Recruitment Marketing – wenn Du das zum ersten Mal hörst, kannst Du Dir im ersten Moment vielleicht gar nichts darunter vorstellen. Dabei verbirgt sich dahinter etwas, das die meisten Unternehmen aktuell vor große Herausforderungen stellt. Beim Recruitment Marketing geht es um eine Strategie für die Auswahl, Ansprache und Gewinnung von Fach- und Führungskräften, noch bevor diese sich selbst aktiv auf einen Job bewerben. Die Ansätze und Tools dafür sind nicht alle neu und kommen größtenteils aus dem klassischen Marketing.
Zwar gehören Marketingmaßnahmen wie etwa das Schalten von Stellenanzeigen schon lange zu einem gelungenen Recruiting-Prozess, dass Strategien, Tools und Funktionen des Marketings aber ganz bewusst für das Recruiting eingesetzt werden und Kernelement des Prozesses werden, ist eine recht neue Entwicklung. Diese Veränderung im Recruitment findet nicht ohne Grund gerade jetzt statt und hat sich in den letzten Monaten sogar deutlich beschleunigt.
Der Recruiting-Markt ist seit 2020 im Umbruch
Eine Stellenanzeige zu schalten und zu hoffen, dass sich geeignete Kandidaten schon melden werden: Dieses „Post and Pray“ genannte Vorgehen gehört der Vergangenheit an. Der Bewerbermarkt gerade im Fach- und Führungskräfteumfeld hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Es geht immer stärker weg vom Arbeitgebermarkt, hin zu einem Bewerbermarkt, in dem die Regeln von den potentiellen Mitarbeitern gesetzt werden. Altbekannte Strukturen und Strategien müssen in Frage gestellt werden, wenn Unternehmen weiterhin qualifizierte Kandidaten für sich gewinnen möchten.
Recruitment Marketing ist nicht das Allheilmittel für alle Herausforderungen, denen sich Personalverantwortliche bei der Gewinnung von neuen Fachkräften gegenübergestellt sehen. Es schafft aber ganz sicher neue Perspektiven und Ansatzmöglichkeiten, die Arbeitgeber für ihre Personalgewinnung für sich nutzen können. Sich das Potenzial dieser Herangehensweise zu erschließen, ist meiner Meinung nach unumgänglich für nachhaltigen Recruiting-Erfolg und bessere Mitarbeiterbindung in schwierigen Zeiten.
Recruitment Marketing – was ist das also konkret?
Zum Recruitment Marketing zählen alle Einzelmaßnamen, die vor dem eigentlichen Bewerbungsprozess stattfinden, also beispielsweise:
- die eigene Arbeitgebermarke aufbauen, Employer Branding betreiben
- Reichweite erhöhen, Follower auf Online-Netzwerken generieren
- die Karrierewebsite des Unternehmens optimieren und aktuell halten
- geeigneten Content entwickeln
- die relevanten Kanäle definieren
- eine stimmige, ganzheitliche Candidate Journey gestalten
- Candidate Personas definieren
- qualifizierte Bewerbungen generieren
- Kandidatenbeziehungen aufbauen und pflegen
- potenziellen Kandidaten Karrieremöglichkeiten aufzeigen
- (Ex-)Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen
- Kampagnenergebnisse verfolgen, KPIs messen und analysieren
Recruitment Marketing ist ein auf lange Sicht angelegtes Unterfangen. Es geht nicht um die Ad-hoc-Besetzung einer vakanten Stelle, womit der Job erledigt wäre. Recruitment Marketing erzählt die Employer Brand Story auf den geeigneten Kanälen, um einen Pool an möglichen Kandidaten zu erstellen und gefüllt zu halten, um die Personalbedürfnisse von heute und morgen gut, schnell und leicht erfüllen zu können.
Gründe, warum sich Recruitment Marketing gerade jetzt entwickelt
Die Veränderungen im Recruitment-Markt finden nicht ohne Grund statt – und auch nicht ohne Not. Der allgemeine Fachkräftemangel, der fast alle Branchen betrifft, der demografische Wandel, die Digitalisierung und veränderte Erwartungen vor allem junger Kandidaten an den Arbeitgeber machten und machen einen Wandel im Mindset der Personalverantwortlichen erforderlich. Die Corona-Pandemie hat die Lage weiter verschärft, denn nun fallen auch Karriere- und andere Bewerbermessen weg, mit denen Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen konnten.
Personalverantwortliche in Unternehmen sehen sich nun einem Bewerbermarkt gegenüber. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal übersteigt das Angebot an geeigneten Kandidaten deutlich. Deshalb bewerben sich nicht mehr die Kandidaten beim Unternehmen, sondern immer öfter bewerben sich Unternehmen bei Kandidaten. Der Wettbewerb hat sich von Kandidatenseite (um begehrte Stellen) auf Unternehmensseite (um begehrte Talente und Fachkräfte) verlagert.
Hinzu kommt ein verändertes Bewerberverhalten. Kandidaten sind es schlicht gewöhnt, auf Unternehmen und potenzielle Arbeitgeber genau auf den Wegen aufmerksam zu werden, auf denen sie auch Produkte, Hotels und Restaurants entdecken. Diese Wege sind beispielsweise Onlinesuchen, das Nutzen sozialer Medien oder das Lesen von Bewertungen anderer (im Falle des Recruitings z. B. auf Arbeitgeberbewertungsseiten). Während die möglichen Kandidaten diese Wege begehen, formt sich in ihrem Kopf ein Bild von einem Unternehmen. Ist es positiv, wird ein Kandidat ein Jobangebot dieses Unternehmens viel eher in Betracht ziehen, als wenn er oder sie einen schlechten Eindruck von dem Unternehmen bekommen hat. Hier wird sehr deutlich, warum Recruiting heute so viel mit Marketing zu tun hat: weil sich Kandidatenverhalten und Konsumentenverhalten einander angenähert haben.
Vorteile: wie Dein Unternehmen von Recruitment Marketing profitiert
Eine von sieben Einstellungen erfolgt über die aktive Ansprache potenzieller Kandidaten. Hier schlummert ein riesiger Kandidatenpool, der über Stellenanzeigen und herkömmliche Bewerbungsverfahren kaum erreichbar ist! Recruitment Marketing ist die Chance, Zugang zum passiven Stellenmarkt zu erhalten.
Fachkräfte auf aktiver Jobsuche bewerben sich in der Regel nicht nur bei einem Unternehmen, sondern treten mit einer Handvoll oder auch mehr potenziellen Arbeitgebern in Kontakt. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen Stellenanzeigen schaltet und in der glücklichen Lage ist, dass eine vielversprechende Fachkraft sich darauf bewirbt, so tritt das Unternehmen augenblicklich in Konkurrenz zu all den anderen Unternehmen, bei denen die Fachkraft sich ebenfalls beworben hat. Es besteht die Gefahr, dass eines der anderen Unternehmen ein besseres Angebot macht – die Fachkraft entscheidet sich für das andere Unternehmen. Anders ist die Lage im Recruitment Marketing: Hier hat das Unternehmen bereits im Vorfeld eine positive Arbeitgebermarke aufgebaut. Wenn es dann noch mittels Active Sourcing direkt auf Bewerber zugeht, ist es das einzige (oder zumindest eins von wenigen), mit dem der Kandidat spricht. Das erhöht die Chancen auf einen Vertragsabschluss enorm.
Recruitment Marketing nutzt selbstverständlich, wie im klassischen Marketing seit vielen Jahren üblich, auch Online- und Social-Media-Marketing auf LinkedIn, Xing, Facebook und andere Plattformen – und erschließt damit ein riesiges Reservoir: 32 % der möglichen Kandidaten haben sich noch nie auf einer Jobbörse umgesehen. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht einem Job bei einem positiv konnotierten Unternehmen gegenüber unaufgeschlossen wären. Sie werden eben nur mit einer herkömmlichen Stellenanzeige nicht erreicht.
Strategie: wie Dein Unternehmen sein Recruiting neu aufstellen kann
Recruitment Marketing knüpft ein Band zu potenziellen Kandidaten, die mit Hilfe von positiven Candidate Experiences von der Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber überzeugt werden. Erfolgreiches Recruitment Marketing schafft es, eine Pipeline potenzieller Kandidaten vorzuhalten, sodass freiwerdende Stellen sehr schnell aus dem Bewerberpool besetzt werden können. Während traditionelles Recruiting erst dann aktiv wird, wenn eine Stelle vakant ist, ist die eigentliche Arbeit des Recruitment Marketings dem vorgelagert. Gilt es eine Stelle zu besetzen, muss der Auswahl- und Bewerberprozess lediglich final vollzogen werden.
Recruitment Marketing geht aber über das Besetzen offener Stellen deutlich hinaus. Einer der größten Unterschiede zum traditionellen Recruiting liegt im gezielten Aufbau der Arbeitgebermarke. Potenzielle Bewerber sollen auf das Unternehmen aufmerksam werden und eine Arbeitsstelle dort als so attraktiv empfinden, dass sie sich in den Talent Pool des Unternehmens aufnehmen lassen möchten. Ist der Kandidat im Bewerberpool gelandet, gilt es, eine Beziehung zu ihm aufzubauen und sie zu pflegen. Dafür wird er regelmäßig Informationen aus dem Unternehmen erhalten und ggf. für ihn passende Jobangebote. Wenn es so weit ist, stellt das Recruitment Marketing sicher, dass der Kandidat auch während des eigentlichen Bewerbungs- und Auswahlprozesses sowie darüber hinaus eine stimmige und positive Candidate Journey hat. Auch nach der erfolgreichen Einstellung bleibt der ehemalige Bewerber wichtig und interessant fürs Recruitment Marketing, denn Mitarbeiter sind wunderbare Multiplikatoren.
Maßnahmen: im Prinzip alles schon dagewesen
Wie ist das alles denn nun zu erreichen? Nun, eben weil Bewerber- und Konsumentenverhalten einander so ähnlich geworden sind, kann das Recruitment Marketing auf die bewährten Strategien und Tools aus den seit vielen Jahren bewährten Marketingaktivitäten zurückgreifen. Das macht die Sache deutlich einfacher. Eine gute Stellenanzeige (ja, die gibt es auch noch!) nutzt heute beispielsweise SEO-Tools, um die passenden Keywords in der geeigneten Anzahl zu setzen, damit Interessenten bei ihrer Onlinesuche ganz sicher auf die Anzeige stoßen. Recruitment Marketer können sich vom herkömmlichen Marketing auch abschauen, wie Betreffzeilen in Karriere- oder Job-Newslettern formuliert sein sollten, um möglichst hohe Öffnungsraten zu erzielen.
Ganz besonders wichtige Elemente aus der Marketing-Toolbox sind für das Recruiting Marketing die folgenden:
Content
Interessenten werden mit Inhalten angesprochen, die zu ihrem Interesse passen und das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber präsentieren. Dieser Content variiert – je nachdem, ob ich junge Talente oder Führungspersönlichkeiten mit jahrelanger Berufserfahrung ansprechen möchte. Der Content richtet sich auch daran aus, an welcher Stelle der Candidate Journey sich der Kandidat gerade befindet, um mögliche Fragen während seiner Jobsuche optimal zu beantworten.
Leads
Qualifizierte Kontakte sind in jeder Marketing-Sparte eine wichtige Währung – so auch im Recruitment Marketing. Kandidaten-Leads erhalten Recruiting Marketers beispielsweise über Active Sourcing, die Karriereseite des Unternehmens, Newsletter, Veranstaltungen u. v. m. Zur Verwaltung und Auswertung der Leads empfiehlt sich ein Lead Management System, das vorab klar definierte KPIs enthält.
Channels
Die Frage, wo es die besten und meisten Leads gibt, bestimmt die Auswahl der geeigneten Kanäle. Wo ist die Zielgruppe unterwegs (online und offline)? Dort müssen die Recruiting-Marketing-Aktivitäten gebündelt sein.
Analyse
Professionelles Recruitment Marketing sucht immer nach Verbesserungsmöglichkeiten: Wo gingen Bewerber verloren? Wie kann die Conversion Rate erhöht werden? Geeignete Analysetools zeigen es.
Zeitlicher Ablauf
Recruiting Marketing lässt sich auf der Zeitachse in fünf verschiedene Phasen darstellen.
Attract
In der ersten Phase gilt es, Aufmerksamkeit zu erregen und den ersten Kontakt herzustellen. Bisher unbekannte Menschen werden zu Interessenten des Unternehmens. Dies kann über viele Wege erreicht werden, z. B. Active Sourcing, SEO-Maßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, Anzeigen bei Jobbörsen oder in Social Media und auch über eine gut gepflegte und aktuelle Karriereseite.
Convince
Ist das Interesse geweckt, gilt es die Interessenten vom Unternehmen zu überzeugen und ein positives Bild des Unternehmens in den Köpfen zu erzeugen. Gelingt das, sind die Interessenten wahrscheinlich bereit, ihre Kontaktdaten zu übermitteln. Dies kann über die Registrierung zu einem Karriere-Newsletter geschehen, über ein Pop-up, das zur Eintragung in den Talent Pool auffordert, über ein Job-Abo, das regelmäßig über vakante Stellen informiert u. v. m.
Win
Ziel des dritten Schrittes ist, geeignete Kandidaten nun zur Bewerbung zu motivieren. Hier spielt die Karriereseite eine elementare Rolle: Knapp 70% der Jobsuchenden informieren sich einer Studie von Personalmarketing2null.de zufolge auf der Unternehmenswebseite über Benefits, Karrierepfade, Weiterbildungsmöglichkeiten, Unternehmenswerte und die potentiell künftigen Kollegen.
Hire
Im vierten Schritt werden aus den Bewerbern diejenigen ausgewählt, die schließlich eingestellt werden. Teil des Recruitment Marketings ist es, einen optimalen Bewerbungsprozess zu managen und eine positive Candidate Experience sicherzustellen. Das Unternehmen muss jederzeit klar kommunizieren und über den Stand der Dinge informieren – und zwar bei allen Bewerbern, auch denjenigen, deren Profil nicht zur Stelle passt.
Spread
Das erfolgreichste Recruitment Management hört nach dem vierten Schritt nicht auf. Mitarbeiter sind wertvolle Multiplikatoren. Es ist davon auszugehen, dass sich in ihrem Umfeld ein signifikant höherer Anteil an weiteren interessanten Kandidaten befindet als im Rest der Gesellschaft. Deshalb gilt es, Mitarbeiter vom ersten Tag an für das Unternehmen zu begeistern, damit sie zu Fürsprechern für das Unternehmen werden. Idealerweise spiegelt sich das auch ganz publik in den gängigen Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu wider. Insofern ist Recruitment Management auch Reputation Management. Und: Im Recruitment Marketing bricht der Kontakt zu den Bewerbern, die es ganz knapp nicht geschafft haben, nicht ab. Nur, weil dieses Mal jemand anderes die berühmte Nasenlänge voraus war, bedeutet das nicht, dass die zweit- und drittplatzierten Bewerber nicht für eine später zu besetzende Stelle äußerst wertvolle Kontakte sein könnten.
Und wer setzt das im Unternehmen um?
Da Recruitment Marketing eine relativ neue Disziplin ist, gibt es noch nicht viele Recruitment Marketer. Mitarbeiter, die Recruitment Marketing im Unternehmen umsetzen, kommen meist entweder aus dem Recruiting oder aus dem Marketing und eignen sich den jeweils anderen Aspekt an. Sich in Richtung Recruitment Marketing weiterzuqualifizieren, scheint mir ein sinnvoller Karriereschritt zu sein – Bedeutung von und Bedarf an Recruitment Marketing werden sich meiner Einschätzung nach in den kommenden Jahren deutlich vergrößern. In den USA verdienen Recruitment Marketer übrigens schon jetzt 15–40 % mehr als ihre Kollegen im Talent Acquisition oder HR-Team.
Schneller als Personalabteilungen in Unternehmen sind in der Regel externe Agenturen. Gerade für die Anfangsphase, in der auf Recruitment Marketing umgestellt wird, kann es überaus sinnvoll sein, wenn sich Unternehmen Hilfe von außen holen.
7 Tipps für erfolgreiches Recruitment Marketing
- Arbeite den Employer Value Proposition (EVP) sauber heraus: Was unterscheidet Dein Unternehmen von anderen? Was macht es als Arbeitgeber besonders attraktiv?
- Erstelle Bewerber-Personas: Junge Talente brauchen eine andere Ansprache und anderen Content als Führungspersönlichkeiten mit langer Berufserfahrung.
- Ermittle sehr genau, wo Deine Zielgruppe unterwegs ist. Der beste Content bringt nichts, wenn Du ihn über einen unpassenden Kanal sendest.
- Spare nicht am Content. Der Content ist das Vehikel, mit dem Du nach dem AIDA-Prinzip Aufmerksamkeit, Interesse und Verlangen von potenziellen Kandidaten weckst und sie zu einer Handlung (Einschreiben in den Newsletter, Abschicken einer Bewerbung etc.) animierst.
- Spiele die Candidate Journey aus Bewerbersicht durch: Sie soll in sich stimmig sein und an allen Touch Points eine positive Candidate Experience vermitteln.
- Recruiting Marketing endet nicht mit der Einstellung des Bewerbers. Mach den Bewerber zu einem Markenbotschafter für Dein Unternehmen und halte den Kontakt zum Silbermedaillengewinner aufrecht.
- Verfolge, messe und analysiere Deine Recruiting Marketing-Kampagnen, um daraus zu lernen und immer besser zu werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen
Herzlichen Dank für diesen großartigen Artikel zum Thema Social Recruiting Marketing. Seit 2018 sind wir mit einer eigenen Firma an dem Thema dran und können Dir nur absolut zustimmen, liebe Alenka. Das sind auch wertvolle 7 Tips rund um das Thema Recruitment Marketing.