Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett – der Juni erstrahlt jedes Jahr in bunten Regenbogenfarben. Nicht nur in Form von bunten Aufklebern oder Flaggen am Christopher Street Day, sondern auch auf Social Media. Denn viele Unternehmen nutzen den Pride Month, um sich auf ihren Accounts mit Regenbogenflaggen und weltoffenen LQBTQ+-Slogans zu präsentieren. Sie wollen damit ihre Unterstützung für die Community zum Ausdruck bringen. Oft kommt es dadurch allerdings zu Shitstorms. Der Grund: Der Verdacht auf Rainbow Washing. Aber was steckt hinter diesem Begriff? Und was gibt es bei der Umsetzung einer Kampagne rund um den Pride Month zu beachten? In diesem Beitrag haben wir die Do’s und Don’ts für Dein Marketing zusammengefasst!
Was ist Rainbow Washing?
Rainbow Washing beschreibt eine absichtliche oder unabsichtliche Marketing-Praxis, bei der Unternehmen die Symbole der LGBTQ+-Community nutzen, um sich selbst als fortschrittlich und inklusiv darzustellen, ohne jedoch tatsächlich substantielle Unterstützung für diese Gemeinschaft zu leisten. Die Regenbogenflagge, weltoffene Slogans oder ganze Pride-Kollektionen sind dann letztlich einzig und allein dazu da, farbenfrohe Scheine ins Unternehmen flattern zu lassen und den Ruf durch Diversity aufzupolieren. Ein klarer Fall von Etikettenschwindel!
Die Versuchung zum Pride Marketing mag verlockend sein, da Diversität ein immer wichtigeres Thema in der Gesellschaft ist. Deshalb gibt es auch eine ganze Reihe an Begriffen rund um das sogenannte Woke Washing: Synonym zum Rainbow Washing ist beispielsweise oft von Pink Washing die Rede.
Diesen Begriff prägten ursprünglich Pharma- und Kosmetikfirmen aus den USA, die ihre Produkte mit rosa Schleifen bewarben – dem Symbol von Engagement gegen Brustkrebs –,obwohl sie selbst im Verdacht standen, mit ihren Produkten Brustkrebs zu verursachen. Andere Formen des Woke Washing sind beispielsweise auch Green Washing (Vortäuschen von Umweltfreundlichkeit) oder Blue Washing (moralisches Ablenkungsmanöver bezüglich des sozialen Engagements).
Warum ist Rainbow Washing problematisch?
Erstmal sind bunte Unternehmenslogos, catchy Slogans und Regenbogen-Produkte natürlich kein Problem. Wenn Unternehmen ihre Social-Media-Auftritte während des Pride Month in Regenbogenfarben tauchen, lenkt das die Aufmerksamkeit auf LGBTQ+-Themen und verstärkt die Wahrnehmung der Community in der Öffentlichkeit. Diese visuelle Solidarität sendet natürlich auf den ersten Blick eine wichtige Botschaft: Akzeptanz und Weltoffenheit. Regenbogen-Marketing kann also durchaus dazu beitragen, die Bewegung zu fördern und das Bewusstsein sowie die Akzeptanz in der Gesellschaft für diese Gemeinschaft zu erhöhen. So weit, so gut. Warum genau ist Rainbow Washing dann trotzdem problematisch?
Mehr Schein als Sein
Beim Rainbow Washing stecken Unternehmen viel Zeit, Aufwand und Geld in ihre Bemühungen, sich nach außen in ein positives Licht zu rücken. Und genau das ist das Problem: das „Außen“. Denn oft beschränkt sich diese Unterstützung der Unternehmen nur auf visuelle Gesten und geht nicht mit langfristigem Engagement oder echten Veränderungen in ihren Unternehmensrichtlinien einher.
Vertrauensverlust der Konsumentinnen und Konsumenten
Die Öffentlichkeit enttarnt bloßes Rainbow Washing schnell. Deshalb kann Rainbow Washing auch das Vertrauen in Pride-Marketing-Aktivitäten im Allgemeinen untergraben. Bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten entsteht dadurch der Eindruck, das Hauptziel solcher Kampagnen sei lediglich die Steigerung des eigenen Umsatzes durch die Ansprache eines “progressiven” Publikums. Und das hat auch negative Auswirkungen auf diejenigen Unternehmen, die tatsächlich substantielle und ehrliche Unterstützung für die LGBTQ+-Community leisten.
Ablenkung von echten Problemen
Einer der problematischsten Aspekte von Rainbow Washing ist, dass es von tatsächlichen, tiefgreifenden Problemen ablenkt, mit denen die LGBTQ+-Gemeinschaft konfrontiert ist. Viele dieser Kampagnen sind so gestaltet, dass sie maximale Sichtbarkeit erreichen. Wenn Unternehmen sich nur oberflächlich engagieren und die Gesellschaft glaubt, dass “genug getan wird”, lenkt das von tieferen Problemen innerhalb der Gemeinschaft – wie Diskriminierung, Gewalt und Ungleichheit – ab und schafft keinen strukturellen Wandel.
Rainbow sells?
Viele Unternehmen erhoffen sich mit Pride-Marketing, das Image bunter zu gestalten, die Verkäufe anzukurbeln und die Sympathie potenzieller Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Und tatsächlich definiert sich laut der LGBTQ+ Pride 2023 Studie mehr als jede:r zehnte Deutsche – genauer gesagt elf Prozent – selbst als Teil der LGBTQ+-Community (Quelle: lsvd.de). Diese Gemeinschaft repräsentiert also durchaus eine große, vielfältige und oft kaufkräftige Zielgruppe.
Hinzu kommen etliche Konsumentinnen und Konsumenten, die die Community unterstützen wollen – viele Unternehmen wittern da eine große Chance. Eine veröffentlichte Studie von Pilot Radar geht allerdings davon aus, dass diverse Markenbotschaften im Allgemeinen zwar gut ankommen, Pride-Kampagnen bei zwei Dritteln der Befragten jedoch keinen nachhaltigen Einfluss auf die Sympathiewerte der Marke haben (Quelle: pilot.de).
Marketing im Pride Month
Wenn Du Dich dazu entscheidest, Marketing rund um Pride Month zu betreiben (und es ernst meinst!), solltest Du natürlich alles dafür tun, Vorwürfe zu Rainbow Washing zu vermeiden. Dafür ist es wichtig, Dir erst einmal bewusst zu machen, worum es in diesem Monat eigentlich geht und welche Werte und Themen der LGBTQ+-Bevölkerung am Herzen liegen.
Ursprünge des Pride Month
Hinter den Regenbogenflaggen, Partys und Paraden steckt ein wichtiges Ereignis, das seinen Ursprung in den Stonewall-Unruhen hat. Am 28.06.1969, als die Polizei eine Razzia im Stonewall Inn, einer Gay-Bar in der Christopher Street in New York City, durchführte, fand eine bemerkenswerte Rebellion statt: Menschen der LGBTQ+-Community wehrten sich damals gegen die regelmäßigen Razzien und die anhaltende Diskriminierung seitens der Polizei.
Die Aufstände dauerten mehrere Tage an und markierten einen Wendepunkt in der Geschichte des Kampfes für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender und queeren Menschen. Um den Stonewall-Unruhen zu gedenken, finden während des Pride Months jedes Jahr im Juni eine Reihe von Veranstaltungen, Paraden, Protesten, Kundgebungen, Filmvorführungen und Diskussionsforen statt. Die Regenbogenfahne gilt als ein Symbol der LGBTQ+-Gemeinschaft und soll an die wichtigen Errungenschaften im Kampf um gleiche Rechte und Akzeptanz erinnern und für Solidarität zur Community stehen.
Checkliste: Do’s and Don’ts für Deine Pride-Kampagnen
Jeder Fehltritt kann zu einem wahren Shitstorm werden. Um authentisches Pride Marketing zu betreiben und Rainbow Washing zu vermeiden, solltest Du daher einige Grundsätze befolgen. Im Folgenden stellen wir Dir Fehler und Best Practices vor.
Engagement
Don’t: Nur im Juni aktiv sein
Pünktlich zum 1. Juni wird bei vielen Unternehmen der Regenbogen ausgepackt. Und genauso schnell wird er auch am 30. Juni und somit zum Ablauf des Pride Month wieder eingepackt – an den anderen elf Monaten im Jahr hat die LGBTQ+-Community keinen Platz im Content und wird nicht repräsentiert. Ein klares Zeichen, dass ein Unternehmen nur dem Trend folgt und kein ehrliches Engagement zeigt.
Do: Langfristige Verpflichtung
Der Pride Month findet zwar im Juni statt, aber der Kampf für Gleichberechtigung und die Probleme der LGBTQ+-Community sind ganzjährig ein wichtiges Thema. Eine authentische Pride Kampagne beschränkt sich daher nicht auf den Juni. Stattdessen sollten Unternehmen kontinuierlich Unterstützung zeigen und beispielsweise die Erlöse des Pride Month an LGBTQ+-Organisationen spenden.
Positiver Nebeneffekt des Engagements: Laut einer finnischen Studie agieren LGBTQ+-freundliche, ethisch und nachhaltige Unternehmen auf Dauer auch profitabler als andere (Quelle: onlinelibrary.wiley.com). Für Unternehmen, die in erster Linie “Money Money Money” am Ende des Regenbogens sehen, sollte das definitiv auch ein Anreiz sein, nicht nur Rainbow Washing zu betreiben, sondern sich aktiv für Diversität einzusetzen.
Beispiel: Happy Socks
Happy Socks ist ein Best Practice Beispiel für kontinuierliche und authentische Unterstützung der LGBTQIA+-Gemeinschaft. Mit ihrer dauerhaften Kooperation unter dem Motto “Always Walk With Pride” mit InterPride ehrt die Marke die Erfolge und Geschichten der LGBTQ+-Gemeinschaft. Ein besonderes Merkmal dieser Partnerschaft ist das “Always-on”-Spendenprogramm, bei dem kontinuierlich Profite aus jeder verkauften Socke der aktuellen Pride-Kollektion an InterPride fließen. Diese Kollektion ist zudem das ganze Jahr über erhältlich, was die langfristige Verpflichtung von Happy Socks zur Unterstützung der LGBTQI+-Rechte und deren Sichtbarkeit unterstreicht. Diese nachhaltige Initiative demonstriert, wie Unternehmen durch ganzjähriges Engagement und finanzielle Unterstützung einen bedeutenden und dauerhaften Beitrag zur Förderung von Gleichheit und Akzeptanz leisten können.
Sensibilität
Don’t: Klischees und Stereotype reproduzieren
Viele Unternehmen begehen den Fehler, Klischees, Stereotype und falsche Rollenbilder in ihrer LGBTQ+-Marketingstrategie zu reproduzieren. Eine solche Reduzierung auf einfache, leicht vermarktbare Bilder kann die ernsten Herausforderungen und Diskriminierungen, mit denen die Community konfrontiert ist, trivial erscheinen lassen und marginalisiert viele Mitglieder:innen der LGBTQ+-Community, deren Identitäten und Lebensstile nicht diesen Stereotypen entsprechen.
Beispiel: Burger King Austria
Burger King in Österreich hatte vor, während des Pride Month 2022 mit dem “Pride Whopper” ein Statement für die Gleichstellung aller Identitäten und sexuellen Orientierungen zu setzen. Die Kampagne stieß jedoch auf erhebliche Kritik. Denn der “Pride Whopper” unterscheidet sich geschmacklich nicht vom herkömmlichen Burger. Der einzige Unterschied liegt in den Brötchenhälften: Kundinnen und Kunden konnten wählen, ob sie zwei obere oder zwei untere Brötchenhälften erhalten möchten. Eine Anspielung auf den Stereotyp “Top” und “Bottom” – also die sexuelle Vorliebe als aktiver oder passiver Part. Diese Kampagne wurde weitgehend als unangemessen und unsensibel angesehen, da sie wichtige Aspekte der LGBTQ+-Identität auf sexuelle Rollen reduzierte und heterosexuelle Vorurteile auf homosexuelle Beziehungen projiziert.
Do: Diversität & Inklusivität vermitteln
Es ist wichtig, sich gründlich mit der Community auseinanderzusetzen und keine Stereotype zu bedienen, um nicht ungewollt in ein Fettnäpfchen zu treten. Inklusive und respektvolle Formulierungen und die Verwendung der korrekten LGBTQ+-Terminologie sind natürlich die Grundvoraussetzungen. Bei der Erstellung von Marketingmaterialien und Social-Media-Content ist es außerdem wichtig, verschiedene Geschlechteridentitäten, sexuelle Orientierungen, Ethnien und Körperdarstellungen zu repräsentieren und darauf zu achten, dass sich LGBTQ+-Personen authentisch vertreten fühlen.
Authentizität
Don’t: Nur leere Worte
Bei vielen Unternehmen, die ihr Logo nur während des Pride Month ändern oder spezielle Pride-Accessoires verkaufen, fehlt es an der Durchdringung dieser symbolischen Gesten im Arbeitsalltag. Oft entsteht eine kulturelle Dissonanz, da Unternehmen beispielsweise in Ländern produzieren, in denen Homosexualität verboten oder gesellschaftlich stark stigmatisiert ist.
Um ihre Marketingstrategien während des Pride Month zu untermauern, nutzen manche Unternehmen, die sich des Rainbow Washing bedienen, auch gezielt einzelne Mitarbeiter:innen als „Testimonials“. Diese sollen öffentlich die angebliche LGBTQ+-Freundlichkeit des Unternehmens loben. Das Problem: Über Social Media Postings von (Ex-)Mitarbeiter:innen oder Arbeitgeber-Bewertungsportale kommt schnell ans Licht, dass es sich um lediglich Rainbow Washing handelt.
Beispiel: Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Trotz der Verwendung von Regenbogenlogos und diversen Aktionen zur Unterstützung der LGBTQ+-Gemeinschaft zeigt sich bei den Berliner Verkehrsbetrieben eine Kluft zwischen öffentlicher Darstellung und interner Unternehmenskultur: Die ehemalige Vorstandsvorsitzende, Eva Kreienkamp, die offen lesbisch lebt, wurde im vergangenen Jahr freigestellt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung deutete sie an, dass eine homophobe Stimmung im Aufsichtsrat eine Rolle gespielt haben könnte. Gleichzeitig wurden Stimmen und Berichte über eine teilweise homophobe Unternehmenskultur laut, die betroffene Mitarbeiter:innen diskriminieren soll.
Diese Vorfälle stehen in starkem Kontrast zu den öffentlichen Imagekampagnen der BVG, die seit Jahren Vielfalt und Akzeptanz propagieren und zeigen, dass wirkliche Inklusion und Gleichberechtigung mehr erfordern als nur symbolische Gesten und Marketingmaßnahmen.
Do: Aufrichtige Beteiligung an LGBTQ+-Themen
Authentizität ist der Schlüssel für erfolgreiches Pride Marketing. Unternehmen sollten ihre Unterstützung für die LGBTQ+-Community ehrlich und aufrichtig zum Ausdruck bringen und auch intern umsetzen: Bei der Auswahl von Werbepartnern und Lieferanten gilt es darauf achten, dass sie LGBTQ+-freundlich sind. Ein wichtiger Punkt ist zudem ein inklusives Arbeitsumfeld: Um strukturelle Veränderungen zu implementieren, die eine inklusive Kultur fördern und aufrechterhalten, sollten Unternehmen beispielsweise Schulungen zur Sensibilisierung anbieten, Netzwerke und Ressourcengruppen für LGBTQ+-Mitarbeiter:innen schaffen sowie Antidiskriminierungsrichtlinien am Arbeitsplatz konsequent durchsetzen.
Win-Win: Dieses Engagement verbessert nicht nur die positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, es fördert auch das Image als guter Arbeitgeber – nicht nur bei der Community!
Fazit
Bei der Durchführung von Marketingaktivitäten im Zusammenhang mit dem Pride Month gibt es wichtige Do’s and Don’ts zu beachten, um nicht – absichtlich oder unabsichtlich – Rainbow Washing zu betreiben.
Das Wichtigste ist, Dich selbst zu hinterfragen und kritisch zu prüfen, ob Deine Maßnahmen wirklich im Einklang mit der LGBTQ+-Community stehen. Du solltest Dir bewusst sein, dass Diversität und Inklusion keine Punkte auf einer To-Do-Liste sind, die schnell mal abgearbeitet werden können. Deine Bemühungen um Unterstützung und Solidarität mit der LGBTQ+-Community müssen authentisch, kontinuierlich und nachhaltig sein und zu einem langfristigen Commitment werden. Nur dann kommen diverse Marketingbotschaften auch wirklich gut an und sorgen für langfristige Sympathiewerte.
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