diesbezüglich noch? Genau: Amazon.
2.Texte können – wenngleich sie nicht so leicht wie Bilder zu decodieren sind – über kleine Geschichten oder auch nur durch geschickte Wortwahl als Prime wirken. Das bedingt allerdings, dass die reizauslösenden Elemente auch wirklich gelesen werden, was im Web bei all dem Scanning und Querlesen bekanntlich nicht immer gegeben ist.
Wir können über Worte zum Beispiele Gefühle primen. Positive Wörter lösen – logischerweise – positive Emotionen aus. Dass glückliche Hirne kaufwilliger sind als schlecht gelaunte, ist logisch, womit der Umkehrschluss lautet: Wählst Du negative Worte, dann riskierst Du, dass die Kundschaft auf der Website ein schlechtes Gefühl bekommt. Es besteht die Gefahr, dass sie abspringen und nicht konvertieren. Ganz plakativ: Ob Du jetzt das Wort Sonne oder das Wort Totenstarre auf Deiner Website nutzt, ist nicht egal.
3.Farben können zwar als Primes wirken. Allerdings haben sie in unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedliche Bedeutungen und können eher Stimmungen als gezielte Assoziationen wecken. Wir kennen das beispielsweise aus Fotofiltern in Apps: Mit Farbabweichungen Richtung Orange „scheint“ die Sonne auch auf zuvor grauen Bildern und vermittelt dadurch einen fröhlicheren Eindruck.
Allerdings sei gerade bei diesem Beispiel auch erwähnt, dass es darum geht, mit dem ganzen Konstrukt in allen Hinsichten feinfühlig zu spielen. Durchaus kann es sein, dass orangene Farbtöne in Studien positiv gewirkt haben, doch auf der eigenen Website allein eingesetzt kaum wirken.
Gleiches gilt für Text- und Bild-Richtungen. Primes sind zwar Primes, doch es braucht Feingefühl in der Abstimmung und Konzeption untereinander. Ein einzeln eingesetzter Prime bringt keine Garantie mit sich, dass er zu einem Conversionboost führt. Das wäre, als würde man den Geschmack einer Mozartkugel allein am Fett- und Zuckergehalt festmachen. Wahre Wunder ergeben sich erst, wenn mehrere verschiedene Effekte mit Bedacht und smart kombiniert werden.
Eine (kleine) Auswahl von Priming-Effekten fürs E-Commerce
Der Ankereffekt
Menschen orientieren sich instinktiv bei Entscheidungen an den momentan vorhandenen Umgebungsinformationen, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst wird.
Dabei tun sie dies auch dann, wenn die Umgebungsinformation für ihre Entscheidung völlig irrelevant ist. Die Psychologen Kahneman und Tversky haben dies in Experimenten nachgewiesen.
Sie baten Personen, zunächst an einem Glücksrad zu drehen und anschließend die Zahl afrikanischer Staaten zu schätzen. Das Ergebnis: Je höher ihre Zahl beim Drehen des Glücksrads ausgefallen war, desto höher war auch ihre geschätzte Staaten- Zahl. Ihre Hirne nahmen sich einfach die gedrehte Zahl als Ausgangspunkt.
Der Anker begrenzt also im Hirn den Radius der Entscheidungsmöglichkeiten wie die Leine den Bewegungsradius des Bootes begrenzt, obwohl es zwischen dem Prime und der Entscheidung überhaupt keinen inhaltlichen Zusammenhang gibt.
Dies passiert, weil unser Gehirn, wenn man es vor die Wahl stellt, immer unbewusst nach hilfreichen Informationen sucht. Dabei verknüpft es auch Daten, die nichts miteinander zu tun haben. Es ist eben doch nichts anderes als ein Steinzeitapparat. Wer dies weiß, arbeitet auch im Online Marketing mit Ankern.
Weitere leicht umsetzbare Primes für Shops sind:
Repetitives Priming
Stetige Wiederholung eines Wortes, eines Bildes oder eines ganzen Satzes wird spätere Gedankengänge beeinflussen. Hierzu gehören unter anderem Slogans.
Assoziatives Priming
Primt auf eine Idee. Das Wort KAFFEE primt den Gedanken an KUCHEN. Durch derartig miteinander logisch verbundene Reize wird ein bestimmtes Verhalten innerhalb der Website nahegelegt.
Priming Funfact
Rückwärtsgerichtetes Priming
Niemand möchte sich gerne durch Manipulation steuern lassen. Dementsprechend reagieren Menschen, die bemerken, dass sie gesteuert werden, meist mit einer überdeutlichen Reaktion in die gegensätzliche Richtung und halten sich dabei für besonders schlau.
Dies kann man antizipieren und beim Priming gezielt einsetzen. Es ist wie mit dem Esel, den man aus dem Stall holen möchte: Versucht man ihn aus dem Stall zu ziehen, wird er sich mit aller Kraft widersetzen.
Also ist es cleverer, das Gegenteil zu tun und ihn in den Stall hinein zu schieben. Schon wird er empört einen Satz nach hinten machen – raus aus dem Stall. Ziel erreicht! Gerade hier muss allerdings je nach Zielgruppe äußerstes Fingerspitzengefühl gezeigt werden!
„Menschliche Wahrnehmung läuft durch Filter, die durch Priming beeinflussbar sind.”
Fazit
Wahrnehmungspsychologie ist ein Erfolgsfaktor im E-Commerce, der noch zu wenig genutzt wird. Dabei kann das Verhalten der Shop-Besucher:innnen durch das gezielte Setzen von Primes wirksam in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.
Auch das Priming im Webdesign und der Produktpräsentation führt zu messbaren Verbesserungen. Im E-Commerce können Kunden auf der Website mit Primes für Produkte empfänglich gemacht werden. Allerdings sollte nur das schmackhaft gemacht werden, was auch für die Kundschaft sinnvoll ist.
Sonst muss im schlimmsten Fall mit Retouren gerechnet werden. Übrigens: Auch Rezensionen, Bewertungen oder Empfehlungen lassen sich mit Primes anreichern, um Gedanken in die gewünschte Richtung zu lenken. Kurzum: Priming kann von Dir auf der gesamten Klaviatur des Online Marketings genutzt werden. Wen man denn gelernt hat, wie es richtig gemacht wird.
Psyketing Takeaways
- Durch das gezielte Setzen von Primes kannst Du das Verhalten in eine bestimmte Richtung lenken.
- Priming im Webdesign und der Produktpräsentation fußt auf den Erkenntnissen der Wahrnehmungspsychologie.
- Im E-Commerce können Kunden direkt auf der Website mit Primes für Produkte empfänglich gemacht werden
- Primes sollten von Dir sorgfältig gewählt werden, um den maximalen Output zu generieren.
- Auch das Entfernen negativer Primes erzielt bereits oft Umsatzsteigerungen.
- Primes können kombiniert werden.
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