Virtual Reality (VR) ist neben Augmented Reality (AR) eine Form dessen, was man als Extended Reality (ER) bezeichnet. Eine Erweiterung der Wahrnehmung mit den Möglichkeiten der vorhandenen Sinne. Mit ihr können wir Realitäten so simulieren, dass wir Dinge, die sonst auf unsere Vorstellungskraft angewiesen sind, wahrnehmbar werden.
Bei AR erschaffen wir dreidimensionale und bewegbare Gegenstände, um sie in ein Verhältnis mit der uns umgebenden Realität zu setzen. Bei VR geht es darum, uns selbst visuell in eine künstliche Umgebung zu versetzen.
Doch gerade bei VR hat man das Gefühl, so richtig gezündet hat es im Online Marketing noch nicht. Ist es nicht das richtige Werkzeug für Online Marketing? Vielleicht sollte man VR nicht nur aus dem Blickwinkel des technisch Möglichen betrachten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, wie man es wirkungsvoll und gewinnbringend für seine Zielgruppen einsetzen kann.
Virtual Reality ist Neuland für das Gehirn
Virtual Reality ermöglicht in seiner extremen Form mit dem Eintauchen des scheinbar ganzen Körpers in eine künstliche Welt eine besonders intensive immersive Erfahrung. Ein Erlebnis, das in dieser Konsequenz zusätzliche Geräte benötigt, nämlich mindestens eine VR-Brille – optimalerweise noch mit Kopfhörern ausgestattet.
Sogar die Haptik bestimmter Oberflächen lässt sich bereits auf Sensoren übertragen und somit erlebbar machen. Man kann als Protagonisten in einer künstlichen Welt auch mit dieser interagieren und beispielsweise künstliche Gegenstände scheinbar mit den Händen greifen und bewegen.
Für das menschliche Gehirn sind solche Erfahrungen in mehrfacher Hinsicht neu. Das hat unter anderem damit zu tun, dass beispielsweise Bewegungen zwar visuell erlebbar sind, aber deren Auswirkungen auf Beschleunigungskräfte und die Gravitation nicht simuliert werden. Das Gehirn erwartet diese Kräfte, aber sie passieren nicht.
Um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen, versucht das Gehirn bisweilen dem Körper zu befehlen: Los, Dir ist jetzt schwindelig. Ein Klassiker der VR-Demonstration ist in dieser Hinsicht die Fahrt in einer Achterbahn.
Das Potenzial allein garantiert keinen Erfolg
Neuartiges Erlebnis! Bei den beiden Worten kommen Marketing-Verantwortliche traditionell auf Drehzahl. Marketing in Verbindung mit neuen Dimensionen des Erlebens schien eine Erfolgsformel zu sein, die VR und AR Tür und Tor öffnen konnte.
Doch die Prognosen haben sich Stand 2022 noch nicht erfüllt, wie unter anderem die „Extended Reality Studie 2020“ von „Deloitte“ zeigt.
Ironischerweise offenbaren sich gerade mit dem Mobile-Spiel Pokémon, das 2018 so oft als sicheres Indiz für den bevorstehenden Erfolg von ER herangezogen wurde, Merkmale, mit denen man auch die Stagnation dieser Technologie auf dem Markt erklären kann.
Das gilt in besonderem Maße für VR. Im Gegensatz zu ihr braucht man für AR keine zusätzliche Hardware. Das Smartphone ist die nötige Hardware. Und 300 Euro zusätzlich als Startpreis für VR-Brillen ist im Vergleich etwa zu Anschaffungspreisen für Smartphones ein relevanter Kostenfaktor.
In der folgenden Grafik ist ein Beispiel für eine App-lose AR Anwendung, die unter iOS funktioniert. Es geht hierbei darum, dass Märchen möglichen Besuchern eines Märchenwalds interaktiv nähergebracht werden sollen. Dies geschieht mit Hilfe von Augmented Reality und ist eine Demo mit Apple AR Quick Look.
Per iPhone oder iPad wird ein QR-Code eingescannt, um sich dann verschiedenen Objekten zu nähern, um so Handlungen auszulösen, also am Ende den Frosch im Märchen „Der Froschkönig“ von seinem Fluch zu befreien und in ihn in einen Prinzen zu verwandeln.
Bei VR sieht die Faustregel dagegen so aus: Je intensiver, je immersiver das virtuelle Erlebnis sein soll, desto größer ist der Aufwand an zusätzlichen Geräten, mit denen sich der Konsument ausstatten muss. Die Schwelle, die er für das besonders intensive VR-Erlebnis überschreiten muss, ist die Bereitschaft, sich eine dieser immer noch recht großen VR-Brillen aufzusetzen und ggf. noch Kopfhörer und Controller für jede Hand.
Natürlich sind diese Geräte über die Jahre viel besser geworden. Aber die Eingangsschwelle betrifft das ungewohnte Tragen und die Abschirmung der audiovisuellen Sinne.
Auch der notwendige Hinweis für Erstbenutzer, es könne zu Übelkeit (Motion Sickness) kommen, schreckt ab. Wenn einem dann tatsächlich übel geworden ist – und das ist nicht selten – ändert die vorherige Ansage auch nichts daran. Im Gegenteil, sie kann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.
Die Ergebnisse der Deloitte Studie bestätigen den Eindruck, dass Virtual Reality in dieser Intensität hohe Einstiegshürden hat. „19 Prozent der Befragten stören sich am geschlossenen Charakter von VR-Brillen, 13 Prozent bevorzugen den gemeinsamen Medienkonsum mit der Familie oder mit Freunden“ und das passive Mitverfolgen des virtuellen Erlebnisses auf einem begleitenden Bildschirm fällt nicht unter diese Definition. „12 Prozent haben Angst vor Übelkeit.“
Bisher zu hohe Erwartungshaltungen an VR
Eine dritte Hürde liegt hier auch in der Philosophie vom Umgang mit moderner Technologie im Marketing.
Sie besagt unter anderem: Die Anwendung moderner digitaler Technik strahlt immer auch auf das beworbene Produkt, die Marke oder die beworbene Dienstleistung ab. Die Wertigkeit wird von Betrachtern dabei fast immer nach dem Effekt und nicht nach der Komplexität und dem Aufwand der Technik beurteilt. Diese Philosophie hat bei VR im Online Marketing bisher nicht funktioniert.
Der Einsatz von VR-Brillen war ursprünglich ganz auf die Gamer-Szene zugeschnitten. Der Zukauf technischen Zubehörs, um das immersive Erlebnis im Spiel zu steigern, stellt bei vielen Gamern eine Selbstverständlichkeit dar. Hier auf dem neuesten Stand der Technik zu sein, ist ein großer Motivationsfaktor für die zahlungskräftige Szene.
Und so etwas wie die Möglichkeit, anfangs mit etwas Übelkeit rechnen zu müssen, ist dort kaum ein relevanter Faktor. Das Kauf- und Nutzungsverhalten von Gamern lässt sich aber nicht einfach eins zu eins übertragen.
Eine zentrale Schlussfolgerung der Studie: Angesichts des Potenzials an neuartigen Erlebnis-Erfahrungen, mit der besonders intensiven Form der VR, waren die Erwartungshaltungen bezüglich des kommerziellen Erfolges offensichtlich viel zu hoch. Denn bisher fristet Virtual Reality immer noch ein Nischendasein auf dem Markt und stagniert.
Dennoch fällt die Prognose bis zu einer jährlichen Wachstumsrate von bis zu 30 Prozent und einem Umsatzvolumen von 530 Millionen Euro auf dem deutschen Markt 2024 gut aus. Entscheidend wird unter anderem sein, ob man Hardware wie eine VR-Brille zu einem „Must-have“ auf dem Markt machen kann.
Eine Stärke von VR im Onlinemarketing liegt in der Interaktivität
Um Virtual Realtiy im Online Marketing gewinnbringend einzusetzen, sollte man sich von dem Missverständnis lösen, dass die technisch aufwändigste, spektakulärste Form von VR auch das größte Potenzial im Online Marketing hat. Um das zu verdeutlichen, kann man sich vier grundlegende Varianten von Virtual Reality vergegenwärtigen. Die ersten beiden beziehen sich auf die Darstellung, die dritte und vierte auf die zugrunde liegende Technologie sowie jeweils Vor- und Nachteile.
360-Grad-Fotos/-Videos
Auch „konventionelle” 360-Grad-Fotos oder Videos stellen den Betrachter in den Mittelpunkt echter oder programmierter, virtueller Szenarien. Sie eignen sich besonders gut zur Darstellung von Großprojekten, Maschinen, Umgebungen und schwer erreichbaren Orten.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Visualisierung eines Großbauprojektes in Wolfsburg-Hellwinkel. Die „Wavin GmbH“ entwickelte und realisierte ein Versickerungs- und Rückhaltesystem für das Regenwassermanagement eines neuen Stadtteils. Zur Darstellung des Projektes diente ein 360-Grad-Video, das virtuelle und tatsächliche Umgebung vor Ort miteinander kombinierte.
Interaktivität und damit eine messbare Interaktionsrate lassen sich durch eingefügte Links und Einblendungen generieren. Betrachter können sich jederzeit bei laufendem oder angehaltenem Video mit dem Cursor frei umschauen und bewegen. Dazu kommen noch Text- und Bild-im-Bild Einblendungen.
Eine solche Darstellung ist sogar noch auf den vergleichsweise kleinen Screens von Smartphones praktikabel, wirkungsvoll und bedeutet insgesamt eine deutliche Aufwertung des Contents.
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Mehr Informationenstereoskopisches Videoformat VR 180
Hierbei handelt es sich um ein von YouTube entwickeltes Videoformat für virtuelle Dreidimensionalität. Allerdings ist der Blickwinkel des Betrachters bewusst auf 180 Grad begrenzt – zur besseren Fokussierung.
Stereoskopisch bedeutet das simultane Aufnehmen aus zwei verschiedenen, aber nahe beieinander liegenden Perspektiven. Daraus ergibt sich ein 3D-Effekt, wie wir ihn von uns selbst kennen. Durch das Sehen mit zwei Augen entstehen Wahrnehmungsinformationen aus zwei verschiedenen, aber nahe beieinander liegenden Perspektiven. Das menschliche Gehirn verarbeitet beide Blickwinkel und fügt sie zu einem Bild zusammen.
So entsteht für Menschen mit zwei Augen ein dreidimensionaler Effekt, der es ihnen beispielsweise erleichtert, Abstände einzuschätzen und sich in einer dreidimensionalen Welt sicher zu bewegen. Funktioniert dieser Vorgang nicht mehr, sehen wir doppelt, was das Gehirn verwirrt.
Langfristig wird dann ein Auge „stillgelegt“ und das Gefühl für Dreidimensionalität, auch für Abstände im Raum wird erheblich eingeschränkt. Dass sich Einäugige dennoch sicher bewegen und auch motorisierte Fahrzeuge bewegen können und dürfen, ist lediglich eine Sache der Erfahrung. Das Gehirn versucht das Defizit durch Erfahrung auszugleichen.
Um den klassischen dreidimensionalen Effekt der Videobilder im Raum wahrnehmen können, braucht man allerdings tatsächlich eine entsprechende VR-Brille. Übrigens gibt es Entwicklungen von kompakten VR-Brillen im Jackentaschen-Format gerade auch für stereoskopische Videoformate.
Beispiele hierzu findest Du bei “Kickstarter”, wenn Du auf den folgenden Button klickst:
Doch ein besonderer Vorteil dieses Videoformates liegt darin, dass man entsprechende Videos auch ohne VR-Brille auf einem konventionellen Display sehen kann. Die räumliche Anmutung ist zwar sehr begrenzt und geht allenfalls in das Bild „hinein“. Das führt bisweilen dazu, dass beispielsweise virtuelle Einblendungen ein wenig geweitet oder gestaucht aussehen. Doch nach wie vor kann man sich auch hier in einem Blickwinkel von 180 Grad frei drehen und ggf. zusätzlichen Bild-im-Bild Content wahrnehmen.
Ein für das Online Marketing attraktives Mittel, um VR-Effekte unabhängig vom Vorhandensein von VR-Brillen anzubieten – etwa einerseits auf YouTube und andererseits auf Branchenevents oder Messen mit VR-Brillen zur besonderen Präsentation.
Ein Beispiel für entsprechende YouTube-Videos ist die Dokumentation eines Leitungsbau-Projektes in New Jersey auf dem YouTube-Kanal von Bloomberg. Zu Beginn sieht man ein Symbol, dass dieses Video als VR 180 Format ausweist und sowohl mit der entsprechenden Brille, als auch mit dem bloßen Auge zu betrachten ist.
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Mehr InformationenBrowserbasierte VR-Software
Browser wie Google Chrome haben als Alternative zu kostenintensiven, Anbieter-spezifischen Apps browserbasierte Angebote entwickelt. Dafür muss man 3D-Content bereitstellen, um ihn mit Hilfe der VR-Software des Browsers dreidimensional erlebbar darstellen zu können.
Ein offensichtlicher Vorteil im Vergleich zur App-Lösung liegt in den geringeren Kosten. Doch die Nachteile sind nicht unerheblich. Der Energieverbrauch beim Abruf ist enorm hoch. Damit werden vor allem die Akkus mobiler Endgeräte sehr schnell an Leistungsgrenzen gebracht. Darüber hinaus stellt browserbasierte Software eine sicherheitsrelevante Schnittstelle zu den eigenen Unternehmensdaten dar. Ein Risiko mit wirtschaftlich kaum abzuschätzenden Folgen.
VR-Content mit eigener Software im vorhandenen Betriebssystem
Google hätte anstelle einer browserbasierten VR-Software auch einen anderen Weg einschlagen können, nämlich auf Basis seines eigenen Betriebssystems Chrome OS VR-Content auszugeben. Apple ist diesen Weg gegangen und hat diese Möglichkeit schon vor Jahren in sein Betriebssystem iOS integriert – im Vorgriff auf zukünftige Entwicklungen. Eine optimale Nutzung der Grafikleistung ist noch bis zum alten iPhone 6S möglich.
Der Vorteil: Es braucht NUR noch den eigenen Content, denn der Rest für den VR-Content ist schon im Betriebssystem enthalten. Das darf man neben dem nochmal geringerem Kostenaufwand und auch angesichts der technischen und sicherheitstechnischen Aspekte als Königsdisziplin bezeichnen.
Durch die Unabhängigkeit von Browser-Software wird die Datensicherheit erheblich erhöht und der Energieverbrauch gegenüber browserbasierten Lösungen ist ebenfalls sehr viel geringer. Das US-amerikanische Softwareunternehmen „Autodesk“ hat das dafür taugliche Dateiformat USD als besonders zukunftsweisend erklärt.
Wie bereits erwähnt, überschneiden sich bei den technologischen Komponenten die Bereiche Virtual Reality und Augmented Reality. Das ist auch deswegen sinnvoll, weil sich VR und AR gerade bei Projekten zur Vertriebsunterstützung sehr gut ergänzen können. Dadurch lassen sich auch ohne VR-Brille beeindruckende Effekte erzielen, die allerdings erst bei der konkreten zielgerichteten Anwendung ausgespielt werden. Hierzu darf ich abschließend ein Beispiel aus dem eigenen Hause anführen.
Zusammen mit unserem Kunden Somfy haben wir eine VR- und AR-Elemente beinhaltende, interaktive Anwendung erstellt, das „Digitale Musterhaus“.
Wie das Projekt umgesetzt wurde, ist hier zu sehen:
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Mehr InformationenFazit
Auch wenn der erste Hype um Virtual Reality ganz offensichtlich ausgeblieben ist, bleibt festzuhalten: Die Technologien hinter immersiven Medienformaten ist immer noch relativ neu und wird permanent weiterentwickelt.
Wenn man sich von den Ursprüngen bezüglich Kauf- und Nutzungsverhalten in der Gamer-Szene löst, stellt man fest: Außergewöhnliche Erlebnisse lassen sich auch bereits mit für Marken und Werbetreibende vertretbaren Budgets umsetzen. Dabei wird hinsichtlich der Wirkung nicht allein auf die Darstellung gesetzt, an die man sich letztlich auch irgendwann gewöhnt und die dadurch an Wertigkeit verliert.
Entscheidend ist der Effekt im Online Marketing durch die Einbindung etwa in Verkaufsprozesse. Dadurch erhält die Komponente der reinen Wahrnehmung auch einen konkreten Nutzen für den Kunden – und zwar bezogen auf das Kaufverhalten in größeren Branchen, etwa dem Möbelhandel oder in B2B-Bereichen wie der Bauindustrie.
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