Das Online Marketing folgt erstaunlicherweise selbst bei erfolgreichen Unternehmen sehr häufig noch einer kanalbezogenen, eindimensionalen Denkweise und beschränkt sich überwiegend auf einen Ausschnitt des möglichen Wirkungsfeldes. Damit verzichten diese Unternehmen auf die großen Potenziale eines ganzheitlichen Online Marketings und verschenken Umsatz und Marktanteile.
Nach meiner Erfahrung hat das viel damit zu tun, dass nur in wenigen verantwortlichen Abteilungen wirklich konzeptionell gearbeitet wird. Auf Mikroebene natürlich schon, die konzeptionelle Ausarbeitung taktischer Maßnahmen wird aber häufig verwechselt oder gleichgesetzt mit übergeordneter, gesamtstrategisch-konzeptioneller Arbeit, die leider zu wenig stattfindet.
Gut ablesen lässt sich das an den verwendeten Kennziffern im Berichtswesen: Beschränken sich diese weitgehend auf kanalbezogene Metriken wie etwa Visits, Öffnungsraten, Conversions, ROAS etc., spricht das für einen noch kaum integrierten Ansatz. Aus einem integrierten Online Marketing-Konzept zusätzlich abgeleitete (Meta-)Kennziffern beziehen sich bspw. auf einzelne Funnel, Zielgruppen, Segmente oder auch Customer-Journey-Phasen sowie die Customer Experience.
Wenn Du Dich in dieser Beschreibung überwiegend taktisch geprägter Arbeit wiedererkennst, bedeutet das aber nicht, dass Du einen schlechten Job machst. Es bedeutet, dass Du noch die spannende Chance hast, Dein Online Marketing in vier Schritten zu transformieren und deutlich zu effektivieren. Mach 2019 zu Deinem Jahr!
Schritt 1: Erkläre die Customer-Journey zum strategischen Dreh- und Angelpunkt Deines Marketings
Als konzeptionelles Framework dienen uns das Customer-Journey-Modell und die Strategie der Nutzerzentrierung. Indem Du die Customer-Journey in ihrer Gesamtheit in den Blick nimmst, gewinnst Du einen ganzheitlichen Blick auf die Gedankenwelt, Vorgehensweisen und Touchpoints Deiner Kunden und kannst auf dieser Grundlage auch das Online Marketing ganzheitlich konzipieren und es zum zentralen Baustein des Customer-Journey-Managements Deines Unternehmens machen.
Zunächst ist es also wichtig, dass Du das Modell der Customer-Journey verstehst (Abb. 1) und das gestaltende Management dieser „Reise“ als Kernaufgabe für das Online Marketing begreifst.
Ein Wesensmerkmal dieses Customer-Journey-Managements ist, dass die Customer-Journey aus der Perspektive des (potentiellen) Kunden gedacht wird. Diese Nutzerzentrierung bietet Dir den großen Vorteil, dass Du von der typischen Innensicht auf die Außensicht wechselst und damit einen offeneren Blick auf die tatsächlichen Abläufe gewinnst, die mitunter überraschend wenig Ähnlichkeit mit den bestehenden Marketing-Prozessen haben.
Stelle Dir diese Abläufe als sich wiederholende Kundenepisoden vor, deren Schritte Du identifizieren, analysieren und optimieren kannst – von der Bedarfsweckung über den Kauf bis zum Konsum und Neustart einer Episode.
Mehrere Episoden hintereinander formen das langfristige Kundenerlebnis (Customer-Experience), das die Wiederkaufwahrscheinlichkeit (Customer Retention) und das Markenimage wesentlich beeinflusst (Abb. 2).
Das Kundenerlebnis entsteht aus einer ganzen Reihe sogenannter Touchpoints. An diesen Berührungs- oder auch Erlebnispunkten (Micro Moments) kommen Kunden mit Deinen Produkten und Deiner Marke in Berührung. Für das Gesamterlebnis prägend können dabei schon einige wenige bis hin zu nur einem einzelnen Touchpoint sein – zum Beispiel, wenn die Aufbau- oder Bedienungsanleitung fehlerhaft ist und der Kundenservice nicht reagiert; oder wenn beim Zurückklicken im Bestellprozess der Warenkorb geleert wird.
Ein zentraler Bestandteil des Customer-Journey-Managements ist daher das Touchpoint-Management. Das bedeutet, dass Du diese Interaktionspunkte des Kunden mit Deinem Unternehmen ermittelst, analysierst, steuerst und optimal gestaltest, um möglichst positive Kundenerlebnisse zu schaffen.
Schritt 2: Mach eine Bestandsaufnahme aller Touchpoints auf den Customer-Journeys Deiner Kunden-Personas
Was auf den ersten Blick vielleicht banal klingt, führt in der Praxis regelmäßig zu ersten Aha-Erlebnissen: Nimm Dir am besten gemeinsam mit Kollegen aus angrenzenden Abteilungen wie Vertrieb, Kommunikation, Technik und Service etwas Zeit, um die IST-Situation abzubilden.
Betrachtet zunächst die Customer-Journey einer Persona, Bedarfs- oder Zielgruppe und ermittelt systematisch alle Touchpoints entlang dieser Kundenreise. Und beschränkt Euch – dem nutzerzentrierten Ansatz folgend – dabei bitte nicht nur auf die Interaktionspunkte direkt mit Eurem Unternehmen, sondern berücksichtigt auch alle anderen, wie etwa Medienberichte zu bedarfsauslösenden Themen, Testberichte, Google-Suchen, Kundenbewertungen und so weiter. Ihr werdet bestimmt überrascht sein, wie viele Touchpoints es gibt. Studien zufolge weisen selbst mittlere Unternehmen mehr als 120 davon auf.
Nehmt Euch dann die Customer-Journey der weiteren Personas vor und arbeitet erste Unterschiede heraus. Viele Touchpoints werden übereinstimmen und eine Art Basis-Customer-Journey bilden, es wird aber auch interessante Unterschiede geben, die Du als Ansätze für konzeptionelle Differenzierungen und Priorisierungen verwenden kannst.
Optimal für diesen Prozess ist eine visuell gestützte Herangehensweise, bei der Du die Touchpoints gleich den jeweiligen Phasen der Customer-Journey zuweist (Abb. 3).
Schritt 3: Optimiere und ergänze die Touchpoints
Wahrscheinlich wirst Du feststellen, dass es gerade in den vorderen Phasen der Customer-Journey noch relativ wenige, zumeist allgemeine Touchpoints gibt, die überwiegend auch nicht im eigenen Einflussbereich stehen. Dafür wird es ab einschließlich der Purchase-Phase recht viele Touchpoints im eigenen Einflussbereich geben. In der Regel wird hier eine Unausgewogenheit deutlich, die im nächsten Schritt konzeptionell ausbalanciert werden sollte.
Es ist hilfreich, hierbei zwischen Owned, Earned und Paid Touchpoints zu unterscheiden (POE-Typisierung), eine Klassifizierung, die Du wahrscheinlich bereits aus der Kommunikation oder dem Content-Marketing kennst.
Und jetzt wird es spannend: Überlege, wie …
- einzelne Owned Touchpoints wie etwa Euer Newsletter, die Website, der Anfrage-, Angebots- oder Bestellprozess oder auch der Umgang mit Reklamationen optimiert werden können,
- Earned Touchpoints aktiv beeinflusst werden können, bspw. durch Reputationsmanagement, SEO, Empfehlungsmarketing, gute Medianarbeit etc.,
- sich Paid Touchpoints qualitativ und quantitativ verbessern lassen, indem Du zum Beispiel das Targeting verbesserst, Remarketing feiner granulierst, Werbemittel auf Landingpages abstimmst usw. und
- die Customer-Journey durch neue Touchpoints, insbesondere in den bisher schwach bestückten Phasen, strategisch ergänzt werden kann.
Bringe diese Ansätze anschließend in eine Rangfolge und erstelle daraus einen konkreten Aktionsplan. Bei der Einschätzung der jeweiligen Relevanz hilft Dir im Zweifel der Relevance Score.
Schritt 4: Verbinde Touchpoints und gestalte die Customer-Journey durchlässiger
Die Customer-Journey leidet darunter, wenn ihre Touchpoints nicht miteinander verbunden sind. Denn liest ein potenzieller Kunde beispielsweise in einem Online-Medium über die Vorteile der Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die auch Dein Unternehmen anbietet (Consideration-Phase), stellt sich die Frage, ob ihn seine weitere Reise jemals zu der Case-Study führen wird, in der auf Eurer Website beschrieben wird, wie genau diese Dienstleistung das Problem Eures Kunden gelöst hat (Preference-Phase).
Im letzten Schritt geht es also darum, nicht nur in möglichst jeder Phase für Deine potenziellen Kunden positiv sichtbar zu sein, sondern sie durch kluge Maßnahmen in ihrer weiteren Reise bis zum Kauf und Wiederholungskauf aktiv zu begleiten. Dafür müssen sie möglichst früh in Deinen Radar kommen und verfolgbar werden.
Betrachte die Customer-Journey mit all ihren Touchpoints ganz genau und überlege sorgfältig, wie Du einzelne Touchpoints miteinander verbinden kannst, um die Übergänge von einer Stufe der Customer-Journey zur nächsten fließender zu gestalten, zu beschleunigen und aktiv zu fördern.
Ergebnis dieses kreativen, Touchpoints verbindenden und Phasen überbrückenden Prozesses ist ein Bindegewebe aus kleinen Kampagnen, Contents und Workflows, das aus zuvor weitgehend isolierten Marketing-Maßnahmen und -Assets endlich ein vernetztes System macht.
Tipps für Fortgeschrittene
Weil das wirklich integrative Element bei dem hier vermittelten Ansatz das soeben genannte Bindegewebe ist, will ich Dir dazu noch einige Tipps geben. Denn wenn Du eine besonders gute Performance erzielen möchtest, kommt es darauf an, wie Du diese Kampagnen, Contents und Workflows gestaltest. Die wichtigsten drei Erfolgsfaktoren dabei sind Personalisierung, Diversifizierung und Dynamik, auf die ich nun noch etwas näher eingehen werde.
1. Personalisierung
Versuche, so viele Touchpoints wie möglich auf das individuelle Profil des jeweiligen Nutzers abzustimmen. Je mehr explizite und implizite Informationen Du bereits sammeln konntest, desto mehr Möglichkeiten bieten sich Dir hier. Sprich den Nutzer persönlich an, zeige ihm seinen Interessen entsprechende Produkte und Contents, berücksichtige dabei die Stufe der Customer-Journey, in der er sich befindet, und komme seinem Nutzungsverhalten entgegen, indem Du Touchpoints bspw. genau dann erzeugst, wenn seine Interaktionsbereitschaft am höchsten ist.
2. Diversifizierung
Ein hervorragendes Instrument zur Verbindung von Touchpoints und zur aktiven Begleitung des Nutzers durch die Customer-Journey ist Retargeting. Die hierbei typischerweise verwendeten Paid-Kanäle wie Facebook, Google Ads, Display-Anzeigen usw. bilden aber nur einen Ausschnitt des Möglichen. Berücksichtige auch Trigger-Mails, Postkarten, SMS, Anrufe, WhatsApp, WebPush-Benachrichtigungen und natürlich den Newsletter sowie die Website Deines Unternehmens. Je mehr Kanäle Du nutzen kannst, desto besser wirst Du tatsächlich funktionierende und hoch performante Brücken bauen können.
3. Dynamik
Weil jeder Nutzer ganz individuelle Einstiegspunkte in die Customer-Journey hat und es bei den meisten Unternehmen viele unterschiedliche Segmente, Produkte und damit auch Trichter gibt, sind statische Funnel-Systeme keine geeignete Lösung.
Sinnvoll abbilden lässt sich diese Komplexität nur mithilfe von Regeln, die ein dynamisches Geflecht bilden. Anstelle starrer Trichter definierst Du also eine Vielzahl von Regeln, die je nach auslösendem Ereignis und ggf. weiteren Bedingungen bestimmte Aktion anstoßen. Das können bspw. eine Trigger-Mail oder der Versand einer Gutschein-SMS, das Hinzufügen des Kontakts zu einer FB-Custom-Audience oder einem Kundensegment, das Auslösen einer weiteren Regel und/oder das Verschieben des Kontakts in eine andere Stufe eines bestimmten Funnels sein. Die Möglichkeiten sind sprichwörtlich unendlich.
Gelingt es Dir, diese drei Faktoren miteinander zu kombinieren, wirst Du Dein Online Marketing auf ein komplett neues Level bringen.
Das klingt aber alles ganz schön kompliziert
Zum Glück klingt es komplizierter und herausfordernder, als es ist. Denn mit Marketing-Automation existiert ein Verfahren, das diese drei Faktoren perfekt in sich vereint. Mit einer entsprechenden Automations-Lösung kannst Du Nutzerprofile aufbauen und gezielt anreichern, das Nutzerverhalten analysieren, über Regeln und Workflows personalisierte Inhalte und Kampagnen über eine große Bandbreite von Kanälen ausspielen und noch vieles mehr.
Ich wünsche Dir viel Freude beim Ausprobieren dieser Empfehlungen und freue mich über einen persönlichen Austausch, wenn Du beispielsweise Fragen zum Thema hast.
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