Das Empfehlungsmarketing ist im Online-Marketing nach wie vor sehr beliebt. Der Marketingvorteil liegt auf der Hand.
Wer vertraut nicht gerne den Empfehlungen eines Freundes? Vertrauen: Ein empfohlenes Produkt oder Dienstleistung eines Freundes muss ja bekanntlich schon wegen der eigenen Wertschätzung der Weiterempfehlung einen Wettbewerbsvorteil, entgegen den sonst im Online-Markt angebotenen Produkten besitzen. Vor diesem Hintergrund der vertrauensbildenden Maßnahme des Empfehlungsmarketings im Bereich der privaten Kommunikation ist dieses Marketinginstrument (also die Weiterempfehlung) so beliebt und durch die Rechtsprechung als zielgerichtete Umgehung der E-Mail-Werbung mit wirksamer Einwilligung so streng bewertet.
Die Gerichte betrachten dieses Marketinginstrument als „Laienwerbung“, die nicht dazu benutzt werden darf, die Voraussetzung einer ausdrücklichen vorhergehenden Einwilligung des Empfängers der Werbung zu umgehen. Bei der Bewertung der unterschiedlichen Maßnahmen der Empfehlungswerbung gibt es keine klare und eindeutige Linie in der Rechtsprechung. Durch die in jüngerer Zeit veröffentlichten Urteile vermag der Eindruck entstehen, dass jede Art des Empfehlungsmarketing eine unzulässige Umgehung der E-Mail-Werbung mit vorhergehender Einwilligung darstelle.
Dies ist meines Erachtens nicht richtig. Entscheidend ist es nicht nur das zu übernehmen, was ausdrücklich verboten ist, sondern ein wenig zwischen den Zeilen zu lesen. Sollte dann eine gewisse Risikobereitschaft existieren, kann meines Erachtens das Empfehlungsmarketing nach wie vor zum Einsatz gebracht werden.
Jüngere Rechtsprechung in Bezug auf Empfehlungsmarketing
Die jüngste Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts des Bundesgerichtshofes erging mit Urteil vom 14.01.2016 zum „Friend-Finder“ von Facebook, der als unzulässige E-Mail-Werbung angesehen wurde. Als Begründung diente die Behauptung, dass der Friend-Finder einen registrierten Facebook-Nutzer dazu veranlasse, einem Dritten, welcher noch kein Facebook-Mitglied ist, im Auftrag von Facebook eine Werbenachricht mit einer Einladung zum Beitritt auf die Social Media Plattform zu schicken. Dies stelle eine klare Werbemaßnahme von Facebook dar, welche das Facebook-Mitglied lediglich als „Vermittler“ einschalte, um die verbotene Direktemailwerbung an das „Noch-Nicht-Mitglied“ zu umgehen. Hierbei stellte der Bundesgerichtshof fest, dass auch der Umstand, dass die Zusendung der E-Mail keine direkte Werbung für die Social Media Plattform Facebook beinhalte, unschädlich sei.
Das Ziel solcher Empfehlungen bzw. Weiterempfehlungen zum Beitritt der Plattform sei ganz klar die Aufmerksamkeit auf den Inhalt und damit die angebotenen Leistungen von Facebook zu lenken. Insofern stelle der „Friend-Finder“ eine mittelbare Werbung dar, welche ohne Einwilligung des Empfehlungsempfängers diesen belästige und als Spam eingeordnet werden muss.
Eine nahezu ähnliche Situation hatte der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 12.09.2013 zu einer „Tell a friend“ Funktion zu entscheiden. Hier erhielt ein Rechtsanwalt von einem auf dem Gebiet der Außenwerbung tätigen Unternehmen eine Empfehlungsemail ohne, dass er eine vorhergehende Einwilligung hierzu erteilt hatte. Nach eigener Abmahnung und Aufforderung, solche E-Mails zu unterlassen, erhielt er 17 weitere E-Mails. Die meisten hiervon wurden versendet, obwohl die Werbende in der Zwischenzeit offenbar unzureichende technische Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung weiterer E-Mails getroffen hatte.
Im Ergebnis stellte der Bundesgerichtshof fest, dass die Versendung von Werbeemails auch über die „Tell a friend“ Funktion eines Unternehmens ohne vorherige Einwilligung des Empfängers stets eine unzumutbare Belästigung darstelle und als Spam rechtswidrig sei. Wichtig in dieser Entscheidung ist lediglich die Herausarbeitung, dass auch die „Tell a friend“ Funktion eine mittelbare Werbung des zur Verfügung stellenden Unternehmens darstellt, da der Begriff der Werbung in der Rechtsprechung sehr weit gefasst ist.
So wird nach allgemeinem Sprachgebrauch jede Maßnahme eines Unternehmens hiervon erfasst, die auf die Förderung des Absatzes der Produkte oder Dienstleistungen gerichtet ist, unabhängig davon, ob es sich um eine unmittelbare produktbezogene Werbung handelt oder eine mittelbare Imagekampagne oder eine Sponsoring-Maßnahme. Darüber hinaus bestätigt das Gericht, dass es gerade im Bereich des Empfehlungsmarketings entscheidend auf das Ziel ankomme, nämlich mittels der Empfehlungsnachrichten auf ihr eigenes Angebot hinzuweisen. Vor diesem Hintergrund werde die Maßnahme auch als eigene Werbung eingeordnet und damit ohne vorhergehende Einwilligung des Empfehlungsempfängers als rechtswidrig eingestuft.
Zu guter Letzt hat vor kurzem das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 09.07.2015 die Weiterempfehlungsfunktion des Plattformbetreibers Amazon als belästigende Werbung eingeordnet und Amazon als Webseitenbetreiber zur Unterlassung verurteilt. Maßgebliches Argument in der dortigen Entscheidung war, dass Amazon selbst als Absender der Empfehlungsemail erscheine und insofern unerheblich sei, dass auch der Name des Empfehlenden dem Empfänger der Empfehlung angezeigt werde. Dies ändere nichts daran, dass eine ziel- und zweckgerichtete Werbemaßnahme von Amazon in der Empfehlungsemail gesehen werden müsse.
Der Unterschied zwischen Empfehlungsmarketing und Mundpropaganda
Beide Marketing-Instrumente zur Gewinnung von Neukunden scheinen sich sehr zu ähneln. Doch trotz großer Schnittmenge sind die Wirkungskreise beim Empfehlungsmarketing und bei der Mundpropaganda etwas anders.
Mundpropaganda-Marketing beschäftigt sich mit allen Aspekten der Kommunikation zwischen den Verbrauchern. Das Empfehlungsmarketing beschränkt sich auf die Mundpropaganda, die von bereits bestehenden Kunden ausgeht.
Learning zum Thema Empfehlungsmarketing
Die vorstehenden Entscheidungen beschäftigen sich im Kern immer damit, dass das Empfehlungsmarketing eine zielgerichtete Werbemaßnahme der Unternehmen darstelle, welche die jeweiligen Tools für die Empfehlungen zur Verfügung stellen. Hier wird dann konsequenterweise gefragt, ob eine Einwilligung für eine solche Werbung durch den Empfehlungsempfänger vorliege, was quasi nie der Fall ist. Die Empfehlungen wurden von dem Adressaten nie aktiv angefragt oder bestätigt. Die Folge ist dann, dass entsprechende Tools als Umgehung der Spamvorschrift verboten werden.
Vor diesem Hintergrund ist meiner Meinung nach das Empfehlungsmarketing nicht – wie gelegentlich kommentiert wird – per se unzulässig. Viel mehr kommt es auf die Frage an, ob durch die Zurverfügungstellung des Tools im Ergebnis die E-Mail des Empfehlenden als Werbung für die Leistungen des Unternehmens angesehen werden kann, welches das Tool zur Verfügung stellt. Die Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig. Entscheidend kommt es meiner Ansicht nach darauf an, ob das Werbeunternehmen lediglich eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Empfehlung einnimmt und quasi nur eine „Hilfestellung“ für den Empfehlenden bzw. für die Empfehlungen vorsieht.
In einer solchen Einordnung wird man auch unter Berücksichtigung der Auslegung der vorbesprochenen Entscheidungen zu einer Rechtmäßigkeit kommen müssen, da völlig klar ist, dass auch die Gerichte mehr oder weniger freiwillige Empfehlungen eines interessanten Produktes oder Dienstleistungen einem Laien nicht untersagen können. Die Kriterien, wann lediglich eine untergeordnete Rolle in Form einer Hilfestellung zur Eigenempfehlung vorliegt, sind dabei schwierig. Anhand der bisherigen Rechtsprechung können folgende Indizien für die Zulässigkeit des Empfehlungsmarketings sprechen:
- Frei zu editierender Text im Rahmen der Empfehlungsemail
- Frei zu editierende Kopfzeile im Rahmen der Empfehlungsemail
- Keinerlei unmittelbar produktbezogene oder mittelbar imagebezogene Werbeaussage zu den Leistungen des Unternehmens in den Empfehlungen (bzw. in der Empfehlungsmail)
- Mögliche technische Sperrung von wiederholten Empfehlungsemails desselben Empfehlenden an denselben Empfehlungsempfänger
- Generierung der Absenderemailadresse des Empfehlenden und nicht des werbenden Unternehmens
Soweit die vorgenannten Indizien berücksichtigt werden, kann meines Erachtens nach aktueller Rechtslage auch nach wie vor das Empfehlungsmarketing eingesetzt werden. Gleichwohl ist dies mit einer gewissen Rechtsunsicherheit verbunden, da die Rechtsprechung bis dato nur Verbotsentscheidungen und keine klare Trennlinie einer zulässigen Empfehlungsmarketingmaßnahme aufgestellt hat.
Unklar und in der Kommentierung unterschiedlich bewertet werden gewisse Anreize für das Empfehlungsmarketing wie beispielsweise Rabatte, Boni oder sonstige Vermögenswerte Vorteile des werbenden Unternehmens zu Gunsten des Empfehlenden. Meines Erachtens sind solche Anreize kein geeignetes Indiz, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Empfehlungsmarketing zu beurteilen, da diese nicht relevant für die Frage sind, ob es sich im Ergebnis um eine Werbung des werbenden Unternehmens oder um lediglich eine untergeordnete Rolle dieses Unternehmens mit einer eigenverantwortlichen Empfehlungsentscheidung des Laien handelt.
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