Egal, ob H und M, Pril, die Deutsche Bahn oder Primark: fast jede große Marke hat in den vergangenen Jahren mindestens einen Shitstorm erlebt. Fast jeden Tag liest man in den Medien von neuen Shitstorms. Doch was sind eigentlich Shitstorms, wie kann man diesen vorbeugen und welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, wenn der Orkan der Entrüstung bereits wütet?
Was ist ein Shitstorm und was nicht?
Der Begriff Shitstorm ist wissenschaftlich leider nicht definiert und wird auch in den Fachmedien unterschiedlich genutzt. So wird aus zwei negativen Kommentaren auch mal schnell ein Shitstorm gemacht, um die Klickzahlen zu steigern.
Doch ein Shitstorm ist deutlich mehr und extremer. Generell lässt sich zusammenfassen, dass es bei einem Shitstorm zu einem massiven Auftreten von negativer Kritik gegen eine Person oder ein Unternehmen kommt, die in sozialen Netzwerken, Blogs oder Kommentarfunktionen auftritt.
Shitstorms haben dabei gemein, dass die entsprechenden Beiträge eine hohe Stufe der Eskalation aufweisen, teilweise beleidigend sind und sich alle auf dasselbe Ereignis oder Thema berufen.
Shitstorms entstehen vor allem dadurch, dass im unteren Management bzw. im operativen Geschäft Fehler entstehen und weniger durch Entscheidungen der Geschäftsführung. Beispiele hierfür sind das unangemessene Verhalten eines Mitarbeiters in einer Filiale, die falsche Reaktion auf Kundenfeedback bei Facebook oder Härtefallentscheidungen.
Das Beispiel Volkswagen
Ein Instagram-Clip von Volkswagen führte zu einem massiven, globalen Shitstorm. In dem nur wenige Sekunden langen Clip wurde eine überdimensionierte weiße Hand gezeigt, die zunächst einen schwarzen Mann von einem Golf wegzieht, um ihn anschließend ins Innere eines Ladens zu „schnicken“ über dessen Eingang „Petit Colon“ geschrieben steht. Im Anschluss erschien der Schriftzug „der neue Golf“ in Großbuchstaben auf dem Bildschirm. Allerdings erscheinen dabei die Buchstaben N, E, G, E und R einen Moment bevor die restlichen Schriftzeichen auftauchen.
Vor allem die Antwort von Volkswagen sorgte für einen massiven Aufschrei und führte zu einem zweiten Shitstorm:
„Volkswagen positioniert sich klar gegen jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung“, das Video stelle „einen kreativen Umgang mit dem Format Instagram-Story dar“ und man habe es gelöscht, um „derartige Interpretationen zukünftig auszuschließen.“
Das Beispiel H&M
Ein Unternehmen, welches des Öfteren in einen Shitstorm geriet, ist das schwedische Textilunternehmen H und M. So beschwerten sich Nutzerinnen des Öfteren darüber, dass die Kleidergrößen bei H und M nicht den Standards entsprechen und die Kundinnen sich als zu fett fühlten. Die Nutzerin berichtete über ihre Erfahrung, nicht in eine Jeans Größe 16 zu passen, obwohl sie normalerweise eine Größe 14 trägt.
Der entsprechende Post wurde fast 100.000-mal “geliked”, fast 13.000-mal geteilt und erzeugte über 10.000 Kommentare. Dabei verschlimmerte vor allem die Standardantwort von H und M den Shitstorm, da das Unternehmen nicht auf die eigenen Fehler einging und somit den Zorn der Nutzer befeuerte.
Die große Gefahr dieses Shitstorms lag vor allem darin, dass Medien wie Stern, Cosmopolitan, Woman, etc. über diesen Beitrag und das Verhalten von H und M berichteten und der Marke einen starken Imageschaden zufügten.
Wie beugt man einem Shitstorm vor?
Einen Shitstorm per se verhindern kann man kaum. Wenn sich eine Community auf etwas eingeschossen hat, dann spielt es keine Rolle, ob das Ereignis relevant ist bzw. eine solche Menge an Entrüstung wert ist.
Daher ist es bei einem Shitstorm essentiell wichtig zu wissen, wo dieser entstanden ist und welche Nutzergruppen für die Verbreitung der Inhalte verantwortlich sind:
- Haben sich zum Beispiel Nutzer eines bestimmten Forums verabredet und den Shitstorm geplant?
- Gibt es einzelne Akteure, die den Shitstorm lenken oder am stärksten befeuern?
Für Unternehmen stellt dies in der Realität eine große Hürde dar, denn viele bekommen gerade noch Kommentare auf der eigenen Facebook-Fanpage mit. Doch wie sollen die Beiträge in Foren, Blogs, Instagram, Bewertungsportalen oder auf Twitter gefunden werden?
Um einen umfassenden Überblick über alle Plattformen zu haben und somit einen Shitstorm in seiner Entstehung beobachten zu können, greifen Unternehmen auf professionelle Social Media und Online Monitoring Tools zurück. Mit diesen wird im operativen Geschäft in Echtzeit geprüft, welches Meinungsbild aktuell im digitalen Raum vorhanden ist. Bei statistischen Abweichungen erfolgt eine Meldung und Unternehmen können den Sachverhalt schnell und zielführend prüfen.
Definiere Dein Setup so, dass Du über eine passgenaue „Verschlagwortung“ und entsprechende Filter die Beiträge ausgeliefert bekommst, die Bezug zum Shitstorm haben. Ein aktueller E-Mail-Alert, der über neue Beiträge benachrichtigt, ist unerlässlich. Analysiere zudem, was der Grund für den Shitstorm ist, welche Nutzergruppen zu diesem beitragen und welche Anforderungen die verschiedenen Gruppen an die Kommunikation haben.
Vorsicht ist besser als Nachsicht bei einem Shitstorm
Einen Shitstorm kann man nicht verhindern, sondern nur in seiner Entstehung beobachten und auf diesen angemessen reagieren. Dabei ist es wichtig, dass die Reaktion entsprechend ausgearbeitet ist, um nicht Gegenteiliges zu bewirken. Es empfiehlt sich daher, auf die entsprechenden Beiträge zeitnah zu reagieren.
Doch da Zeit Mangelware bei einem Shitstorm ist, solltest Du Dir bereits in ruhigeren Zeiten überlegen, wie Du auf welche Szenarien reagieren möchtest. D.h., Du musst konkrete Ablaufpläne erarbeiten, um im Einsatzfall eine schnelle Orientierung zu haben.
Überlege Dir, welche die korrekten Ansprechpartner auf Unternehmens- aber auch auf Agenturseite für die verschiedenen Themen sind. Erarbeite erste Notfall-Landingpages und eruiere, welche Hintergrundinformationen benötigt werden.
So kannst Du im Einzelfall schnell reagieren, um dem Shitstorm entgegenzuwirken. Überlege Dir, welche Abteilungen wie zusammenarbeiten müssen, um den Wissenstransfer und eine ordentliche Dokumentation Deiner Aktivitäten während des Shitstorms zu gewährleisten. Prüfen zudem, ob und welche externen Partner vonnöten sind und wie diese in die bestehenden Strukturen integriert werden können.
Ein großes Problem für Unternehmen ist, dass Shitstorms meist dann entstehen, wenn die eigenen Mitarbeiter im Feierabend oder im Wochenende sind. Von daher ist die Existenz eines Notfallplans, der auch in diesen Zeiten die Kontaktaufnahme ermöglicht, elementar. Ggf. müssen hier der Betriebsrat und der HR-Bereich involviert werden.
Prüfe, ob bei Konkurrenten oder themenähnlichen Unternehmen bereits Shitstorms entstanden sind und analysiere diese genau. Welche Stadien der Eskalation gab es, wie haben sich die Beiträge entwickelt und wie haben die Aktionen der Unternehmen funktioniert? So kannst Du proaktiv aus Fehlern und Erfolgen lernen, um die Entwicklung Deiner Prozesse zu optimieren.
Antworte ehrlich und authentisch
Im Optimalfall hast Du also den Shitstorm lokalisiert, das zugrundeliegende Problem identifiziert und weißt, in welcher Art und Weise Du zu antworten gedenkst. Doch wie kommuniziert man während eines Shitstorms am besten mit seinen Kunden bzw. den verschiedenen Nutzergruppen?
Egal, wo Du Dein Statement publik machst, ob auf der Homepage oder auf Facebook, es gibt einige Regeln, an die sich Deine Kommunikationsabteilung halten muss:
1. Auf die Kritik der Nutzer eingehen
Im ersten Schritt immer auf die Kritik der Nutzer eingehen und diese vor allem ernst nehmen. Vielleicht ist das Anliegen für Dich nicht relevant, doch für die Nutzer schon. Bringe daher Verständnis auf und reagiere authentisch.
2. Nicht zu “förmlich”
Verzichte in der direkten Kommunikation mit den Nutzern auf eine zu förmliche Anrede, sei empathisch und verzichte auf Floskeln, die über Pressemitteilungen erstellt wurden.
3. Verantwortung übernehmen
Zeige klar und deutlich, dass Du Verantwortung übernimmst und zeige offen und ehrlich, welche Lösungen erarbeitet wurden, um die Ursache des Shitstorms zu bekämpfen. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass dem Kunden hier die Schuld gegeben wird. Auch wenn die Schuld nicht unbedingt bei Dir liegt, in den Augen der Öffentlichkeit tut sie es in jedem Falle – und nur das zählt.
4. Individuelle Ansprache
Sprich die Rezipienten individuell an, um Glaubwürdigkeit zu schaffen. Wer auf Standardfloskeln setzt, der zieht sich bei einem Shitstorm schnell die Missgunst und den Hohn vieler Beobachter zu, die bislang selbst noch nicht involviert waren.
5. Ehrlichkeit
Gehe ehrlich mit der Informationslage um. Solltest Du nicht über alle Informationen verfügen, so kommuniziere dies nach außen. Probiere hierbei zu unterscheiden, ob es sich um einen Nutzer handelt, der tatsächlich ein Problem mit Dir hat oder ob es sich um einen „Troll“ oder „Trittbrettfahrer“ handelt.
6. Individuelle Ansprache
Überlege Dir für jede Zielgruppe unterschiedliche Ansprachen.
Wer löscht, verliert
Im Falle eines Shitstorms entstehen die negativen Kommentare im schlimmsten Fall im Minutentakt. Sympathisanten, Betroffene und „Trolle“ springen auf den Zug auf und verfassen Beiträge zum Unternehmen. Natürlich ist es jetzt verlockend die Kommentarfunktion auszuschalten und den Nutzern zu verbieten, etwas zu schreiben. Dies ist jedoch der falsche Schritt, denn das Löschen von Beiträgen sollte nur im Extremfall, z.B. bei Beleidigungen o.ä., erfolgen.
Alles andere mündet lediglich darin, dass die Verärgerung der Nutzer steigt und sie ihren Frust im schlimmsten Fall auf anderen Plattformen teilen, auf denen Du keinen Einfluss hast, respektive nicht reagieren kannst. Sofern Du eine Netiquette besitzt, ermöglicht diese, beleidigende und vulgäre Beiträge zu löschen, ohne dass Nutzer dies als Zensur erachten.
Anders sieht es bei den Bewertungsmöglichkeiten aus. Da diese einen langfristigen Einfluss auf Deine Reputation im Netz haben und auch nicht so einfach geändert werden können, kann es sich hier empfehlen diese zu deaktivieren. Denn wenn die Bewertungen erst mal verfasst sind, ist eine rückwirkende Änderung nur schwer möglich.
Fazit
Wer gegen einen Shitstorm gewappnet sein will, benötigt ein kontinuierliches Social Media Monitoring System inkl. Brandherdalarm, um schnell auf negative Beiträge aufmerksam zu werden. Hier kommen die Strategien und Organisationen zum Tragen, die Du Dir in ruhigeren Zeiten überlegt hast, um mit den Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren und authentisch zu antworten. Durch diese empathische Vorgehensweise verlieren die Nutzer die Wut auf Dein Unternehmen.
Da Du überdies Lösungen aufzeigst, um die Ursachen des Shitstorms zu bekämpfen, ist der Shitstorm kein richtiger Storm mehr und das Thema schneller geregelt, als es aufgekommen ist.
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