Über 20 Jahre her – zunächst waren wir froh Geld für unser Hobby oder den Start in das Berufsleben zu bekommen – damals noch nicht so stark wie heute ausgeprägt, war dennoch das „Generation Praktikum (für lau)“-Denken auch schon vorhanden. Der eigene Wert ist gefühlt gerade einmal über „Taschengeld“-Niveau. Nach einiger Zeit – wir schreiben das Jahr 2002 – mündet das steigende Selbst-Wert-Bewusstsein in dem Versuch, die Leistungen in einer „Preisliste“ festzumachen.
Die Preisliste stellt für die Abrechnung eine wie bei Rechtanwälten und Co. zum Teil übliche, beinahe taxative Aufzählung in einzelne Positionen bereit. Besonderheit: Verschieden ausgeprägtes „Know-How“ wurde durch Preisstaffelungen „Kompetenz 100%“ bzw. „Kompetenz 50%“ abgebildet. Ein ähnliches Modell gab und gibt es bei Handwerksbetrieben, wenn Meister, Geselle oder Lehrling (dt. „Auszubildender“) mit verschiedenen Stundensätzen ihre Leistungen abrechnen.
Solange in gewohnten und schon erfassten Bereichen abgerechnet wird, ist das auch für Agentur und Auftraggeber transparent und in Ordnung, die Grenzen sind jedoch schnell klar: Für die Agentur ist eine seriöse Preissteigerung nur über das Anheben der verschiedenen Sätze möglich, denn ein bewusst langsameres Arbeiten oder Mehrstunden-Schreiben sollte es ja wohl kaum sein… Umgekehrt wird die Arbeit auch mit mehr Erfahrung ja schneller erledigt und die in vielen Bereichen stundenbasierte Abrechnung hat selbst bei „100% Kompetenz“ ihr Preislisten-Limit. Auch für den Auftraggeber gibt es Grenzen: „Wie viele Stunden dauert es bis die Arbeit erledigt ist?“ oder „Warum hat das diesmal länger gedauert?“ Das sind nur beispielhaft Fragen, die vor allem bei wiederkehrenden Arbeiten zur Abrechnung kommen.
„Warum hat das diesmal länger gedauert?”
Die „Lösung“ ist dann oft doch ein Nachjustieren der Stunden. Korrektur nach oben hin, im Sinne von „da haben wir letztens eine ganze Stunde gebraucht und verrechnet, also verrechnen wir das auch diesmal wieder“, obwohl nur eine halbe Stunde gebraucht wurde, oder eine Änderung der verrechneten Stunden nach unten, wenn’s aus für den Auftraggeber nicht gut erklärbaren Gründen länger gedauert hat. Die Folge sind mehr Dokumentationsaufwand und mehr Erklärungsbedarf und ein immer wieder „nachträgliches Verrechnen“ … und wer will eigentlich schon nachtragend sein?
Kurzer Zeit-Sprung: Rund eineinhalb Jahrzehnte später wird dieser wie auch andere Begriffe von Markus Hartmann in seinem Blog auf „Pricing für Agenturen“ zurecht zerlegt und er schreibt dazu:
„Wer jemandem etwas nachträgt, trägt eben etwas – und zwar eine Last für beide Seiten.”
(Quelle: https://www.pricingfueragenturen.de/blog/warum-du-2018-mit-der-abrechnung-aufhoeren-solltest/ )
2002 war es auch, als sich in Österreich zwei große Vereinigungen in einem Projekt zusammenschlossen und ein Kompendium „Honorar-Richtlinien“ für die Bereiche Grafik-Design, Illustration, Web-Design, Produkt-Design und Textil-Design herausbrachten. Das Buch war eine Zusammenarbeit von der Fachgruppe „Werbung & Marktkommunikation“ (vgl. https://www.werbe.at/ ) und „designaustria“ (vgl. http://www.designaustria.at/ ) .
Dabei wurden die Leistungen auch im Bereich „Web-Design“ jeweils neben der eigentlichen Leistung auch mit einem Teil für die Nutzungsrechte belegt:
„Grundsätzlich orientiert sich die Honorarhöhe für den Verkauf der Nutzungsrechte am Benutzerkreis. Folgende Benutzerkreise sind vorgesehen:
- lokal/regional – Faktor 1
- national/Europa – Faktor 2
- weltweit – Faktor 3 […]“
Was einige Absätze weiter stand, ist auch ein wesentlicher Teil im weiteren „Preis-Verständnis“:
„Die Faktoren rechtfertigen sich durch die erhöhte Wertschöpfung, die aufgrund eines erweiterten Benutzerkreises für den Auftraggeber erzielt wird“ … da steckte also schon ein Faktor für den gesteigerten Wert auf Auftraggeberseite in der Kalkulation!
(Quelle: 2002 – ‘Honorarrichtlinien’ Werbung & Marktkommunikation zusammen mit DesignAustria – ISBN 3-900364-11-7)
Die damals – 2003, Graz war gerade „Kulturhauptstadt Europas“, vgl. http://www.graz03.at/ – richtige Lösung war es „Packages“ für die Kunden zu schnüren:
Die optisch gar nicht so gesund scheinenden „Packerl“ waren schon alle absolut rauchfrei ?
Damit wurden Standardleistungen als verständlich große Pakete für den Kunden, für den Auftraggeber greifbar. Die Packages konnten in die Auslage gestellt und zumindest in der Theorie auch direkt von der Stange gekauft werden. In der Praxis geschah das klarerweise nicht allzu häufig, weil kaum ein Kunde sich in genau dieser oder jener Zusammenstellung wiederfand. Dennoch war es eine gute Art die Kunden bzw. die möglichen Kunden schon im Vorfeld auf eine der zu Beginn drei und dann nur mehr zwei Schienen einzustellen. Im zweiten Schritt wurden dann individuelle Angebote als Pauschal-Lösungen definiert.
In den Lösungen unserer Full-Service-Agentur war auch damals schon ein wesentlicher Anteil Online bzw. Online-Marketing enthalten. Doch gerade in diesem Bereich nahm die Entwicklung in den darauf folgenden Jahren erst so richtig Fahrt auf. Neue Disziplinen waren am Start und „ONLINE“ bestimmte zum Teil neue Werte!
Online-Marketing umfasst alle Marketing-Maßnahmen, die online durchgeführt werden, um Marketingziele zu erreichen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Online-Marketing ), damit kamen zu den Disziplinen Webdesign und Content-Management über die Jahre SEO, SEA, Content Marketing … bis hin zur Social-Media-Betreuung auf Anzeigen-Ebene (wie Facebook-Ads) und Community-Management-Ebene dazu.
Während in der Offline-Welt viele Werte und Wirkungen nur mühsam erfragt oder hochgerechnet und letztlich nicht oder zumindest nicht genau messbar sind, scheint im Online Marketing alles mit Zahlen belegbar. Das kann dann zum Teil gut in Abrechnungsmodelle einfließen. Damit ergeben sich aktuell 5 wesentliche Abrechungsarten, die im Onlinemarketing gängig sind. Die „Netzproduzenten“ haben das auf SEA im Speziellen bezogen, lässt sich aber zum Teil auch auf weitere Disziplinen ausdehnen (vgl. https://www.netzproduzenten.de/preise-im-online-marketing/)
- Fixbetrag –Pauschale pro Monat: Für alle Disziplinen im Online-Marketing – und darüber hinaus auch in der Offline-Werbewelt – ist es möglich solche Pauschale zu vereinbaren. Entweder sind wie oben schon angeführt fixe Packages definiert, oder werden nach einem Beobachtungszeitraum definiert oder es gibt eine Einigung vorab auf ein individuelles Einzelpacket oder mehrere Module.
Der Vorteil für den Auftraggeber ist die gute Planbarkeit für die Laufzeit. Im Performance-Bereich hat es natürlich den Nachteil fehlender Motivation für den Dienstleister. Hier kann aber mit einer Zielvereinbarung gegengesteuert werden und so nach einer Laufzeit – beispielsweise ein Halbjahr – die Pauschalen evakuiert werden. - Stundensatz: Bei der Abrechnung auf Basis Stunden und Stundensatz wird vor allem für den Auftraggeber die Planbarkeit schwierig. Für den Auftragnehmer ist, wie oben schon erwähnt bei gleich bleibendem Volumen und besserer eigener Performance (gleiche Leistung in weniger Zeit) ein Skalieren nur über das Anheben des Stundensatzes seriös möglich.
- Prozentsatz des Werbebudgets: Das ist ein guter, partnerschaftlicher Ansatz um gemeinsames Wachstum in den Fokus zu bringen. Lässt sich bei gutem und transparentem Dialog auch in anderen Bereichen umsetzen. „Wir haben ein Plus von X % gemacht, …“, damit kann dann im Folgejahr oder in der folgenden Abrechnungsperiode auch mit mehr Werbe-Budget gearbeitet werden.
- Performance: Wenn das Ziel der Online-Marketing-Aktivitäten direkt und klar messbare Größen sind, kann auch direkt an diese gekoppelt werden. Beispielsweise bei einem Online-Shop der Umsatz oder in anderen Bereichen die Leads. Wenn die Ziele sauber definiert sind und die Eckpunkte für die Performance-Messung klar vereinbart werden geht das auch in umfangreicheren Packages. Bei speziell auf Detailbereiche abgestellter Dienstleistung wie beispielsweise „nur“ Ads umso leichter.
- Mischung: Die Mischabrechung kombiniert mit einer fixen Basis pro Monat und einem an die Performance gekoppelte Teil zwei Elemente. So können für beide Seiten – Auftraggeber und Auftragnehmer – die Vorteile optimiert werden, planungssichere Basis und Anreiz durch Beteiligung an der Performance.
Welches Modell nun für die jeweilige Situation passend ist, das ist natürlich sehr individuell, was aber eigentlich aus der Artenaufzählung „gedanklich“ raus sollte ist:
Aktuell wird vor allem die zweite Art „Stundensatz“ hinterfragt und der Aufruf stammt direkt auch von Markus Hartmann, der mit gleichem Titel auch ein passendes Webinar dazu online hat: https://www.pricingfueragenturen.de/blog/vergiss-deinen-stundensatz/
Sein Tenor, den er auch punktuell beim OMT-Agency-Day 2019 in Köln in das Mikro „gebrüllt“ und auf das Flipchart gemalt hat: Weg vom Stundensatz, weg von der Kalkulation und eines seiner Beispiele dazu war und ist der Vergleich mit dem (Profi-)Fußball: Dort wird trainiert und taktiert, dort werden junge Spieler aufgebaut und versierte Spieler am Transfermarkt eingekauft. Der wichtige Punkt jedoch ist, sie werden nicht nach den Minuten am Platz bezahlt, sie werden auch nicht nach den Kilometern bezahlt, die sie zurückgelegt haben, zumindest indirekt werden sie für Ihren Wert bezahlt, den sie dem Verein bringen. Diesen Wert können manche Spieler mit auch nur kurzen Einsätzen „Joker“ bei manchen Spielen deutlich machen.
Dazu hat Marco Janck von Sumago in einem seiner Wayne SEO Podcasts – vgl. https://www.sumago.de/seo-podcast/ – ein gutes Beispiel gebracht: Ein Online-Shop mit Millionenumsatz ist von einen Tag auf den anderen nicht mehr im Ranking zu finden, weil sich auf der Website ein Parameter geändert hat. Die Verkäufe brechen ein. Wenn nun ein Dienstleister mit entsprechendem Know-How kommt und das in nur beispielsweise 10 Minuten beheben kann, weil er weiß, wo der falsch gesetzte Parameter zu korrigieren ist, dann ist der Wert für die Leistung ungleich höher anzusetzen, als ein bloßes Stundensatz auf 10 Minuten runter zu rechnen.
Robin Heintze von Morefire hat es in seiner Session „Tipps zur Optimierung von Angeboten“ auch aufgezeigt: es geht um Wert-Schätzung und zwar auf beiden Seiten. Als Dienstleister (Auftragnehmerseite) ist es wichtig in der Angebotsphase so viel, wie möglich vom (potenziellen) Auftraggeber zu lernen, zu erfahren. Immer wieder nachfragen, viel und genau hinzuhören ist die Basis. Damit kann eingeschätzt werden, welche Wertsteigerung durch die Zusammenarbeit erreicht werden kann und damit der Wert der eigenen Leistung eingeschätzt werden. Wenn diese Wertschätzung in das Angebot einfließt und entsprechend auch auf der Auftraggeberseite ankommt, liegt es „nur mehr“ am Auftraggeber diese Wertschätzung zu teilen. Dann können gemeinsam Ziele erreicht und im Idealfall nachhaltig und langfristig weiter entwickelt werden.
Buzzword-Bingo zum Schluß: Damit kann statt eines „Fire and Forget“-Geschäfts eine langfristige und wertschätzende Partnerschaft aufgebaut und eine „Retainer“ gewonnen werden!
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