Kaum einen Bereich hat das Aufkommen des Internets so stark verändert wie den Vertrieb. Hat man früher seinen Versicherungsberater angerufen und einen Termin vereinbaren müssen, werden Versicherungen heute transparent online verglichen und direkt am PC abgeschlossen. Der Online Vertrieb hat in vielen Teilen die Art des Verkaufens grundlegend verändert.
Doch nicht alles, was im klassischen H2H (Human 2 human) Vertrieb funktioniert (hat), ist heute irrelevant. In diesem Artikel schauen wir uns 5 Teilbereiche des Verkaufs näher an und zeigen dir die mögliche Anwendung im Online Vertrieb.
1. Der Kunde kauft nicht das Produkt, sondern den Verkäufer.
Laut einer Analyse des Bundesverbandes Bitkom ist für 49% der Befragten die Website des Anbieters ein entscheidendes Kriterium für einen Kauf. Damit ist der Verkäufer, also dessen Website, für jeden Zweiten relevant. Schauen wir uns einen „guten“ Verkäufer etwas näher an.
Kleider machen Leute
– das wurde bereits im 19. Jahrhundert in der deutschsprachigen Literatur erwähnt. Ein Spitzenverkäufer kleidet sich stets, gemessen an seiner Zielgruppe, stilsicher, aber nicht overdressed. Zerknitterte Hemden, verschlissene Schuhe oder Flecken im Sakko trüben den ersten Eindruck.
Gleiches gilt im Online Vertrieb. Dabei ist es ganz egal, ob es sich um einen umsatzstarken Online-Shop oder regionalen Dienstleister handelt. Was in der Programmierung die Code-Hygiene ist, stellt beim Webdesign das gelungene Layout dar.
Folgende Fragen solltest Du dir bei der Betrachtung deiner Website stellen:
Ist mein Design an meine Zielgruppe angepasst?
Es ist wichtig, seine Zielgruppe ganz genau zu kennen und dies auch bei der eigenen Website umzusetzen. Der Verkäufer eines Skateshops im Maßanzug mit Schlips und Einstecktuch ist genauso fehl am Platz wie ein Außendienstmitarbeiter für Hochpreis-Produkte in T-Shirt und Bermudas.
Dennoch überfordern beispielsweise Mittelständler im B2B die Besucher Ihrer Website mit aufwendigen Webdesigns á la Apple. Diese sind jedoch nicht mehr als eine Selbstbeweihräucherung des Unternehmens und man wundert sich dann, warum die Investition in den Online Vertrieb keine Früchte trägt. Gleichzeitig sollte aber auch kein Onlineshop-Baukasten zum Vertrieb von 5.000 Produkten genutzt werden.
Gibt es Fehler im Responsive Design?
Die Internetnutzung verlagert sich mehr und mehr auf mobile Endgeräte. Trotzdem legen immer noch viele Online Marketer den Fokus auf die Desktop-Variante ihrer Website. Ein Fehler, der sich sowohl negativ auf mögliche Conversions als auch für das Ranking auswirken kann. Ein Tipp: Die gängigsten Auflösungen in Google Analytics identifizieren und mit entsprechenden Endgeräten testen.
Erzeuge ich einen stimmigen ersten Eindruck?
Hat man Kontakt mit einem Verkäufer, so identifiziert man diesen entweder sofort als solchen, oder aber der Verkäufer stellt sich als Erstes persönlich vor. Im Online Vertrieb hingegen wird man in vielen Fällen sofort mit schnell wechselnden Slides, Newsletter und DSGVO Pop-Ups oder nichtssagenden Floskeln begrüßt. Der Bereich above the fold sollte die maximale Aufmerksamkeit erhalten und den Nutzer genau da abholen, wo Du ihn eingesammelt hast.
2. Wer nicht auffällt, fällt weg.
Online sind nahezu alle Konsumgüter und viele Dienstleistungen schnell und einfach vergleichbar. Oft sind Produkte bei zahlreichen Online-Shops zum selben oder annähernd selben Preis zu erwerben. Welche Gründe lieferst Du den Besuchern deiner Website genau bei dir zu kaufen?
Sind Dienstleistungen, Produkte und deren Preise mit der Konkurrenz vergleichbar, so provoziert man schlichtweg als einziges Unterscheidungsmerkmal den Preis zu nutzen. Es sollte daher stets gelingen, dass der Besucher deiner Website die Wertigkeit deines Produkts über die des Wettbewerbs stellt. Das klare Ziel ist es, den Besucher und potentiellen Kunden in einem oder vielen Punkten Unterschiede empfinden zu lassen.
Der Weg zum guten! USP ist lang und beschwerlich, allerdings lohnt sich die harte Arbeit und wird in der Regel mit einem Plus an Leads, Sales oder Traffic belohnt. Wer Probleme hat, über die Standards dynamisch, transparent und erfahren hinauszudenken, dem sei das Ebenen-Modell von Karl Kratz empfohlen.
3. Ein guter Verkäufer zieht Empfehlungen
Über viele Jahrzehnte – ja sogar über viele Jahrhunderte hinweg – war die Empfehlung das Akquise-Tool Nr. 1. War man auf der Suche nach etwas Neuem, egal ob Handwerker, Bratpfanne oder Sportschuh, hat man Personen im engsten Kreis um Rat gefragt.
Auch heute noch sind z.B. Versicherungsmakler nahezu ausschließlich auf Basis von Empfehlungen unterwegs und fragen aktiv nach einer Empfehlung beim eigenen Kunden. Wer wirklich zufrieden ist, gibt diese gern.
Doch wie sieht das ganze im Online Vertrieb aus?
In der Regel kümmern sich vor allem lokale Unternehmen sehr eingeschränkt um die aktive Empfehlungsnahme. Ein großer Fehler, denn für viele potentielle Kunden sind Bewertungen, sofern Sie denn authentisch sind, ein weiteres Entscheidungskriterium für die Kontaktaufnahme. Stattdessen werden immer die gleichen Ausreden genutzt (mich bewertet keiner, meine Kunden haben kein Google Konto, ich habe die Mailadresse nicht…) und das Potential unterschätzt. Natürlich muss man sich im Vorfeld Gedanken machen, wie man eine Bewertung bekommen kann, da diese einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Kunden darstellt. Hat man sich aber einmal Gedanken gemacht und integriert die Empfehlungsnahme aktiv in die bestehenden Prozesse, so wird man über die Zeit eine gute Anzahl an positiven Bewertungen sammeln können. Gleichzeitig erhält man wertvolles Feedback fürs eigene Unternehmen. Und alle, die sagen: „Die bewerten mich alle schlecht, deshalb mache ich sowas nicht mehr“ sollten den Fehler eher im eigenen Unternehmen und weniger an Bewertungen an sich suchen.
4. Kenne deinen Wettbewerb
Jeder Geschäftsführer oder jede Führungskraft kennt diese nervigen Anrufe von Verkäufern, die mit dem reinen „Runterrattern von angeblichen Alleinstellungsmerkmalen“ ihr Produkt oder ihre Dienstleistung verkaufen wollen. Doch nur Wenige machen im Vorfeld ihre Hausaufgaben und wissen wirklich umfangreich über die Anforderungen der potentiellen Kunden Bescheid. Was in der Evolutionstheorie gilt, gilt auch für den Online Vertrieb: Survival of the fittest.
Ein guter Verkäufer gibt mir zu jedem Zeitpunkt das Gefühl, dass ich seine volle Aufmerksamkeit genieße und beantwortet meine Fragen, bevor ich sie gestellt habe. Sobald ich eine Leistung eines Mitbewerbers nenne, kann mir ein guter Verkäufer sofort sagen, wie dies im Vergleich zu seinem Produkt zu werten ist. Außerdem kann er mir sagen wieso ich mich dennoch für ihn entscheiden sollte. Bin ich nun nicht vorbereitet und weiß nicht genau was mein Mitbewerber anbietet, habe ich das Verkaufsgespräch an dieser Stelle verloren.
Was tun?
Mach deine Hausaufgaben und analysiere deine Wettbewerber im Detail: Warum ranken diese organisch besser? Warum schalten sie zu ganz anderen Begriffen Google Ads? Warum haben sie einen ganz anderen Webseiten-Aufbau? Analysiere die Preise und die darin enthaltenen Leistungen. Abonniere den Newsletter und schau dir an, ob und wie das Emailmarketing funktioniert, welche Ansprache gewählt wird und wie deine Mitbewerber versuchen, sich vom Markt abzuheben.
Beachte aber bitte, dass Mitbewerber nicht gleich Mitbewerber ist. Viele B2B Unternehmen versteifen sich zu stark auf die bereits seit Jahrzehnten bekannte Konkurrenz. Dabei vernachlässigen sie die Mitbewerber bei Google, die oft komplett andere Unternehmen sein können. Da heißt es dann oft: „Ja, aber die haben ein ganz anderes Produkt“. Dies mag vielleicht richtig sein, aber dennoch ranken diese Unternehmen und sind dort sichtbar wo ich eigentlich hinmöchte. Deshalb muss ich mich auch mit solchen Unternehmen messen.
5. Ohne After Sales Motivation geht nix.
Was im Online Vertrieb die fehlende After Sales Motivation ist, wird im klassischen Vertrieb oft auch AUA-Methode genannt, also das Anhauen, Umhauen und Abhauen des Kunden. Was im B2C teilweise schon recht gut funktioniert, genießt im B2B zum größten Teil noch Exotenstatus. Nach dem Kauf ist vor dem Kauf – dementsprechend sollte auch das Online Marketing mit all seinen Möglichkeiten ausgerichtet sein. Weg von grünen Balkendiagrammen, Indizes und Keyword-Reiterei und zurück zum Vertrieb zwischen Menschen mit Intuition, Leidenschaft und echten Gefühlen. Denn man darf nicht vergessen: Online Marketing ist vor allem Eines – Mittel zum Zweck! Und trotzdem versteifen sich Unternehmen mit starkem Fokus im Online Marketing nahezu ausschließlich auf die Neukundengewinnung. Dabei vernachlässigen sie die Tatsache, dass Bestandskunden zu reaktivieren in der Regel viel günstiger ist, als neue zu akquirieren.
Doch wie soll man den Kunden nach dem Kauf motivieren?
Ein Beispiel: Mittelstand B2B
Heute hat in der Regel jedes Unternehmen die Emailadresse des Kunden. Das Einverständnis vorausgesetzt, eignet sich diese perfekt, um After Sales Motivation im Online Vertrieb zu betreiben. Ein Ablauf könnte wie folgt aussehen:
Abschluss des Vertriebsprozesses (Kunde hat Produkt gekauft und erhalten)
Beginn einer exemplarischen After Sales Motivation:
- Kurz nach dem Kauf: Versand einer Mail mit Feedback-Bitte zum bisherigen Verlauf. Da der Kunde das Produkt erst vor Kurzem erworben hat, sollte die Zufriedenheit an dieser Stelle hoch sein. Je nach Produkt, kannst Du bereits um eine Google Bewertung bitten.
- Nach 3 – 6 Monaten (Zeitraum sollte getestet werden) wird eine PDF oder ein Link auf die Website mit „5 Dinge, die Sie mit Ihrem Produkt XYZ noch nicht ausprobiert haben“ verschickt. Der Inhalt darf durchaus amüsant sein und sollte auf werbenden Charakter verzichten.
- Nach weiteren 3 – 6 Monaten kommt eine E-Mail mit Details, z.B. wie viele Arbeitsstunden oder wie viel Material der Kunde bisher schon gespart hat. Die Details gehören im Vorfeld natürlich genau recherchiert und attraktiv aufbereitet.
- Nach einem Jahr darf dann gratuliert werden. „Herzlichen Glückwunsch“ könnte der Betreff der E-Mail lauten, in welchem Du den Kunden darauf hinweist, dass er das Gerät heute seit exakt einem Jahr in Betrieb hat.
Mit einer solchen Vorgehensweise bleibt man beim Kunden im Gedächtnis und erinnert regelmäßig daran, dass er beim Kauf die richtige Entscheidung getroffen hat. All diese E-Mails bzw. nahezu die gesamte After Sales Motivation (sofern ähnlich der oben vorgestellten) läuft zu 100% automatisiert und bedarf keinerlei manueller Arbeit mehr. Der Initialaufwand darf aber nicht unterschätzt werden.
Fazit
Das Verkaufen hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Aktuell existieren beide Arten des Verkaufs parallel. Dies wird wahrscheinlich auch noch einige Jahre so bleiben. Doch langfristig wird der Verkauf über das Internet gewinnen und Termine mit dem Versicherungsverkäufer nach der Arbeit genauso überflüssig machen wie den Verkäufer im Autohaus. Die Frage ist: wo steht dein Unternehmen, wenn es soweit ist? Schaffst Du es, potentielle Kunden über deine Website so zu begeistern, dass diese ohne vorherigen Kontakt eine Anfrage senden oder direkt kaufen? Dass sich Bestandskunden auch Jahre nach dem Kauf an dich erinnern und erneut Kunde werden? Dass Du im transparenten Vergleich über das Internet stets die Nase vorn hast? Und das nicht, weil dein Produkt einfach nur besser ist, sondern weil Du verstehst in Zeiten des Internets den Online Vertrieb mit Fokus auf den Menschen voranzutreiben. Suche ruhig auch mal den Kontakt zu Verkäufern und finde heraus wie sie ihre Kunden begeistern. Vielleicht findest Du interessante Anregungen für die Anwendung in deiner Online Marketing Strategie.
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