Wie Du mit KI-Unterstützung aus dem BFSG-Muss ein BFSG-Plus machen
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz BFSG) verpflichtet erstmals auch private Wirtschaftsakteure zu mehr digitaler Barrierefreiheit. Zum einen müssen Produkte und Dienstleistungen, die für den Zugang zum Internet oder für die Anbahnung und Abwicklung von Geschäften im Internet genutzt werden, bis zum 28.06.2025 barrierefrei sein. (Quelle: barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de)
Produkte sind beispielsweise Computer oder Smartphones. Dienstleistungen, die unter das BFGS fallen, sind zum Beispiel Dienstleistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs oder Bankdienstleistungen.
Betroffen sind aber nicht nur die Hersteller, Importeure und Händler der Produkte oder die Anbieter der Dienstleistungen. Das BFGS greift viel weiter: Denn auch Unternehmen, Verbände und sogar Vereine, die E-Commerce betreiben, müssen ab dem 29.06.2025 ihre Onlineshops, die dazu benötigten Dokumente sowie Webseiten barrierefrei(er) gestalten.
Das höhre Ziel des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ist es, Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen – Seh- oder Hörbehinderungen sowie motorischen oder kognitiven Einschränkungen – die digitale Teilhabe zu ermöglichen. Dazu gehören Menschen mit dauerhaften, vorübergehenden oder auch nur situationsbedingten Beeinträchtigungen.
Disclaimer:
Die Informationen (Stand September 2023) stellen eine Orientierungshilfe dar – sie sind keine Rechtsberatung. Außerdem können die Forderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes angepasst oder erweitert werden.
Check: Fällst Du unter das Barrierefreiheitsgesetz?
Das Barrierefreiheitsgesetz wurde erlassen, um die Rechte der Verbraucher:innen in Europa zu stärken. Daher betrifft das Barrierefreiheitsgesetz rein rechtlich nur Unternehmen, die sich mit dem Kauf und Verkauf von Dienstleistungen und Waren an Verbraucher:innen wenden.
Unternehmen, die im B2B-Bereich tätig sind, können grundsätzlich erst einmal aufatmen. Aber auch jenseits der gesetzlichen Verpflichtung gibt es für viele Unternehmen im Business-to-Business gute Gründe, sich mit dem Thema Barrierefreiheit zu beschäftigen.
Welche Ausnahmen sind im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vorgesehen?
1) Das BFSG sieht zum einen eine Ausnahme für sogenannte „Kleinstunternehmen“ vor. Das sind Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro. Aber Achtung: Es geht nicht um den Jahresumsatz des Onlineshops, sondern um den Jahresumsatz des Unternehmens. Wenn Du zum Beispiel ein gut gehendes Optikergeschäft hast und zusätzlich Brillengestelle und Pflegemittel online verkaufst, zählen alle Mitarbeiter:innen Deines Geschäfts und der gesamte Jahresumsatz. Es sei denn, Du hast das Online-Geschäft als eigenständiges Unternehmen gegründet.
2) Zum anderen können sich Unternehmen von der Verpflichtung nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz befreien lassen, wenn die Barrierefreiheit zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale ihrer Dienstleistung führt.
3) Oder wenn die Herstellung der Barrierefreiheit für die Organisation eine unverhältnismäßige Belastung darstellt, die das Unternehmen nachweislich bedroht.
Die Einschränkungen Nummer zwei und drei müssen die Unternehmen allerdings proaktiv gegenüber ihrer Marktüberwachungsbehörde darlegen und begründen können. Du musst also in jedem Fall – auf die eine oder andere Weise – aktiv werden.
Was musst Du tun, um Deinen Onlineshop BFSG-konform zu gestalten?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verlangt, dass ein Onlineshop für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar ist. Dazu muss das Angebot eines Onlineshops über mehr als einen Sinneskanal zugänglich sein.
Es reicht also nicht mehr aus, die zu erwerbenden Produkte und Dienstleistungen nur in Text und Bild darzustellen. Die Inhalte müssen zum Beispiel auch über Sprachausgabe hörbar und damit auditiv wahrnehmbar sein.
Bei näherer Betrachtung werden die Anforderungen an die Barrierefreiheit noch komplexer. Zum einen ist entscheidend, ob der Shop Teil einer Website ist. Ist dies der Fall, muss die gesamte Website barrierefrei sein – und nicht nur der Shop, seine Inhalte und der Kaufprozess. Ein Beispiel: Ein Golfclub präsentiert seine Aktivitäten, Ergebnisse, Spieler:innen etc. auf einer Website.
Zusätzlich verkauft der Club aber auch Golfzubehör, Bekleidung und Fanartikel in einem Onlineshop, der in die Website integriert ist. Wenn man als Mitglied oder Fan – also als Konsument:in – nur über die Website auf den Onlineshop zugreifen kann, muss die gesamte Website barrierefrei gestaltet sein. Der Shop muss auch für Menschen mit Behinderungen auffindbar und zugänglich sein.
Jede:r E-Commerce-Betreiber:in, der oder die es mit der digitalen Barrierefreiheit ernst meint, muss auch alle anderen Beeinträchtigungen berücksichtigen, die für seine bzw. ihre spezifische Zielgruppe relevant sind. So kann ein Online-Händler für Autoreifen die Zielgruppe der Sehbehinderten ausschließen, da diese ab einem bestimmten Schweregrad nicht mehr Auto fahren dürfen.
Menschen mit einer Hörbehinderung dürfen aber sehr wohl Auto fahren. Daher sollte der oder die Shopbetreiber:in unbedingt alle hörbaren Inhalte untertiteln oder auch als Transkription darstellen.
Wer profitiert von Barrierefreiheit?
Jeder zweite Mensch in Deutschland würde von mehr digitaler Barrierefreiheit profitieren. Denn motorisch behindert sind wir schon, wenn wir ein Kind auf dem Arm halten. Eine Sehbehinderung bemerkt jede:r, wenn wir bei Sonneneinstrahlung nicht mehr alles auf dem Bildschirm erkennen können.
Eine Hörbehinderung kann schon durch den Umgebungslärm in einem Großraumbüro entstehen. Kognitiv beeinträchtigt sind wir, wenn wir versuchen, Multitasking zu betreiben. Situative Behinderungen sind vielfältig und passieren jedem.
Es gibt auch vorübergehende Beeinträchtigungen: zum Beispiel ein Gipsarm. Vielleicht ist ein Auge verletzt oder wir haben gerade unsere Brille verlegt. Auch eine Mittelohrentzündung, ein Hörsturz, Migräne oder Müdigkeit können uns bei der Nutzung von Onlineshops und Webseiten behindern.
Die Zahl der Menschen, die mit situativen und temporären Behinderungen zu kämpfen haben, ist statistisch schwer zu erfassen.
Die Zahl derer, die dauerhaft betroffen sind, ist jedoch höher, als man denkt:
- In Deutschland leben rund 10,4 Millionen Menschen mit einer dauerhaften, 7,8 Millionen mit einer schweren und 2,6 Millionen mit einer leichten Behinderung. Das sind rund 12,5 Prozent der Bevölkerung. (Quelle: destatis.de)
- Und in einer immer älter werdenden Bevölkerung nimmt der Anteil der Menschen mit Behinderungen zu. 18,6 Millionen Menschen – rund 22 Prozent – sind älter als 65 Jahre. (Quelle: statista.com)
- Zudem sprechen 12,3 Millionen – rund 15 Prozent – der in Deutschland lebenden Menschen die deutsche Sprache nicht als Muttersprache. (Quelle: destatis.de)
- Hinzu kommen 6,2 Millionen Menschen in Deutschland, die nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können. Das entspricht 7,5 Prozent der Bevölkerung. (Quelle: xn--mein-schlssel-zur-welt-0lc.de)
Insgesamt sind 47,5 Millionen Menschen betroffen. Sicherlich gibt es Überschneidungen der Betroffenengruppen und damit eine gewisse Mehrfachzählung in dieser Zahl. Dennoch kann man unter dem Strich wohl sagen, dass jeder Zweite in Deutschland von digitaler Barrierefreiheit profitieren würde.
Die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes können nicht ignoriert werden
Die Marktüberwachungsbehörden der Länder sind dafür verantwortlich, dass alle europäischen Wirtschaftsakteure, die unter die Bestimmungen des BFSG fallen, die Barrierefreiheitsrichtlinien einhalten.
Darüber hinaus überwachen sie, dass in Europa keine Produkte und Dienstleistungen in Verkehr gebracht werden, die den Barrierefreiheitsanforderungen nicht entsprechen. Das ist eine echte Mammutaufgabe.
Als Wirtschaftsakteur kann man sich fragen, ob man jemals sanktioniert wird. Da aber Verbraucher:innen – vielleicht sogar motiviert durch eine:n Mitbewerber:in – und auch Verbraucherverbände die Marktüberwachungsbehörde auffordern können, Maßnahmen gegen einen Wirtschaftsakteur zu ergreifen, der oder die die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, kann es sich keine Organisation leisten, das BFG zu ignorieren.
Wenn ein Wirtschaftsakteur die Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht erfüllt, stehen der Marktüberwachungsbehörde verschiedene Druckmittel zur Verfügung. Sie kann das Bereitstellen des Produkts oder der Dienstleistung auf dem deutschen Markt einschränken oder untersagen oder sogar den Rückruf des Produkts veranlassen. Außerdem kann sie Bußgelder bis zu 100.000 Euro in jedem EU-Land gegen den Wirtschaftsakteur verhängen.
Wie kann AI-Technologie bei der Umsetzung der BFSG-Richtlinien helfen?
Um die vier Beeinträchtigungen Sehen, Hören, Motorik und Kognition für digitale Barrierefreiheit auszugleichen, sind sehr unterschiedliche Maßnahmen und Inhaltsformate erforderlich. Die Erstellung vieler Inhaltsformate kann durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz automatisiert werden. Oder der Einsatz von KI kann zumindest den Aufwand für die Erstellung deutlich reduzieren.
KI-basierte Technologie kann beispielsweise Text in Sprache umwandeln. Oder Sprache in Text. KI eröffnet alternative Methoden zur physischen Bedienung eines Onlineshops durch Sprachsteuerung oder durch Steuerung per Augenbewegung. KI kann auch komplexe Texte in einfache Sprache umformulieren.
Unternehmen müssen sich entscheiden, ob sie einen multisensorischen Onlineshop oder verschiedene spezialisierte Onlineshops – Welten – schaffen wollen, um digitale Barrierefreiheit für ihre Zielgruppen zu realisieren.
Detaillierte Informationen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Das Gesetz kannst Du unter bmas.de einsehen. Die etwas leichter verständlichen Leitlinien zum Gesetz findest Du hier.
Nächste Schritte zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes
Entscheidend ist nicht die Frage, ob ein Unternehmen rein rechtlich unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fällt. Viel wichtiger ist die Frage, ob es sich Unternehmen leisten können, auf die wichtige Zielgruppe der Menschen mit dauerhaften, vorübergehenden oder auch nur situationsbedingten Behinderungen zu verzichten.
Ob das Unternehmen auf diese Menschen als Kunden, Mitarbeiter:innen, Partner:innen oder Investoren verzichten will. Zumal viele Unternehmen bereits heute mit ihren vorhandenen Mitteln – unterstützt durch künstliche Intelligenz – in der Lage sind, Menschen mit Behinderungen Zugang zu verschaffen, ihnen ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Und das nicht nur im B2C-, sondern auch im B2B-Bereich.
So machst Du aus dem BFSG-Muss ein Plus:
- Bilde eine übergeordnete Arbeitsgruppe zum Thema Barrierefreiheit.
- Nutze zum Beispiel für Deinen Onlineshop und Deine Bankdienstleistungen Anbieter, deren Dienste barrierefrei sind – oder die schon jetzt zusichern können, dass ihre Dienste bis zum Stichtag barrierefrei sein werden.
- Plane die Umsetzung des BGG rechtzeitig mit internen und externen Dienstleistern, um die geforderten Änderungen möglichst weit vor dem Stichtag umzusetzen. Anfang 2025 werden alle betroffenen Dienstleister ausgebucht sein.
- Nutze generative KI und KI-Tools, um Inhalte in verschiedenen Formaten anbieten zu können.
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